# taz.de -- Anwärter auf den CDU-Vorsitz: Drei nach Merkel
       
       > Nach dem Verzicht von AKK auf den CDU-Parteivorsitz stehen drei
       > Kandidaten in den Startlöchern. Wir stellen das Trio vor.
       
 (IMG) Bild: Spahn, Laschet und Merz (v.li.) bei einer Sitzung des NRW-CDU-Präsidiums 2018
       
       Markus Söder dürfte schon mal raus sein. Der Bayer, sonst sehr von sich
       überzeugt, beteuert glaubhaft, nicht Kanzlerkandidat der Union werden zu
       wollen. In Bayern sei sein Standort und er sei bei den bayerischen
       WählerInnen im Wort, betonte er. Und: „Ich bin der festen Überzeugung, es
       wird sich jemand finden in der CDU, der unbedingt will.“ Solche Äußerungen
       wird Söder später nur schwer revidieren können. Wobei, im Moment ist in der
       Union alles möglich.
       
       Doch zudem spricht ein formales Argument gegen Söder. Die große CDU hat
       gerne die Hosen an. So soll es bleiben, darauf wies Noch-CDU-Chefin
       Annegret Kramp-Karrenbauer hin, die allerdings in dem nun anstehenden
       Machtkampf nicht mehr viel zu sagen hat. Es sei offensichtlich, dass
       Parteivorsitz und Kanzlerkandidatur in eine Hand gehörten, sagte sie im
       Parteipräsidium der CDU. Söder aber, bekanntlich Vorsitzender der
       bayerischen CSU, kann nicht Chef der CDU werden.
       
       Es bleiben also – nach Stand der Dinge – drei Kandidaten, die für
       Kramp-Karrenbauers Nachfolge und die Kanzlerkandidatur gehandelt werden.
       [1][Alle drei sind Männer], und alle bleiben erst mal in der Deckung. „Die
       Entscheidung von AKK verdient Respekt“, [2][twitterte Friedrich Merz] nach
       Kramp-Karrenbauers Ankündigung kreuzbrav. [3][Jens Spahn betonte], bei
       allem, was nun komme, gelte: „Entschlossenheit, Zusammenhalt und Klarheit
       machen uns stark.“ Und Armin Laschet, Ministerpräsident in
       Nordrhein-Westfalen, [4][gab sich bedrückt]: „Wir bedauern den heutigen
       Rückzug.“
       
       Selten wird so viel geheuchelt wie nach Rücktritten von ChefInnen. Allen in
       der Union ist klar: Der Kampf um die Nachfolge begann in dem Moment, als
       Kramp-Karrenbauer ihre resigniert klingende Erklärung im
       Konrad-Adenauer-Haus verlas. Genau genommen hatte er schon lange vorher
       begonnen. Wer es wird, ist entscheidend für die Republik. Die Union hat die
       besten Chancen, den nächsten Kanzler zu stellen. Und ein Friedrich Merz
       würde anders regieren als ein Armin Laschet. Wer sind die drei?
       
       ## Armin Laschet
       
       Kurzbio: Armin Laschet, 58, wirkt in Talkshows harmlos wie ein
       Gute-Laune-Bär, hat es aber faustdick hinter den Ohren. Ministerpräsident
       Nordrhein-Westfalens, des bevölkerungsreichsten Bundeslandes, und dann noch
       mit der FDP – das zählt viel in der Machtlogik der CDU. Laschet hat
       schließlich bewiesen, dass er eine Wahl gewinnen kann. Was gegen die
       beliebte Sozialdemokratin Hannelore Kraft nicht einfach war.
       
       Inhaltlich steht er am ehesten für die Fortsetzung des mittigen
       Merkel-Kurses. [5][Er forderte früh ein Einwanderungsgesetz] und
       unterstützte die Flüchtlingspolitik der Kanzlerin vorbehaltlos – womit er
       sich im konservativen Flügel viele Feinde machte. Unter dem ehemaligen
       CDU-Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers wurde Laschet 2005 der erste
       Integrationsminister Deutschlands, suchte den Dialog mit Muslimen und
       vertrat progressive Positionen in der Integrationspolitik.
       
