# taz.de -- Beleidigungen in den Fußballstadien: Eine nette autoritäre Familie
       
       > Erst werden die Fußball-Ultras wie Pubertierende abgekanzelt, nun werden
       > sie für ihre Kreativität gelobt. Das hat System.
       
 (IMG) Bild: Die Freiburger Fans können auch politisch korrekt beschimpfen
       
       „Zum Durchklicken. Kreative Fanproteste.“ Selbst auf der Homepage von
       [1][Sky], dem exklusiven TV-Partner der Deutschen Fußball-Liga, lockte man
       an diesem Wochenende die Internetkundschaft, indem man die Kommerz- und
       Verbandskritik der Ultras auf schönen Bilderstrecken präsentierte. Das ist
       nichts weiter als eine Randbeobachtung. Sie illustriert jedoch gut, wie
       schwer es für die Ultras ist, aus dem vielfach kritisierten kommerziellen
       System auszubrechen. Sie sind schon seit Jahren ungewollt Bestandteil
       dieses Systems.
       
       Allein die große Anzahl ihrer Mitstreiterinnen und Mitstreiter bringt es
       jedoch mit sich, dass ihre Positionen stets arg plakativ und wenig
       ausdifferenziert erscheinen. Ihnen haftet das Stigma des pubertären
       Protests an. Umso leichter kann sie kollektiv und generell abgewiesen
       werden, was wiederum Gegenreaktionen provoziert.
       
       Der Protest gegen Dietmar Hopp am vorletzten Spieltag, der ja eigentlich
       einer gegen Kollektivstrafen war, kann als jugendliche Eskalationsstrategie
       gelesen werden, um Aufmerksamkeit und Gehör zu finden. Die Großkopferten
       des Fußballs nahmen die Rolle des Patriarchen ein, der darauf hinweist,
       dass Kritik – auch von unten – ja schön und gut sei, aber nur innerhalb der
       Grenzen, die man den Fußballfans vorgibt.
       
       Um im Bild zu bleiben, befinden sich nach dem großen Familienkrach alle
       Seiten – zumindest kurzweilig – wieder auf dem Kurs der Deeskalation. Die
       Ultras führten dieses Wochenende in unzähligen Fußballstadien
       Selbstgebasteltes und Selbstgedichtetes vor und verzichteten bereitwillig
       auf unflätige Beschimpfungen. Die Fans des SC Freiburg lasen etwa ihrem
       ehemaligen geschätzten Vereinschef und heutigem DFB-Präsidenten Fritz
       Keller fast schon kreuzbrav die Leviten: „Zurück zu Kollektivstrafen.
       Rassismus relativiert. Bewusst eskaliert. Fritz Keller – nichts kapiert.“
       
       ## Keine Lösung in Sicht
       
       Die erbosten Kritiker der vergangenen Woche lobten nun die Fans für all die
       vielen Spruchbänder und für ihre Zurückhaltung und Kreativität.
       Zufriedenstellen wird das die Ultras mit Sicherheit nicht, wird ihnen doch
       so auch ihre Ohnmacht vor Augen geführt. Eine tragfähige Konfliktlösung ist
       nicht in Sicht.
       
       Man muss sich keine Sorgen machen, dass die organisierte Fanszene nicht um
       ihre Bedeutung wüsste. Mit ihren Machtansprüchen, die insbesondere die
       Ultras daraus ableiten, scheitern sie jedoch eben regelmäßig. Die wirklich
       mächtigen Funktionäre und Vereinsbosse fressen ihnen nur in Ausnahmefällen
       aus der Hand, wenn sich aus deren Sicht Nützliches herauspicken lässt.
       
       [2][Der Erhalt der Stehplätze] in den deutschen Fußballstadien wäre etwa
       ohne das große und leidenschaftliche Engagement der organisierten Fanszene
       kaum möglich gewesen. Die damit bewahrte Ursprünglichkeit des Fußballs,
       seine Zugänglichkeit für alle sozialen Schichten, ist für die DFL längst zu
       einem profitablen Imagefaktor bei der Vermarktung ihres Produkts geworden.
       Auch wenn die Stehränge weniger Eintrittsgelder einspielen, die vollen und
       vor allem stimmungsvollen Stadien zahlen sich dafür umso mehr bei den
       Werbepartnern aus. Ein begehrtes Produkt weckt Begehrlichkeiten.
       
       Bei großzügigen Geldgebern zum Beispiel wie Hoffenheims Mäzen Dietmar Hopp,
       dem Brause-Milliardär Dietrich Mateschitz oder Hertha-Investor Lars
       Windhorst. Die Ultras bleiben Teil dieses Geschäfts. Und ihre Proteste wird
       die Familie schon wieder in den Griff bekommen.
       
       8 Mar 2020
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://sport.sky.de/fussball/artikel/fan-proteste-so-kreativ-waren-die-banner-am-wochenende/11952759/33895
 (DIR) [2] /Radikale-Fans-im-Fussball/!5092747
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Johannes Kopp
       
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