# taz.de -- Proteste im Libanon: Die Party-Phase ist vorbei
       
       > Im Libanon hat sich die politische Elite entschlossen, gewaltsam gegen
       > Protestierende vorzugehen. Aber ihre Angst-Strategie funktioniert nicht.
       
 (IMG) Bild: Protestierende in Beirut: „Wir brauchen kein Tränengas. Wir weinen schon“
       
       Im [1][Libanon] zeigt die politische Führung nun ihr wahres Gesicht.
       Sicherheitskräfte haben in der Nacht auf Sonntag und Montag Tränengas,
       Wasserwerfer und Schlagstöcke gegen Protestierende eingesetzt. Damit wurde
       deutlich: Die Party-Phase der Revolution ist vorbei.
       
       Nach zwei Monaten der Massenproteste gegen die korrupten Politiker möchte
       der Staat offenbar den Ruf der friedlich Protestierenden ruinieren.
       Gleichzeitig schürt er Wut und reizt die Geduld der Unzufriedenen aus:
       Nachdem Ministerpräsident Saad Hariri und seine Regierung bereits am 29.
       Oktober zurückgetreten waren, wurde die Nominierung eines neuen
       Regierungschefs immer wieder verschoben.
       
       Zunächst hatte man versucht, die Massen mit alternativen Namen ruhig zu
       stellen – zwei reiche, Hariri-nahe Businessmänner wurden vorgeschlagen.
       Während Hariri zunächst verkündete, nicht mehr zu kandidieren, steht er nun
       wieder auf dem Zettel.
       
       Auslöser der Gewalt waren die Versuche einiger Protestierender, in das
       Parlamentsgebäude vorzudringen. Seit dem Morgen des ersten Massenaufstandes
       am 17. Oktober trennen Soldaten und aufgewickelter Stacheldrahtzaun das
       Gebäude von dem zentralen Protestplatz in Beirut.
       
       ## Ein Kuss auf die Stirn
       
       Wie der lokale Fernsehsender LBC berichtete, versuchten einige Männer die
       Metallbarrikade zu durchbrechen. Die Protestierenden warfen Steine und
       Feuerwerkskörper, die Sicherheitsbeamten setzten Gummigeschosse und
       Tränengas ein. Nach Angaben der Nachrichtenagentur AP wurden am Samstag
       mehr als 130 Menschen verletzt.
       
       Dabei zeigten sich Militär und Polizei in den vergangenen Wochen
       kooperativ, auf den Straßen galt das Image der Sicherheitskräfte als
       friedvoll. Bilder von Frauen, die dem Militär die Hand schütteln oder Rosen
       schenken, verbreiteten sich in den sozialen Medien; [2][auf Twitter ging
       ein Video viral], in dem eine ältere Frau einen Soldaten ermutigt,
       gemeinsam zu protestieren – der Mann gibt ihr einen Kuss auf die Stirn.
       
       Es ist nicht das erste Mal, dass Demonstrierende geschlagen werden.
       Anhänger der schiitischen Hisbollah- und Amal-Bewegungen vertrieben öfter
       Protestierende mit Schlagstöcken oder Tritten. Die „bösen Buben“
       vorzuschicken und es darzustellen, als würden Individuen die Aufstände
       sabotieren, reicht den politischen Machthabenden aber nicht mehr. Die
       politische Führung hat aufgehört, den Leuten vorzugaukeln, man sei an einem
       echten politischen Wandel interessiert.
       
       Nun verbreitet der Staat selbst Angst vor Ausschreitungen. Die
       Innenministerin Raja Hassan forderte „friedliche Demonstrierende“ auf, die
       Straßen zu verlassen, weil „Infiltratoren“ versuchten, Probleme zu machen.
       
       Aber diese Strategie geht nicht auf. Nachdem Regenschauer und allmähliche
       Frustration Menschen vom Protestieren abhielten, boten am Sonntagabend
       Hunderte den Sicherheitsbeamten und Amal Parteianhängern die Stirn. Ein
       Ökonom twitterte ein Bild von dem Plakat eines Protestierenden, darauf
       stand: „Warnung: Tränengas fördert die Abhängigkeit von der Revolution“.
       
       16 Dec 2019
       
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       ## AUTOREN
       
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