# taz.de -- Korruptionsprozess im Kongo: Der Richter ist tot
       
       > In Kinshasa stirbt plötzlich der Richter, der den spektakulärsten
       > Korruptionsprozess der Demokratischen Republik Kongo leitet. Wieso?
       
 (IMG) Bild: Vergiftet jemand Schutzmasken? In Kinshasas Regierungsviertel kochen die Gerüchte
       
       Woran starb Raphael Yanyi? Der Richter am Obergericht (Tribunal de Grande
       Instance) von Kinshasa war die wohl exponierteste Figur im öffentlichen
       Leben der Demokratischen Republik Kongo: Er leitete den Korruptionsprozess
       gegen Vital Kamerhe, Kabinettsdirektor und damit rechte Hand von Präsident
       Félix Tshisekedi. Der Prozess begann am 11. Mai, ging am 25. Mai weiter und
       hält Kongos Öffentlichkeit in Atem. [1][Die Verhandlung wird im
       Staatsfernsehen übertragen].
       
       In der Nacht zum Mittwoch, 27. Mai, ist Yanyi gestorben. Er habe sich
       unwohl gefühlt, so wird unter Berufung auf seine Familie berichtet, und sei
       schließlich ins Krankenhaus gebracht worden, wo die Ärzte nach kurzer Zeit
       seinen Tod feststellten. „Herzstillstand“ sei die Todesursache.
       
       Doch im Kongo glaubt niemand an eine natürliche Todesursache, wenn
       prominente Persönlichkeiten einfach umkippen und sterben. Die Gerüchtekoche
       kocht. Hatte jemand die Corona-Schutzmaske mit Gift versetzt, die er am
       vergangenen Montag, dem zweiten Verhandlungstag des Kamerhe-Prozesses,
       trug? Die fantasievolle Gerüchteküche von Kinshasa ist sich sicher: Dass
       die Verteidigung ihn an jenem Tag bat, seine Maske auszuwechseln, weil man
       ihn schlecht verstehen würde, habe es möglich gemacht, ihm einen tödlichen
       Mundschutz unterzujubeln. Der [2][Videoausschnitt] dazu wird breit geteilt.
       
       Der Polizeichef von Kinshasa schließt einen Mordanschlag aus, der Richter
       habe schließlich unter Polizeischutz gestanden. Genau das halten manche
       Kritiker allerdings für den Beweis, dass der Staat ihn ermordet haben
       könnte. Im Stadtteil Bandalungwa, wo Yanyi lebte, kam es am Mittwoch zu
       Demonstrationen gegen seinen Tod. Die Polizei eröffnete das Feuer, ein
       junger Demonstrant starb.
       
       ## Lange Liste von Todesfällen
       
       Es wird nun eine Autopsie und ein Todesermittlungsverfahren geben, auf
       Aufforderung der Richtergewerkschaft Synamac. „Es werden so viele Dinge
       erzählt“, heißt es in einer [3][Erklärung des Verbandes], die darauf
       hinweist, dass Juristen im Kongo gefährlich leben.
       
       Manche Kommentatoren stellen Yanyis Tod in eine tatsächlich bemerkenswert
       lange Reihe von Todesfällen in den höchsten Machtzirkeln um Präsident
       Tshisekedi seit dessen Amtsantritt. Auch die ersten Covid-19-Toten des
       Landes waren Vertraute des Präsidenten, so sein Onkel und persönlicher
       Stabschef.
       
       Es zirkulieren sogar Behauptungen, die Klimaanlage der Residenz des
       Präsidenten sei vergiftet. Das allerdings würde eher die Frage aufwerfen,
       warum da noch jemand am Leben ist.
       
       ## Veruntreuung in Millionenhöhe
       
       Beim Prozess gegen Kamerhe geht es um die [4][Veruntreuung von Geldern in
       Millionenhöhe] aus dem Etat des 100-Tage-Sofortprogramms, das Tshisekedi
       2019 nach seinem Amtsantritt verfügt hatte und für dessen Umsetzung Kamerhe
       verantwortlich war. Es geht um vom Staat bezahlte, aber nie gebaute Straßen
       und Häuser. Ein halbes Dutzend Geschäftsleute und Behördenchefs sitzen in
       Untersuchungshaft.
       
