# taz.de -- Staatskrise im Kongo: Feldzug gegen das Korruptionsvirus
       
       > Eine Verhaftungswelle wegen Korruption erschüttert die Demokratische
       > Republik Kongo. Der Corona-Notstand führt das Land in die Staatskrise.
       
 (IMG) Bild: In Haft: Vital Kamerhe, Kabinettsdirektor von Kongos Präsident, hier Ende 2018
       
       BERLIN taz | Fast täglich fällt ein neuer Name. Am Mittwoch war es Gabby
       Kisimba, Finanzdirektor der Provinz Maniema. Davor waren es [1][Modé
       Makabuza] und Emmanuel Kamanzi, einflussreiche Geschäftsleute im
       ostkongolesischen Goma. Im Tagesrhythmus wandern in der Demokratischen
       Republik Kongo mutmaßlich korrupte Funktionäre und ihre privaten
       Geschäftspartner hinter Gitter.
       
       Prominentestes Opfer bisher: Vital Kamerhe, der mächtige Kabinettschef von
       Staatspräsident Felix Tshisekedi. Kamerhe sitzt seit dem 8. April im
       Zentralgefängnis der Hauptstadt Kinshasa. Der Vorwurf: Veruntreuung der
       Gelder für das [2][100-Tage-Programm], mit dem Tshisekedi im März 2019 kurz
       nach seiner Amtseinführung kurzfristige Verbesserungen im Leben der 80
       Millionen Kongolesen erreichen wollte.
       
       Kern des Programms mit einem Budget von 497 Millionen US-Dollar waren
       Straßen und Sozialwohnungen. Kamerhe war zuständig für die Umsetzung. Aber
       von sieben großen Straßenüberführungen an zentralen Verkehrsknotenpunkten
       in Kinshasa ist keine einzige fertiggestellt, stattdessen gibt es
       Dauerbaustellen und Dauerstau.
       
       Zum Bau von 4.500 Sozialwohnungen, wofür erst 17, dann 57 Millionen
       US-Dollar bereitstanden, floss Geld an eine Firma, deren Chef Jamal Sammih
       nicht nur Vorsitzender der Gemeinschaft der Libanesen im Kongo ist, sondern
       auch ein Freund von Kamerhes Neffe Daniel Massaro. Wohnungen entstanden
       nicht, aber die beiden waren plötzlich sehr reich, berichten Medien in
       Kinshasa.
       
       Sammih sitzt seit dem 25. Februar in Haft, Massaro wird seit zwei Tagen mit
       Haftbefehl gesucht und ist untergetaucht. Der belgische Direktor der
       größten kongolesischen Bank, „Rawbank“, über die das Geld verschwand, saß
       im März tagelang hinter Gittern, vor ihm der belgischstämmige Direktor der
       Straßenbaufirma Safricas. Festgenommen wurden auch Leiter von
       Straßenbaubehörden.
       
       Während Antikorruptionsaktivisten applaudieren, wurden in Kamerhes
       Heimatstadt Bukavu, einer Millionenstadt im Osten des Landes, Proteste
       gewaltsam niedergeschlagen. Denn all dies geschieht mitten im
       [3][Coronavirus-Ausnahmezustand], den Präsident Tshisekedi am 24. März
       verfügte.
       
       ## U-Haft auf unbestimmte Zeit
       
       Der Ausnahmezustand verbietet alle Demonstrationen und Zusammenkünfte von
       mehr als zwanzig Personen, Kinshasa ist vom Rest des Landes abgeriegelt. Es
       gibt auch keine Gerichtsverhandlungen – Untersuchungshäftlinge wie Kamerhe
       schmoren auf unbestimmte Zeit.
       
       Kamerhe ist einer der erfahrensten Strippenzieher des Kongo. Der
       Ostkongolese war einst ein Vertrauter des früheren Staatschefs Joseph
       Kabila, mit deren Ehefrau Olive Lembe zusammen er Kabilas erfolgreichen
       Wahlkampf bei Kongos ersten freien Wahlen 2006 leitete. Danach
       [4][entzweiten sie sich]. 2011 kandidierte Kamerhe selbst, erfolglos. Vor
       den nächsten Wahlen 2018 schmiedete er erst eine gemeinsame
       Oppositionsfront – und dann [5][sabotierte] er sie, gemeinsam mit
       Tshisekedi.
       
       Als Dank ließ Kabila, dessen eigener Wunschkandidat [6][Emmanuel Shadary]
       chancenlos war, Tshisekedi die Wahlen gewinnen, statt den nach Meinung
       unabhängiger Beobachter eigentlich siegreichen Oppositionskandidaten
       [7][Martin Fayulu] anzuerkennen. [8][Tshisekedi wurde Präsident] und machte
       Kamerhe zu seinem wichtigsten Mitarbeiter.
       
