# taz.de -- Dahlenburger Rat ist für Schweinezucht: Neue Chance für Massentierhaltung
       
       > Obwohl ein Gericht den Bau einer Schweinezuchtanlage in Ellringen bereits
       > 2018 gestoppt hatte, wird nun ein veränderter Bebauungsplan diskutiert.
       
 (IMG) Bild: Erneuter Protest: Rund 40 Aktivist:innen zogen am Freitag zu der stillgelegten Baustelle
       
       DAHLENBURG taz | Am Ende wird wohl wieder ein Gericht über die umstrittene
       neue Schweinezuchtanlage im niedersächsischen Ellringen entscheiden, darin
       sind sich alle einig. Der Bau wurde bereits [1][2018 durch das
       Oberverwaltungsgericht Lüneburg gestoppt], Mitte Februar hat der zuständige
       Rat in Dahlenburg aber die Chance auf eine Vollendung des Projekts gewahrt,
       indem er die öffentliche Auslegung des entsprechend veränderten
       Bebauungsplans beschloss.
       
       Die Gegner:innen sind empört, zu Beginn der zweiwöchentlichen Auslage
       protestierten 40 von ihnen vor der stillgelegten Baustelle. „Wir sind uns
       sicher, dass der Bau hier nicht rechtssicher zu realisieren ist“, sagt
       Thomas Behr (Grüne), Mitglied im Dahlenburger Fleckenrat und Vorstand der
       Bürgerinitiative Region Dahlenburg (BI). „Ich bin grundsätzlich gegen
       solche Betriebe, aber das hier ist wirklich der denkbar schlechteste
       Standort.“
       
       Am Rande des Dorfes Ellringen, 25 Kilometer östlich von Lüneburg, steht
       schon der Rohbau der Anlage – am Waldrand, mitten in gesetzlich geschützten
       Biotopen. Der Betreiber, die Bundes Hybrid Zucht Programm GmbH (BHZP), ist
       eines der größten deutschen Schweinezuchtunternehmen. Dessen Hauptsitz
       liegt in Ellringen. Hier betreibt das Unternehmen derzeit eine Zucht mit
       gut 1.000 Tieren, geplant ist eine Anlage für 6.000 Schweine.
       
       Bereits vor über zehn Jahren begann die BHZP, den Neubau zu planen,
       erinnert sich Behr. Erstmalig genehmigt wurde die Bebauung durch den Rat
       2016. „Der Landkreis Lüneburg hat dann die Baugenehmigung erteilt,
       [2][obwohl unsere Klage bereits lief]“, sagt Behr. Drei Hallen und eine
       Zufahrtsstraße konnten so bereits entstehen.
       
       Doch dann stoppte das Lüneburger Gericht den Bau – aufgrund diverser Form-
       und Planungsfehler: Der Bebauungsplan sei weder rechtzeitig noch umfassend
       genug öffentlich zugänglich gemacht worden. Zudem habe das Unternehmen
       nicht plausibel erklären können, wie es Emissionsgrenzwerte für Gerüche
       einhalten könnte.
       
       Die Anwohnerin Gerda Schmischke hatte mit Unterstützung der BI geklagt.
       Schmischke wohnt 800 Meter von der Anlage entfernt, hinter dem nächsten
       Hügel. Dort ist sie hingezogen, weil es hier in der Region einen besseren
       Trinkwasserzugang gebe. „Ich bin entsetzt darüber, dass die BHZP nicht
       sagt, wie viel Wasser sie für die Anlage künftig abziehen will.“ Auch
       Massentierhaltung an sich verurteilt sie. Genauso wie einige
       Gemeindemitglieder, so scheint es jedenfalls: Die Aktivist:innen erzählen,
       dass Schmischke und andere Gegner:innen mehrfach bedroht worden seien.
       
       „Dank der lokalen Held:innen wie Gerda und Thomas, die hier schon seit
       Jahren Widerstand leisten, können wir uns diesem Protest anschließen“, sagt
       ein Aktivist vom Klimakollektiv Lüneburg anerkennend. Auch Animal Rights
       Watch, der BUND, die Initiative Ausgeschlachtet und weitere Anwohner:innen
       demonstrieren mit. Die Frage nach der Sinnhaftigkeit des Projekts eint die
       verschiedenen Gruppen.
       
       Das Lüneburger Gericht zweifelte in seinem Urteil an, ob sich „hinreichend
       mit der Realisierungsfähigkeit der geplanten Erweiterung der
       Erschließungsstraße, der Gülle- und der Wärmeleitung auseinandergesetzt“
       wurde.
       
