# taz.de -- Vor dem Parteitag in Leipzig: Frau CDU muckt auf
       
       > Ein neuer Anlauf für eine verbindliche Quote: Die Frauen-Union stört den
       > ohnehin fragilen Frieden bei den Christdemokraten.
       
 (IMG) Bild: Annegret Kramp-Karrenbauer (links) und Annette Widmann-Mauz, Vorsitzende der Frauenunion
       
       BERLIN taz | Ende dieser Woche wird Wiebke Winter von Bremen nach Leipzig
       zum CDU-Parteitag fahren. Leider nicht als Delegierte, sagt sie bedauernd.
       „Sonst würde ich laut gegen die Frauenquote sprechen.“ Das ist insofern
       erstaunlich, als Winter eine ist, die sich schon länger für mehr Frauen in
       ihrer Partei, der Christlich Demokratischen Union, ausspricht.
       
       Die 23 Jahre alte Juristin ist Vorsitzende der Jungen Union Bremen. Auf dem
       Deutschlandtag der Jungen Union Mitte Oktober in Saarbrücken hat sie
       Sticker verteilt: „Ich will #MehrMädels (in der JU)“ stand darauf. Die weit
       überwiegend männlichen Delegierten haben freundlich gelacht, und der
       JU-Vorsitzende Tilman Kuban sagte: „Wir müssen mehr Frauen für die Junge
       Union gewinnen.“ In der Jungen Union zählt der Einsatz gegen die
       Frauenquote zur immer wieder geübten Folklore. Am Ende saßen 7 Frauen im
       31-köpfigen Vorstand.
       
       Wie kommt es also, dass eine Frau wie Wiebke Winter gegen eine Frauenquote
       ist, wie die Frauen-Union sie nun auf dem Leipziger Parteitag zur Debatte
       stellt? Aus dem seit bald einem Vierteljahrhundert geltenden –
       unverbindlichen – 33-Prozent-Quorum möchte die Frauen-Union eine feste
       Mindestquote für die Besetzung von Parteiämtern machen. Für Listen soll
       künftig das Reißverschlussverfahren gelten. Und Kreisverbände, die bei der
       Gleichstellung mit gutem Beispiel vorangehen, sollen beim parteiinternen
       Finanzausgleich gar eine Prämie erhalten. Schrittweise, heißt es in dem
       Antrag der Frauen-Union, soll die Mindestquote „durch weitere messbare und
       konkrete Zielvereinbarungen bis zur Parität mit flexiblen Instrumenten
       ergänzt“ werden.
       
       In der Parteizentrale war man wenig erfreut über den Vorstoß. In der CDU
       gärt es, in der Koalition ist der Teufel los – was soll jetzt noch diese
       revolutionäre Anwandlung der Frauen? Der Vorstoß könnte zudem zu einem
       Desaster für Annegret Kramp-Karrenbauer werden, zu einer Machtdemonstration
       der CDU-Jungs um Friedrich Merz, die den „Mädels“ mal zeigen, wo es
       langgeht bei den Konservativen. Bei ihrer Wahl zur Parteivorsitzenden vor
       Jahresfrist in Hamburg hatte die Frauen-Union vorab gute Netzwerkarbeit
       geleistet unter den Delegierten. Kramp-Karrenbauer schuldet ihren Frauen
       etwas, fragt sich nur, ob das gerade jetzt sein muss.
       
       ## Bei der CSU fiel die Quote durch
       
       Beim Parteitag der Schwesterpartei CSU hatte man bereits beobachten können,
       wie das Frauenthema eskalieren kann. Mitte Oktober hatte CSU-Chef Markus
       Söder seinen Delegierten die Ausweitung der Frauenquote für Parteiämter
       vorgelegt. Der Leitantrag sah vor, die 40-Prozent-Quote, die bereits auf
       Bezirks- und Parteivorstandsebene gilt, auf die Kreisverbände auszuweiten.
       Viele an der CSU-Basis wollten das nicht. Ihr Argument: So viele Frauen
       habe man auf dieser Ebene einfach nicht. Nicht nur CSU-Männer liefen Sturm,
       auch Frauen traten ans Mikrofon und erklärten, Frauen, die etwas könnten,
       würden auch was bei der CSU. Erst nachdem die 40-Prozent-Quote in
       Kreisverbänden von einer Vorschrift zu einer Soll-Bestimmung
       heruntergedimmt worden war, beruhigten sich die Gemüter. Der Image-Schaden
       für Söder aber bleibt.
       
       Der ganze Vorgang darf als Warnung an die CDU-Frauen verstanden werden. Die
       Antragskommission für den CDU-Parteitag hat nun vorgeschlagen, den Antrag
       der Frauen-Union an eine eigens geschaffene Kommission zu verweisen.
       Begründet wird dies unter anderem damit, dass eine Lösung für Unterverbände
       gefunden werden müsse, in denen es – siehe die CSU-Debatte – gar nicht
       genug Frauen für die zu besetzenden Positionen gebe. Das klingt nach
       Arbeitskreis und Wiedervorlage. Was man halt für Möglichkeiten hat, wenn
       ein unangenehmes Thema vertagt werden soll.
       
       Annette Widmann-Mauz, Integrationsstaatsministerin und seit vier Jahren
       Vorsitzende der Frauen-Union, macht nicht den Eindruck, als sei das Thema
       damit für sie abgeräumt. Ihr geht es um Repräsentanz von Frauen, für den
       Parteitag rechnet sie durchaus mit Wortmeldungen zur Sache. „Wir geben
       unsere Ziele nicht auf“, sagt sie, „wir verfolgen sie weiter.“ Und: „Es
       muss klar sein: Beim Bundesparteitag 2020, da wird die CDU sich entscheiden
       müssen.“ Das bedeutet: Diesmal geben wir womöglich noch einmal Frieden –
       aber 2020, ein Jahr vor der Bundestagswahl, muss eine Lösung kommen.
       