       Laschet weiß natürlich, dass er auch den Konservativen Zucker geben muss,
       um in seiner Partei eine Chance zu haben. Im NRW-Wahlkampf 2017 holte er
       sich den Haudegen Wolfgang Bosbach zur Hilfe und warf Kraft Versäumnisse
       bei der inneren Sicherheit vor. Seit einiger Zeit zieht er verdächtig
       polemisch über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk her, der keinen
       Erfolgsdruck habe und seinen Redakteuren überdurchschnittliche Gehälter
       zahle. Botschaft: Laschet kann auch populistisch, wenn es der Sache nutzt.
       
       Stärke: Ein CDU-Kanzlerkandidat Laschet würde die Räume in der Mitte eng
       machen. Ökoaffine Bürgerliche würden vielleicht davon abgehalten, zu den
       Grünen überzulaufen. Auf einem CDU-Parteitag, der die Entscheidung über den
       Kandidaten wohl fällen muss, hätte er gute Chancen, allein deshalb, weil
       sich der starke Landesverband Nordrhein-Westfalen hinter ihm versammeln
       würde.
       
       Schwäche: Laschet wäre Merkel in männlich. Viele in der CDU fragen sich,
       wie sie mit Laschet an der Spitze die AfD kleinhalten sollen. Wobei das
       Projekt „Wähler von der AfD zurückgewinnen“ fragwürdig ist: Wie gewinnt man
       Leute mit hermetisch geschlossenem Weltbild zurück, die den Klimawandel für
       eine Lüge, Europa für einen bösen Kraken und Höcke nicht für einen Nazi
       halten?
       
       Schwarz-Grün-Verträglichkeit: Sensationell. Laschet, Baerbock und Habeck
       wären das doppelte Lottchen der ökosozialen Wende, nur eben zu dritt.
       
       ## Jens Spahn
       
       Kurzbio: Jens Spahn, 39, ist ein Tausendsassa. Der Freund markiger Sprüche,
       die in seiner Homebase im Münsterland für Begeisterung sorgen, vereint
       lässig all die Widersprüchlichkeiten der Moderne in seiner Person. Schwul
       und konservativ, wirtschaftsliberal und sozial, gut gelaunt und
       staatstragend, jung und schon ewig dabei. Spahn ist irgendwie alles
       gleichzeitig.
       
       Früher liebte Spahn es, die Linken mit starken Sprüchen auf die Palme zu
       bringen. Er [6][lästerte über Englisch sprechende Hipster] in Berliner
       Cafés. Oder gab den Armen der Republik ein paar Tipps aus dem Dienstwagen:
       „Hartz IV bedeutet nicht Armut, sondern ist die Antwort unserer
       Solidargemeinschaft auf Armut“, das kam nicht so gut an. Große Aufregung,
       tagelange Diskussion. So etwas liebte Spahn. Aber Spahn ist wandlungsfähig.
       Seitdem er Gesundheitsminister ist, gibt er eher den sozialen Kümmerer. So
       sorgte er zum Beispiel dafür, dass Angehörige der Mittelschicht die
       Pflegekosten ihrer Eltern nicht mehr übernehmen müssen.
       
       Spahn gilt als verlässlich. Und wird auch von politischen Gegnern gelobt.
       Der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach kommt zum Beispiel gut mit ihm
       klar. Wenn es ihm in den Kram passt, ist Spahn zu erstaunlich progressiven
       Vorstößen fähig. Er war für die Ehe für alle, obwohl die übergroße Mehrheit
       in der CDU dagegen war. Er verbot Konversionstherapien, bei denen
       Pseudoheiler Homosexualität „kurieren“. Nicht unwichtig: Er versteht sich
       wirklich gut mit führenden Grünen.
       
       Stärke: Humor. Schicke Brille – und auch sonst stylemäßig vorne in dem
       Trio. Spahn steht als einziger für einen Generationenwechsel. Seine
       Kandidatur könnte junge Leute eher begeistern als die eines Friedrich Merz.
       Denn ja, mit 39 ist man in der CDU noch jung. Thematisch breit aufgestellt,
       könnte Spahn konservative und mittige WählerInnen ansprechen.
       