       Laut Behr habe der Richter nach der damaligen Verhandlung sogar in Richtung
       Christoph Maltzan (CDU), Samtgemeindebürgermeister von Dahlenberg, und BHZP
       gesagt: „Sie dürften sich darüber im Klaren sein, dass Sie in Ellringen
       eine Investitionsruine errichtet haben.“ Das sahen Gemeinde und Konzern
       offensichtlich anders und legten eine Beschwerde gegen das Urteil ein,
       welche [3][das Bundesverwaltungsgericht im Januar abwies].
       
       Bürgermeister Maltzan geht nun aber davon aus, dass mit den neuen Plänen
       die Kritik des Gerichts abgearbeitet ist. „Letztlich werden wir das aber in
       einem weiteren Gerichtsverfahren feststellen.“ Ob das Unternehmen glaubt,
       dass die neuen Pläne die durch das Gericht festgestellten Mängel beseitigt
       haben, sagt die BHZP nicht. Auch nicht, was die „gestiegenen Anforderungen
       in der Schweinezucht“ sind, wegen denen der Neubau laut Bebauungsplan nötig
       sei oder welche etwaigen Standards in den Ställen der BHZP oder in denen
       ihrer Kunden gelten. Das Unternehmen reagierte auf keine Anfrage der taz.
       
       Im Dahlenburger Rathaus können Bürger:innen nun seit Freitag die [4][Akten
       anschauen und an den veränderten Punkten im Bauplan Kritik üben]. Diese
       betreffen hauptsächlich die geplante Gülleleitung, die nun an vielen
       Stellen doppelwandig und unterirdisch gebohrt statt vergraben werden soll.
       
       Neben den juristischen Fragen stellt sich aber auch die Frage des
       politischen Willens. „Massentierhaltung ist angesichts der Erderwärmung
       einfach nicht mehr zeitgemäß“, sagt Ratsmitglied Sabine Kamp (SPD) dazu.
       Die Nitratwerte im Boden seien jetzt schon viel zu hoch. Ihre Fraktion sei
       „zutiefst gespalten“ – sie und auch ihr Mann seien gegen die Anlage, die
       anderen zwei SPD-Mitglieder dafür.
       
       ## Die CDU-Fraktion schweigt
       
       Kamp steht dem Plan nach wie vor „absolut skeptisch“ gegenüber. Es sehe
       zwar so aus, als sei einiges überarbeitet worden, aber „wir Bürger haben ja
       gar nicht die Expertise, um das zu beurteilen“. Sie glaubt auch, dass
       letztlich wieder ein Gericht über den neuen Plan entscheiden wird.
       
       Auch Behr denkt, dass sich die meisten Ratsmitglieder nicht genügend mit
       der Anlage auseinandersetzen. Stattdessen würden die Befürworter im Rat
       „stoisch ihre Parolen wiederholen“, wie etwa die Schaffung von
       Arbeitsplätzen. Und das stimme nicht einmal, sagen die Aktivist:innen:
       Viele der Mitarbeitenden kämen nicht aus der Gemeinde, auch das
       Industriefutter für die Tiere werde importiert, Steuergewinne seien auch
       nicht zu erwarten. „Die haben einfach keine Argumente“, sagt Behr.
       
       Die CDU-Fraktion des Rates äußerte sich trotz Anfragen der taz nicht zu
       ihrer Position. Nach Abwägung der nun eingehenden Stellungnahmen wird der
       endgültige Bauplan verfasst, der dann – etwa im April, vermutet Behr –
       erneut vom Rat verabschiedet wird. Das Kamp-Ehepaar und die beiden Grünen
       stehen dort elf Befürworter:innen gegenüber. Der Landkreis ist dann für die
       erneute Erteilung der Baugenehmigung verantwortlich. Behr kündigt an: „Wir
       werden wieder klagen.“
       
       3 Mar 2020
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.juris.de/jportal/?quelle=jlink&docid=MWRE190000217&psml=bsndprod.psml&max=true
 (DIR) [2] https://www.landeszeitung.de/blog/lokales/1304332-schweinzucht-ellringen
 (DIR) [3] https://www.bverwg.de/030120B4BN25.19.0
 (DIR) [4] https://www.dahlenburg.de/desktopdefault.aspx/tabid-872/1225_read-4643/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Alina Götz
       
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