       ## Frauen und andere Minderheiten
       
       So geht es nun seit Jahrzehnten bei der Union. Geschlechtergerechte Politik
       wird entweder zum Nebenthema verzwergt, oder sie wird derart aufgeblasen,
       dass feste Regularien kaum mehr abstimmungsfähig erscheinen. Im
       [1][taz-Interview hat Norbert Lammert], der Vorsitzende der
       Konrad-Adenauer-Stiftung, kürzlich gesagt, er verstehe zwar die Ungeduld
       der Frauen-Union. Lammert hält es aber für klug, „noch einmal darüber
       nachzudenken, ob es jenseits obligatorischer Quoren intelligentere
       Verfahren gibt, die eine Verbesserung der angemessenen Repräsentanz von
       Frauen und Männern, Jüngeren und Älteren, Einheimischen und Zugezogenen,
       Gläubigen und Ungläubigen praktikabel macht“.
       
       Damit stellt er die Frauen in der Union in eine Reihe mit Minderheiten.
       Angesichts des geringen Frauenanteils in der Mitgliedschaft könnte man
       manchmal tatsächlich auf diese Idee kommen. Wenn es um Kandidatinnen für
       Parteiämter geht, wird regelmäßig beklagt, da seien ja keine.
       
       Die Debatte über die Frauen, die unerklärlicherweise nicht zur Verfügung
       stünden, ist ein gut eingeübtes Ritual. Immer wenn es bei der CDU darum
       geht, die Beteiligung von Mandatsträgerinnen verbindlich zu machen, melden
       sich jene Stimmen, die darauf hinweisen, es sei – mangels Frauen – schier
       unmöglich, derlei Begehrlichkeiten zu erfüllen. Der letzte
       CDU-Generalsekretär Peter Tauber hatte zwar versucht, seine Partei und
       deren Organisationsstruktur attraktiver für weibliche Mitglieder zu machen,
       seine Amtszeit reichte dafür aber letztlich nicht aus. Mittlerweile ist die
       CDU dermaßen mit ihrer Selbstfindung befasst, dass das Frauenthema gern zu
       einer untergeordneten Frage erklärt wird.
       
       Wenige Tage vor dem Parteitag hat nun die frühere Bundestagspräsidentin
       Rita Süssmuth ihre Partei davor gewarnt, die Einführung der verbindlichen
       Frauenquote erneut hinauszuzögern. „Wir können doch nicht ewig in der
       Vergangenheit stehen bleiben“, sagte die einstige Familienministerin dem
       Weser-Kurier. „Wenn es bei der Freiwilligkeit bleibt, bleiben wir bei dem
       schlechten Zustand stehen.“ Die CDU habe es nicht einmal geschafft, ihr
       unverbindliches Drittel-Frauenquorum zu erfüllen. Für Frauen dürfe es nicht
       bei einer „Bittgesellschaft“ bleiben, „es muss eine Rechtsgesellschaft
       werden.“
       
       ## Die Zahl weiblicher Mitglieder dümpelt bei 26 Prozent
       
       Gerne wird bei der Union auf die prominenten Frauen in Spitzenämtern
       verwiesen. Angela Merkel, Annegret Kramp-Karrenbauer oder Ursula von der
       Leyen gelten als lebende Beweise dafür, dass man es als Frau doch schaffen
       kann in der CDU. Und das, obwohl in der Bundespartei nur 26 Prozent der
       Mitglieder Frauen sind, in der CSU sogar nur 20 Prozent. Auch in der
       Unionsfraktion im Bundestag ist nur jede fünfte Abgeordnete weiblich.
       Nachdem zu Beginn des Jahrtausends der Stimmenanteil unter den Wählerinnen
       gesunken war, hat die Partei seit Beginn von Angela Merkels Kanzlerschaft
       wieder zugelegt. Bei der Bundestagswahl 2017 hatten schließlich mehr Frauen
       als Männer den Unionsparteien ihre Stimmen gegeben. Zugleich waren vor
       allem männliche Wähler in den mittleren Altersgruppen zur AfD und zur FDP
       abgewandert.
       
       Wiebke Winter, die Bremer Vorsitzende der Jungen Union, sieht natürlich das
       Frauen-Problem ihrer Partei. „Wir gehen das Thema ernsthaft an, aber wir
       können dabei auch lachen.“ Sie verteilt beim Deutschlandtag
       #MehrMädels-Sticker und knüpft innerhalb der Jungen Union Netzwerke im
       dazugehörigen Arbeitskreis. Siebzig Frauen sind sie schon. „Meine
       Generation ist anders“, sagt sie. „Es ist nicht alles perfekt, aber schon
       deutlich besser als für die Frauen damals.“ Aktuell sind ein Drittel der
       knapp 100.000 JU-Mitglieder Frauen.
       
       Beim Deutschlandtag in Saarbrücken bedankte sich Junge-Union-Chef Tilman
       Kuban in seiner Rede ausdrücklich bei ihr und der Landeschefin von
       Schleswig-Holstein, Birte Glißmann. „Wiebke und Birte – das sind starke
       Frauen, die wir im Rücken haben. Die brauchen keine Quote.“ Jubel im Saal.
       Wie sagt Wiebke Winter dazu? „Als Frau ist es bei der Jungen Union wie für
       Männer, die zum ersten mal zum Hot Yoga gehen: am Anfang vielleicht
       ungewohnt, aber zum Schluss goldrichtig.“
       
       21 Nov 2019
       
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