       Tshisekedis Partei UDPS (Union für Demokratie und Sozialen Fortschritt)
       traut Kamerhe nicht über den Weg und will ihn seit jeher loswerden. All das
       freut das Lager von Expräsident Kabila, der weiterhin in der
       Präsidentenresidenz wohnt, die Loyalität des Militärs genießt und dessen
       Parteigänger in Regierung und im Parlament die Mehrheit stellen, während
       Tshisekedi nur über das Präsidialamt und mittlerweile über die Justiz
       Macht ausübt.
       
       Damit Tshisekedi in seinem Feldzug gegen Korruption nicht zu weit geht und
       sogar wichtige Kabila-Größen angreift, setzt das Kabila-Lager ihm jetzt
       einen Schuss vor den Bug. Die Präsidenten der beiden Parlamentskammern
       setzten vergangene Woche eine Sondersitzung an, um den
       Corona-Ausnahmezustand auf eine gesetzliche Grundlage zu stellen – sonst
       müsse man gegen Tshisekedi ein Amtsenthebungsverfahren wegen
       Kompetenzüberschreitung einleiten, hieß es.
       
       Der Vorstoß ist so überflüssig wie illegal, denn Kongos Verfassungsgericht
       hat die Rechtmäßigkeit von Tshisekedis Ausnahmeverfügung bestätigt.
       Tshisekedis Parteigänger drohen nun, das Parlament aufzulösen, sollte es
       trotzdem tagen – denn Zusammenkünfte von mehr als 20 Personen seien
       schließlich verboten.
       
       Medien in Kinshasa malen bereits das Szenario einer Staatskrise an die
       Wand, in der Präsident und Parlament sich gegenseitig absetzen. Dann
       müssten wohl die Waffen entscheiden, wer die Macht hat.
       
       16 Apr 2020
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /!405602/
 (DIR) [2] /Notprogramm-fuer-Kongo/!5574615/
 (DIR) [3] /Ausnahmezustand-im-Kongo-wegen-Corona/!5674173/
 (DIR) [4] /!5166286/
 (DIR) [5] /Wahlkampf-im-Kongo/!5547137/
 (DIR) [6] /Kongos-naechster-Praesident-ist-designiert/!5524136/
 (DIR) [7] /Kongos-Oppositionsfuehrer-im-Interview/!5573512/
 (DIR) [8] /Umstrittene-Wahl-im-Kongo/!5566621/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Dominic Johnson
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schwerpunkt Demokratische Republik Kongo
 (DIR) Felix Tshisekedi
 (DIR) Vital Kamerhe
 (DIR) Joseph Kabila
 (DIR) Schwerpunkt Demokratische Republik Kongo
 (DIR) Schwerpunkt Demokratische Republik Kongo
 (DIR) Schwerpunkt Demokratische Republik Kongo
 (DIR) Schwerpunkt Demokratische Republik Kongo
 (DIR) Ebola
 (DIR) Lesestück Recherche und Reportage
 (DIR) Schwerpunkt Demokratische Republik Kongo
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Deutsche Investitionen im Kongo: Eine milliardenschwere Eisenbahn
       
       Der Leipziger Unternehmer Gernot Wagner will in der Demokratischen Republik
       Kongo ein neues Bahnnetz bauen. Wie realistisch ist das Projekt?
       
 (DIR) Umstrittene Geschäfte in Zentralafrika: Deutscher Griff auf Kongos Gold
       
       Eine deutsche Bergbaufirma soll Kongos Staatsanteile an einigen der
       wichtigsten Goldminen übernehmen. Kritiker sprechen von einem „Ausverkauf“.
       
 (DIR) Korruptionsprozess im Kongo: Zwanzig Jahre Zwangsarbeit
       
       Der Korruptionsprozess gegen den kongolesischen Politiker Vital Kamerhe
       endet mit einem spektakulären Urteil. Nun wird er zum Politikum.
       
 (DIR) Korruptionsprozess im Kongo: Der Richter ist tot
       
       In Kinshasa stirbt plötzlich der Richter, der den spektakulärsten
       Korruptionsprozess der Demokratischen Republik Kongo leitet. Wieso?
       
 (DIR) Epidemien in Ostkongo: Bye-bye Ebola, hallo Corona
       
       Gerade hat der kriegsgebeutelte Osten des Kongo Ebola besiegt. Jetzt muss
       das Land gegen die nächste Seuche ankommen.
       
 (DIR) Naturschutz contra Menschenrechte: Der Feind in Grün
       
       Einer Minderheit Kongos werden Zerstörungen im Nationalpark vorgeworfen.
       Armut habe ihnen keine Wahl gelassen, sagen die Angeklagten.
       
 (DIR) Maler Roger Botembe gestorben: Die Erfüllung am Ende
       
       Botembe wollte in der Demokratischen Republik Kongo kulturelle Freiräume
       schaffen. An den korrupten Machthabern ist er verzweifelt.