# taz.de -- Neue Regierung in Österreich: Medienkanzler Kurz
       
       > Die Medienstrategie von Österreichs türkis-grüner Regierung wird direkt
       > im Kanzleramt angesiedelt sein. Und ist damit in den Händen der ÖVP.
       
 (IMG) Bild: Wird immer in der vorteilhaftesten Pose abgelichtet: „Basti-Fantasti“
       
       WIEN taz | Das hat seine Logik: Gerald Fleischmann, langjähriger Sprecher
       und Vertrauter von Sebastian Kurz, wird „Kanzlerbeauftragter für
       Medienfragen“. Keiner weiß die Medien für seine Selbstdarstellung besser
       einzusetzen als Kurz, der am Dienstag zum zweiten Mal zum Bundeskanzler
       gesalbt wird. Unter Journalistenkollegen kursierte bald nach dem Antreten
       des Kabinetts Kurz I vor etwa zwei Jahren der Begriff „message control“.
       
       Kurz und sein Team verstanden es, ihre Auftritte zu inszenieren und die
       Presse jede Woche mit positiven Botschaften zu füttern. Dass sich
       bombastisch verkündete Pläne oft als Luftblasen erwiesen oder die
       Entscheidungen mit alternativen Fakten untermauert wurden, spielte meist
       keine Rolle. Spätere Richtigstellungen durch die Medien oder ausbleibende
       Ergebnisse vermochten den Effekt eines eindrucksvollen Auftritts nicht
       wettzumachen und wurden meist nur von einer kritischen Minderheit
       wahrgenommen.
       
       Inszenierung ist für Kurz die ausschlaggebende Zutat seines Erfolgsrezepts.
       So nimmt er auf Auslandsreisen keine Fotografen unabhängiger Medien mit.
       Vielmehr versorgt er diese mit Aufnahmen seiner Hoffotografen, die ihn in
       der vorteilhaftesten Pose ablichten. So erscheint der jungenhafte Kanzler
       mit den Großen und Wichtigen dieser Welt stets in aktiver Rolle, so als
       würde er ihnen die Welt erklären. Der Erfolg ist messbar: Obwohl die
       tatsächliche Leistungsbilanz des ÖVP-Chefs, der schon zwei Regierungen in
       die Luft gesprengt hat, überschaubar ist, nimmt sein Image keinen Schaden.
       
       Auch eine Recherche der kritischen Wochenzeitung Falter, die anhand von
       Dokumenten nachweist, wie Kurz seinen Vorgänger als ÖVP-Chef, Reinhold
       Mitterlehner, in einem strategisch geplanten Putsch [1][aus dem Weg
       räumte], hat ihm nicht geschadet.
       
       ## Kunst der Wiederholung
       
       Dem ORF wurden für die Hauptnachrichten täglich Aufnahmen geliefert, die
       gebracht werden mussten. Und wenn es nur um ein Arbeitsgespräch mit einem
       slowenischen Vizeminister ging. Die auflagenstarke Kronen Zeitung, die
       schon Jörg Haider und Heinz-Christian Strache groß gemacht hat, liegt Kurz
       zu Füßen. Wolfgang Fellner, der Herausgeber des sensationalistischen
       Gratisblatts Österreich, huldigt ihm als [2][„Basti-Fantasti“].
       
       Anders als die FPÖ, deren Spitzen sich vom ORF immer schlecht behandelt
       fühlten und eine Privatisierung durch [3][Entzug der Gebührenfinanzierung]
       anstrebten, weiß Kurz die Medien zu seinem Vorteil zu nutzen. Wenn er etwas
       verlautbaren will, dann ruft er die wichtigsten Medien in sein Büro und
       gibt Interviews im Halbstundentakt. In allen Zeitungen sind am nächsten Tag
       fast wortgleiche Interviews zu lesen, zuletzt am vergangenen Sonntag.
       
       Kurz beherrscht die Kunst der Wiederholung. Man kann sich darauf verlassen,
       dass die zentrale Botschaft verkündet wird, auch wenn keiner danach fragt.
       Wenn Kurz dereinst längst Geschichte sein wird, wird man sich wohl noch
       daran erinnern, dass er „die Balkanroute geschlossen“ und „die Zuwanderung
       ins Sozialsystem“ bekämpft habe.
       
       Es sind diese eingängigen und vordergründig einleuchtenden Formulierungen,
       die es Kurz ermöglichen, auch die größten Gemeinheiten als Gebote der
       Fairness zu verkaufen. Die FPÖ erregt Anstoß mit hässlichen Worten wie
       „Sozialschmarotzer“ oder „Umvolkung“. Kurz sagt im Grunde das Gleiche, aber
       es klingt netter.
       
       Für den Politologen Anton Pelinka verdankt Kurz „dem Inhalt fast nichts,
       der Form fast alles“. Im [4][Interview] mit der taz sprach er vor den
       Wahlen September 2019 von einem „Meister der Form“, einem
       „Retortenpolitiker, perfekt im Styling“. Dazu gehört seine gegelte
       Haarpracht. Für „hair grooming“ gibt er – auf Kosten der Steuerzahler –
       mehr aus, als manche seiner Wählerinnen monatlich verdienen.
       
       Immerhin plant die künftige Regierung keinen Angriff auf den ORF. „Wir
       stehen für einen unabhängig finanzierten öffentlich-rechtlichen Rundfunk“,
       heißt es da. Die Grünen bekommen damit zumindest die Chance, sich auf
       Augenhöhe zu präsentieren.
       
       5 Jan 2020
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.falter.at/zeitung/20190416/der-kronzeuge-der-kurz-revolution
 (DIR) [2] https://www.oe24.at/oesterreich/politik/wolfgangfellner/Basti-Fantasti-Vom-Staats-zum-Weihnachtsmann/347173163
 (DIR) [3] https://www.diepresse.com/5597215/fpo-drangt-auf-aus-von-orf-gebuhren
 (DIR) [4] /Parlamentswahl-in-Oesterreich/!5626564
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ralf Leonhard
       
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