# taz.de -- Iranische Raketenangriffe: Krisentelefonate und ein Verdacht
       
       > Hat der Iran ein Passagierflugzeug abgeschossen? Der Verdacht erhärtet
       > sich zunehmend. Derweil wollen die EU und Teheran am Atomdeal festhalten.
       
 (IMG) Bild: Weiter ein Partner für den Iran: die internationale Atomenergiebehörde in Wien
       
       BERLIN taz | Gerade erst hatte sich die Lage entspannt, nun erhärtet sich
       der Verdacht, dass die iranischen Angriffe auf US-Stellungen im Irak doch
       tödlicher waren als angenommen. Das ukrainische Passagierflugzeug, das in
       der Nacht auf Mittwoch – der Nacht der Raketenangriffe – bei Teheran
       abstürzte, ist nach Erkenntnis der US-Regierung durch eine iranische Rakete
       abgeschossen worden – wahrscheinlich versehentlich.
       
       Die US-Sender [1][CBS] und [2][CNN] beriefen sich in ihren Berichten auf
       namentlich nicht genannte Regierungsvertreter. Auch der britische Guardian
       [3][berichtete] am Donnerstagabend von einem versehentlichen Abschuss und
       berief sich dabei auf britische Regierungskreise.
       
       US-Präsident Donald Trump sagte am Donnerstag, jemand könnte einen Fehler
       gemacht haben. Er habe das Gefühl, dass etwas sehr Schreckliches passiert
       sei. Details nannte er jedoch nicht. Bei [4][dem Absturz] waren am Mittwoch
       alle 176 Insassen des Flugzeuges gestorben. Kurz zuvor hatte der Iran als
       Vergeltung für den von den USA [5][getöteten iranischen General Qasim
       Soleimani] Raketen in Richtung Irak abgefeuert.
       
       Derweil trotzten die Europäer in der Iran-Krise am Donnerstag Trump.
       Nachdem der US-Präsident die verbliebenen Unterzeichnerstaaten des
       Iran-Atomdeals (JCPOA) am Mittwoch aufforderte, das Abkommen endlich
       endgültig fallen zu lassen, bekräftigte die EU am Donnerstag ihre bisherige
       Haltung.
       
       Sie will an dem ebenso historischen wie umstrittenen Vertrag festhalten:
       „Das JCPOA-Abkommen war eine wichtige Errungenschaft nach zehn Jahren
       intensiver internationaler Verhandlungen und bleibt ein wichtiges
       Instrument der regionalen Stabilität“, teilte der Europäische Rat mit.
       
       Zuvor hatte Ratspräsident Charles Michel mit dem iranischen Präsidenten
       Hassan Rohani telefoniert. Dabei habe er die Führung in Teheran
       aufgefordert, keine Handlungen zu unternehmen, die ein Festhalten an dem
       Abkommen unmöglich machen würden.
       
       Ähnliche Töne kamen aus Deutschland und Großbritannien. Die deutsche
       Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) stellte klar, dass
       sie das Abkommen als Wert an sich sehe: „Deswegen kämpfen wir um diesen
       Wert, auch um diesen Vertrag“, sagte sie am Mittwochabend im ZDF. Der
       britische Premierminister Boris Johnson telefonierte am Donnerstag mit
       Rohani und erklärte ebenfalls, an dem Abkommen festzuhalten.
       
       ## Perthes: Atomabkommen „nicht tot“
       
       Auch von den Iranern kamen versöhnliche Töne: „Teheran wird weiterhin mit
       der IAEA zusammenarbeiten, und die UN-Behörde wird auch weiterhin die
       iranischen Atomanlagen überwachen“, sagte Rohani in dem Telefonat mit
       Johnson. Die Überwachung der iranischen Atomanlagen durch die
       Internationale Atomenergiebehörde IAEA ist einer der zentralen Punkte, auf
       die sich der Iran mit den Europäern sowie mit Russland und China 2015
       geeinigt hatte.
       
       Die IAEA-Kontrollen seien „sehr, sehr wichtig“, [6][sagte Volker Perthes],
       Direktor der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin, gegenüber der taz
       am Donnerstag. Auch er betonte, dass das Atomabkommen mit dem Iran „nicht
       tot“ sei. Europa müsse nun auf eine Abmilderung der US-Sanktionen gegen den
       Iran hinarbeiten und als Gegenleistung „iranische Schritte zurück zu den
       Verpflichtungen unter dem Atomabkommen“ erwirken.
       
       Gegen andere Bestimmungen des Abkommens – allen voran die Grenzen der
       zulässigen Urananreicherung – hat der Iran seit dem einseitigen Ausstieg
       der US-Regierung unter Donald Trump im Mai 2018 Stück für Stück verstoßen.
       Allerdings erklärte Rohani am Donnerstag erneut, der Iran sei bereit,
       vollständig zum JCPOA zurückkehren, sobald die Einigung auch von den
       anderen Unterzeichnerstaaten vertragsgerecht umgesetzt werde. Die USA
       hatten nach der Aufkündigung des Abkommens scharfe Wirtschaftssanktionen
       gegen den Iran verhängt.
       
       ## Abhörsicheres Briefing im US-Kongress
       
       In den USA spitzt sich indes die Debatte um Trumps Iranpolitik zu. Im
       Mittelpunkt der Diskussion steht die Frage, ob die gezielte Tötung des
       iranischen Generals Qasim Soleimani am vergangenen Freitag gerechtfertigt
       war. Trump hatte die Aktion damit gerechtfertigt, dass die iranischen
       Revolutionsgarden Angriffe der Iraner gegen die USA „unmittelbar“ bevor
       gestanden hätten.
       
       Details zu den angeblichen geheimdienstlichen Erkenntnisse hat das Weiße
       Haus bislang aber nicht bekanntgegeben. Auch ein vertrauliches Briefing in
       einem abhörsicheren Raum des Kongresses von Außenminister Mike Pompeo,
       Verteidigungsminister Mark Esper und CIA-Chefin Gina Haspel am Mittwoch
       brachte wenig Neues.
       
       Der republikanische Senator Mike Lee gab sich nach dem Treffen empört. Es
       sei die „wahrscheinlich schlechteste Unterrichtung gewesen (…), die ich in
       den neun Jahren, die ich im Senat der Vereinigten Staaten diene, erlebt
       habe“, sagte er. Der demokratische Senator Sherrod Brown zog sogar
       Parallelen zum Irakkrieg 2003, in dessen Vorfeld die US-Regierung zur
       Rechtfertigung des Krieges Falschinformationen vorgelegt hatte. Noch am
       Donnerstag wollten die Demokraten im Repräsentantenhaus in einer Resolution
       dafür stimmen, die Macht des Präsidenten in militärischen Entscheidungen im
       Falle Irans einzuschränken.
       
       9 Jan 2020
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.cbsnews.com/video/special-report-us-officials-believe-iran-shot-down-ukrainian-passenger-jet/
 (DIR) [2] https://edition.cnn.com/middleeast/live-news/iran-plane-crash-investigation/index.html
 (DIR) [3] https://www.theguardian.com/world/2020/jan/09/tehran-crash-plane-downed-by-iranian-missile-western-officials-believe
 (DIR) [4] /Flugzeugabsturz-in-Iran/!5651370
 (DIR) [5] /Konflikt-zwischen-Iran-und-USA/!5653432
 (DIR) [6] /Politologe-ueber-Krise-im-Mittleren-Osten/!5654745
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jannis Hagmann
       
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