# taz.de -- Besuch auf der Grünen Woche Berlin: Wurst und Wodka
       
       > Auf der Grünen Woche koexistieren die Nachfolgestaaten der Sowjetunion
       > friedlich und bieten allerlei Getränke an. Ein Rundgang.
       
 (IMG) Bild: Produktpräsentation in der russischen Halle
       
       Russland ist raumgreifend – auch auf der diesjährigen Grünen Woche in
       Berlin. Fast eine ganze Halle unter riesiger Trikolore ist reserviert. Auf
       einer Bühne vor einem quadratischen Bildschirm und Videofilmen zum Thema
       Fischfang bemüht sich das Ensemble der baltischen Flotte Frohsinn zu
       verbreiten. Junge Männer in Schürzen von der „Russian Agriculture Bank“
       sorgen mit Besen für klare Verhältnisse am Boden. „Oh, hier gibt es ja
       viele Regionen“, wundert sich eine Besucherin – angesichts des flächenmäßig
       größten Landes der Erde eine erstaunliche Erkenntnis.
       
       So vielfältig die Anbieter – auch die Nordkaukasusrepublik
       [1][Kabardino-Balkarien] ist mit einem reichhaltigen Sortiment an Äpfeln
       vertreten –, so eintönig die Auslagen: trockenes Gebäck, bunt verpackte
       Bonbons und Wodka in allen Varianten. Der Mangel ist kein Zufall: Am
       Freitag war die Halle für mehrere Stunden geschlossen, weil 20
       Schweinefleischwürste illegal aus Russland eingeführt und deshalb
       konfisziert worden waren.
       
       Auch der Verkäufer in einem knallgelben Bus mit der Aufschrift „Istra
       Käserei Made in Russia“ versucht, gute Miene zum bösen Spiel zu machen.
       Seiner Ware, einer Tonne Käse, war das gleiche Schicksal widerfahren. Daher
       liegen hinter einer Scheibe nur ein paar armselige Butterbrote. „Dabei sind
       unsere Produkte besser und teurer als Schweizer Parmesan“, sagt er. Seit
       der Verhängung der Sanktionen wegen der [2][Annexion der Krim 2014] sind
       westliche Waren, darunter auch Hartkäse, mit einem Einfuhrstopp belegt.
       
       Ein paar Hallen weiter und damit in sicherem Abstand zu Russland hat die
       Ukraine ihre zahlreichen Stände aufgeschlagen. Die Verkäuferinnen in
       traditionell bestickten Blusen, manche mit Blumenkränzen im Haar, haben
       schon um die Mittagszeit sichtbar vorgeglüht. Produkte sind nicht zu
       erwerben, dafür aber braten und köcheln überall traditionelle ukrainische
       Gerichte vor sich hin, wobei VegetarierInnen nichts zu lachen haben.
       „Wodka, Schaschlik“, ruft eine Frau hinter der Theke.
       
       Eine Interessentin, die das Angebot studiert, Ukrainisch spricht und sich
       als ehemalige Bewohnerin der Krim outet, erntet einen skeptischen Blick.
       „Ich bin aus dem Westen der Ukraine, aus den Karpaten. Ich bin eine
       richtige Ukrainerin“, sagt ihr Gegenüber und rührt kräftig um.
       
       ## Gewürze, Limo, Tee
       
       An mehreren Ständen gibt es Bratwürste in Schneckenform samt Beilagen aus
       den teilweise von prorussischen Kämpfern besetzten [3][Ostprovinzen Luhansk
       und Donezk]. Na ja, die Produkte kämen natürlich nicht direkt von dort,
       sagt eine junge Verkäuferin etwas verlegen. Im richtigen Leben ist sie
       Studentin der Germanistik. Für genauere Informationen müsse man sich an den
       Organisator wenden.
       
       Das muss man unter der weiß-roten Fünfkreuzflagge Georgiens nicht. Neben
       alkoholischen Getränken reihen sich hier Gewürze, bunte Limonaden und Tees
       aneinander. Ein Mann mittleren Alters, der aus Tiflis stammt und sich um
       eine ganze Armada verschiedener Weinsorten kümmert, ist auskunftsfreudig.
       
       Er entschuldigt sich fast für das etwas einseitige Sortiment. Das wäre ganz
       anders, wenn die GeorgerInnen ein größeres Territorium hätten. Überhaupt
       habe er, anders als viele junge GeorgierInnen, kein Problem damit, Russisch
       zu sprechen: „Wie soll man denn sonst Geschäfte machen?“, fragt er, hadert
       aber doch mit der russischen Landmasse. „Man stelle sich vor“, sagt er,
       wenn eines Tages alle RussInnen gleichzeitig pinkeln, würde das kleine
       Georgien ersaufen. Darauf einen Tsinandali. Oder zwei.
       
       20 Jan 2020
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /!642323/
 (DIR) [2] /Krim-Annexion/!t5015673/
 (DIR) [3] /Volksrepublik-Donezk/!t5021007/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Barbara Oertel
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Grüne Woche
 (DIR) Russland
 (DIR) Ukraine
 (DIR) Georgien
 (DIR) Landwirtschaft
 (DIR) Landwirtschaft
 (DIR) Landwirtschaft
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) „Wir haben es satt“-Demo in Berlin: Kostümiert gegen Klöckner
       
       25.000 Menschen demonstrierten am Samstag für eine umweltfreundlichere
       Agrarpolitik. TeilnehmerInnen richteten klare Worte an die
       Umweltministerin.
       
 (DIR) Grüne Woche und „Wir haben es satt“-Demo: „Gemeinsam erreichen wir mehr“
       
       Constanze Altmann und Nadine Berger erklären, wie ein neues Aktionsbündnis
       Fair Trade in Berlin voranbringen soll.
       
 (DIR) Initiative „Land schafft Verbindung“: Großagrarier führt Bauernprotest an
       
       Dirk Andresen ist an einem überdurchschnittlich großen Agrarunternehmen
       beteiligt. Dennoch glaubt er, für alle Bauern sprechen zu können.