       Am zweiten Verhandlungstag des 25. Mai ging es um Fertighäuser für
       Militärangehörige. Laut Anklage hat die Firma Samico des
       libanesischstämmigen Geschäftsmanns Jamil Samih, ein Freund eines ebenfalls
       festgenommenen Neffen von Kamerhe, 57,5 Millionen US-Dollar vom Staat für
       4.500 Fertighäuser kassiert, aber keine gebaut.
       
       Samih sagte vor Gericht, er wisse nicht, wieso er da sitze. Weder kenne er
       die Person, die im Namen seiner Firma den Vertrag unterschrieb, noch sei er
       für die Nichtfertigstellung der Häuser verantwortlich: Vielmehr hingen 450
       Container voller Fertigteile in den Häfen von Matadi sowie Daressalam
       (Tansania) fest, weil die Regierung die Zollfoirmalitäten nicht erledigt
       habe. Außerdem seien tatsächlich einige Häuser fertig, sagte Samih und
       regte eine Ortsbesichtigung in einem Militärgelände von Kinshasa an.
       
       Kamerhe wiederum belehrte Anklage und Gericht, dass dieser Vertrag aus der
       Zeit des Vorgängerpräsidenten Joseph Kabila stamme. Und nicht er, sondern
       der Haushaltsminister verantworte Auszahlungen.
       
       Licht ins Dunkel zu bringen wird durch den Tod des vorsitzenden Richters
       nicht einfacher. Es muss nun ein neuer Richter bestimmt werden, der nach
       Prüfung des bisherigen Standes entscheidet, wie es weitergeht.
       
       ## Der Staat wird zunehmend instabil
       
       Der Prozess erregt nicht nur wegen der Korruptionsdetails große
       Aufmerksamkeit. Er markiert auch den Bruch der Wahlallianz zwischen Felix
       Tshisekedi und Vital Kamerhe, die Tshisekedi Anfang 2019 an die Macht
       brachte. Die Tshisekedi-Kamerhe-Allianz regiert seitdem [5][in Koalition
       mit den Kräften des vorherigen Präsidenten Kabila], dessen Anhänger die
       Mehrheit im Parlament halten. Wenn die Allianz zerbricht, könnte das
       Kabila-Lager auch die Koalition für hinfällig erklären und über das
       Parlament versuchen, den Präsidenten kaltzustellen.
       
       Der Präsident hatte durch die zeitweilige Suspendierung des Parlaments
       wegen des [6][Corona-Ausnahmezustands] im März bereits den Ärger des
       Kabila-Lagers auf sich gezogen. Seitdem die Abgeordneten wieder tagen, sind
       sie auf Rache aus. Just am Montag dieser Woche konterte die
       Parlamentsmehrheit und setzte per Votum den Vorsitzenden von Tshisekedis
       Partei UDPS (Union für Demokratie und Sozialen Fortschritt), Marc Kabund,
       als Ersten Vizepräsidenten des Unterhauses ab.
       
       Sinn dieses Manövers ist nicht, der UDPS den Posten zu nehmen, der ihr laut
       Koalitionsvereinbarung zusteht, sondern in der UDPS einen Machtkampf über
       seine Besetzung loszutreten. Das schwächt dann Tshisekedi weiter und
       vergrößert den Eindruck von Chaos und Infighting an oberster Stelle.
       
       28 May 2020
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://youtu.be/LcwzjmuHHIQ
 (DIR) [2] https://twitter.com/i/status/1265766928989278209
 (DIR) [3] https://www.radiookapi.net/2020/05/28/actualite/justice/deces-du-juge-yanyi-le-synamac-exige-une-autopsie-de-son-corps
 (DIR) [4] /Staatskrise-im-Kongo/!5678982/
 (DIR) [5] /Kongos-Praesident-zu-Besuch-in-Belgien/!5622857/
 (DIR) [6] /Ausnahmezustand-im-Kongo-wegen-Corona/!5674173/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Dominic Johnson
       
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