# taz.de -- Die Wahrheit: „Und damit ist das Buffet eröffnet!“
       
       > Zur Inbetriebnahme des deutschen Weltraumbahnhofs: Die Rede des
       > Bundespräsidenten Sigmar Gabriel am 15. November 2039.
       
 (IMG) Bild: Erster Start auf dem deutschen Weltraumbahnhof
       
       Meine Damen und Herren,
       
       liebe Diverse!
       
       Ich bin stolz, diesen Satz noch sprechen zu können: Hiermit ist der
       Weltraumbahnhof Deutschland eröffnet. Das Betreiberkonsortium unter
       Schirmherrschaft der Deutschen Bahn kann stolz sein auf die geleistete
       Arbeit. Niemand, ich sage, niemand hatte das für möglich gehalten! Wir
       eröffnen nach Rekordbauzeit kein Jahrhundert-, nein, ein
       Jahrtausendprojekt! Wir verdanken diesen Leuchtturm des technischen
       Fortschritts besonders zwei Männern, die nun auch namensgebend für das
       Areal sind. Der „Deutsche Weltraumbahnhof Schobrindt“, benannt nach den
       beiden wohl einflussreichsten Bundesverkehrsministern des 21. Jahrhunderts,
       Andreas Scheuer und Vorgänger Alexander Dobrindt, wird heute offiziell in
       Betrieb genommen.
       
       Nur zwanzig Jahre hat es gedauert, bis dieses Bauwerk nach der
       Ideenfindung, nach ersten und heftigen Diskussionen damals im Jahr 2019,
       nach Forderungen aus Industrie und Politik tatsächlich umgesetzt wurde. Und
       das am idealsten aller möglichen Standorte, an der Porta Westfalica in
       Ostwestfalen.
       
       Lassen Sie mich auch ganz persönlich anmerken: Als Bundespräsident bin ich,
       Sigmar Gabriel, stolz darauf, heute zu Ihnen sprechen zu können, denn es
       hätte wirklich niemand geglaubt, dass mir ein solches Comeback noch einmal
       gelingen würde. Ich habe mir viele kritische Stimmen gefallen lassen
       müssen, als ich 2029 Präsident des Verbands der Automobilindustrie wurde.
       Dabei hatte ich mit diesem Schritt zehn Jahre gewartet nach meinem
       Ausscheiden aus dem Deutschen Bundestag.
       
       Wie oft hat mich Gerhard Schröder – Gott habe ihn selig – ausgelacht dafür!
       Wie gern hätte ich erlebt, er hätte erlebt, dass mir dieses Amt des
       Bundespräsidenten verdientermaßen angetragen wurde, obwohl ich weiterhin
       Mitglied einer Partei bin, die jedes Mal aufs Neue um den Einzug in die
       deutschen Parlamente zittern muss.
       
       ## Resterampe statt Abschussrampe
       
       Und mit diesem Zittern komme ich zurück zum „Deutschen Weltraumbahnhof
       Schobrindt“. „Eine Schnapsidee!“, hieß es damals. „Resterampe statt
       Abschussrampe!“, wurde gelästert. Heute steht dieses Bollwerk stolz auf den
       Höhen des Wiehengebirges als Beweis deutscher Ingenieurskunst. Dabei hielt
       man das Projekt technisch lange für nicht realisierbar. Als die Diskussion
       darum beinah schon abgewürgt war, ließ sich ein Mann nicht beirren, der
       sich damals schon im Amt befindliche, wie man ihn heute nennt, „ewige
       Bundesverkehrsminister“ Andreas Scheuer. Dir, lieber Andi, gelang es
       damals, das lokale Weltunternehmen Melitta mit ins Boot zu holen, das sein
       finanzielles Engagement zwar letztlich nicht verkraftete, uns aber eine
       exzellente Werbekampagne bescherte mit dem Slogan: „Kaffeefilter überall –
       Melitta-Filter auch im All!“
       
       Ja, heute schreiben wir Geschichte. Die Entscheidung für einen deutschen
       Weltraumbahnhof war alternativlos. „Bevor es Luxemburg macht oder Belgien,
       machen wir es!“, erklärte schon vor Jahren Bundeskanzler Philipp Amthor.
       Der sehr verehrte Herr Bundeskanzler begeht heute übrigens auf den Tag sein
       18-jähriges Dienstjubiläum und ist damit quasi endlich erwachsen geworden.
       Philipp, ich gratuliere dir.
       