       Schwäche: Rückhalt in der CDU eher so: puh. Spahn trat schon im Herbst 2018
       an, als es beim Bundesparteitag um die Merkel-Nachfolge im CDU-Vorsitz ging
       – und landete abgeschlagen auf dem dritten Platz. Hinter Kramp-Karrenbauer
       und Merz.
       
       Schwarz-Grün-Verträglichkeit: Gut. Spahn würde ohne mit der Wimper zu
       zucken mit den Grünen koalieren. Und die Grünen auch mit ihm.
       
       ## Friedrich Merz
       
       Kurzbio: Friedrich Merz, 64, ist die Sehnsuchtsfigur vieler Konservativer,
       die sich das Gestern zurückwünschen – oder das Vorgestern. Ein katholischer
       Sauerländer, klar marktliberal, erfolgreich in der Wirtschaft, der ein
       Steuerkonzept auf dem Bierdeckel skizziert. Merz’ Ansage, mit ihm könne die
       CDU die AfD halbieren, weckt Träume von alter 40-Prozent-Dominanz.
       
       Dass das wenig realistisch ist, spielt dabei kaum eine Rolle. Merz ist ein
       Redner, der Säle mitreißen und zuspitzen kann. Sein umstrittener Begriff
       der „deutschen Leitkultur“ ist bis heute ein Renner in Diskurszirkeln am
       Berliner Ku’damm. Noch ein Plus: Liberalkonservative Medien schreiben ihn
       hoch. Und sein Selbstbewusstsein ist fast so groß wie das von BlackRock
       verwaltete Vermögen. Jenes, nur zur Orientierung, lag 2018 bei 5,98
       Billionen US-Dollar.
       
       Seine politische Bilanz ist durchwachsen. Merz schaffte es nie in ein
       Ministeramt, er verfügt über keinerlei administrative Erfahrung. Die
       Unionsfraktion führte er nur zwei Jahre lang, bevor er den Vorsitz 2002 an
       Angela Merkel abgeben musste. 2004 zog er sich frustriert aus der
       CDU-Spitze zurück, wechselte 2005 in die Wirtschaft – und tauchte erst
       wieder auf der politischen Bühne auf, als Merkel ihren Rückzug vom
       Parteivorsitz verkündete.
       
       Stärke: Merz hat eine große Fanbase. Viele Mitglieder und Funktionäre
       lieben ihn. Er unterlag im Wettrennen mit Kramp-Karrenbauer nur knapp. Der
       Wirtschaftsflügel der Union findet ihn toll, die knallrechte Werteunion,
       eine lautstarke Splittergruppe, auch. Praktisch: Merz besitzt ein
       Kleinflugzeug und den Pilotenschein. Er könnte kostengünstig und fotogen zu
       CDU-Parteitagen anreisen.
       
       Schwäche: Mäßige Frustrationstoleranz. Ungeduld. Merz neigt manchmal dazu,
       unbedacht vorzupreschen. Und viele in der Union halten einen merkeligen
       Mittekurs gegen die starken Grünen für erfolgversprechender als
       Konservatismus pur. Eine Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock gegen Merz –
       da klingt ein Sieg der Grünen gar nicht mehr so unwahrscheinlich, oder?
       
       Schwarz-Grün-Verträglichkeit: Mäßig. Bei den Grünen gibt es Vorbehalte
       gegen Merz. Mit ihm würde es schwierig, heißt es. Aber wäre das so? Unser
       Tipp: Beide Seiten wären biegsam genug, um das Liebenswerte aneinander zu
       entdecken.
       
       11 Feb 2020
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /CDU-nach-dem-Ruecktritt-von-AKK/!5663275
 (DIR) [2] https://twitter.com/_FriedrichMerz/status/1226863155273457669
 (DIR) [3] https://twitter.com/jensspahn/status/1227129233480257538
 (DIR) [4] https://www.pscp.tv/w/1OwGWQREpnNxQ
 (DIR) [5] /Einwanderungspolitik-der-CDU/!5214916
 (DIR) [6] /Kommentar-zu-Englisch-in-Restaurants/!5434016
       
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