       Ich darf erinnern: Philipp Amthor übernahm kurz vor der Bundestagswahl 2021
       die Initiative, überraschte die CDU-Führung, stellte sich innerparteilich
       zur Wahl und siegte gegen Annegret „AKK“ Kramp-Karrenbauer, falls sich noch
       jemand an sie erinnert, und Friedrich Merz – Gott habe ihn selig – und ist
       nunmehr der dienstälteste Kanzler der Bundesrepublik Deutschland und das
       Mastermind hinter unserem Weltraumbahnhof.
       
       In wesentlich kürzerer Zeit als geplant wurde dieser Meilenstein des
       Technologiestandorts Deutschland am einzig geeigneten der fünf ursprünglich
       erwogenen Standorte realisiert: die Porta Westfalica. Viele waren
       überrascht von den Planungen für einen Weltraumbahnhof nahe Minden. Sicher
       war es für die betroffenen Bürger in Bad Oeynhausen ein harter Schnitt, als
       man die Bevölkerung südlich der Porta, die Bewohner von Bad Oeynhausen,
       Dehme und Löhne, komplett umsiedelte, um Fläche für mögliche Abstürze und
       herabfallende Trümmerteile zu schaffen. Aber das war den notwendigen
       Sicherheitsanforderungen geschuldet, wie alle nach den etwas heiklen
       Probeläufen auch verstanden haben.
       
       ## Dank an alle Polizeikräfte
       
       Die Bürger wurden beinah geräuschlos evakuiert und mit großzügigen
       Zahlungen entschädigt. Zwar gibt es weiter uneinsichtige Umweltschützer und
       widerspenstige Biobauern, die sich in Erdlöchern auf beiden Seiten der
       Weser vergraben haben, aber wir haben dank der Bundespolizei die
       Guerilla-Aktionen im Griff, wofür ich mich als Bundespräsident einmal an
       dieser Stelle bei allen Polizeikräften bedanken möchte.
       
       Warum Ostwestfalen? Am Äquator, heißt es, lassen sich Weltraumflüge
       wesentlich einfacher starten, können Raketen leichter die
       Erdanziehungskraft überwinden. Kritiker des Standorts sagen, die
       bodenständigen Ostwestfalen seien zu keinerlei Höhenflügen in der Lage.
       Hier sei die Erdanziehungskraft, manche sprechen auch von Trägheitswirkung,
       intensiver als bei den luftigen Berlinern oder in der immer näher kommenden
       Küstenregion. Und doch nehmen seit Jahrtausenden Kraniche, aus Süden
       kommend, genau von hier aus Anlauf für den Weiterflug – bis nach Finnland.
       
       Skeptiker warnten: Zu gefährlich, hieß es, sei der Weltraumbahnhof. Und
       tatsächlich gab es immer wieder Rückschläge. Ich erinnere nur an den ersten
       Probestart vor einigen Wochen: Die Tragödie um die bemannte Trägerrakete
       „Söder 1“, komplett finanziert aus den Mitteln der bayerischen
       Staatskanzlei. An Bord der Rakete durfte der ehemalige Ministerpräsident
       Markus Söder seinen Traum von den unendlichen Weiten des Weltalls
       verwirklichen. Doch nach zwei Tagen riss der Kontakt zur Rakete ab, und
       Söder verschwand hinter der Rückseite des Mondes. Vereinzelte abgehackte
       und nicht entschlüsselbare Funknachrichten erreichen bis heute die
       Schaltzentrale. Allerdings scheint momentan kein größeres Interesse zu
       bestehen, die finanziellen Mittel aufzubringen, um Söder heimzuholen.
       
       Womöglich ist das auch der Plan, den unser verehrter Herr Bundeskanzler
       Philipp Amthor verfolgt. Dieser deutsche Weltraumbahnhof muss ja
       irgendeinen Nutzen haben – und wenn er auch nur dazu dient, Politiker auf
       den Mond zu schießen.
       
       Wünschen wir also dem „Deutschen Weltraumbahnhof Schobrindt“ nur das Beste
       zur Eröffnung. Und damit ist das Buffet eröffnet!
       
       15 Nov 2019
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Bernd Gieseking
       
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