# taz.de -- „Lockerung“ in Saudi-Arabien: Einsperren statt Auspeitschen
       
       > Die archaische Strafe des Auspeitschens wird in Saudi-Arabien in Zukunft
       > durch Geld- und Haftstrafen ersetzt. Doch Kritik bleibt lebensgefährlich.
       
 (IMG) Bild: Amnesty-Aktion für saudische Gefangene und Auspeitschungsopfer 2015 – in der Mitte Raif Badawi
       
       RIAD afp | Saudi-Arabien hat die drakonische Strafe des Auspeitschens
       abgeschafft. Das geht aus einem Dokument des Obersten Gerichtshofes des
       erzkonservativen islamischen Königreichs hervor, das die Nachrichtenagentur
       AFP am Samstag in Riad einsehen konnte.
       
       So solle künftig die Einhaltung internationaler Menschenrechtsstandards
       hinsichtlich körperlicher Bestrafungen in Saudi-Arabien gewährleistet
       werden, heißt es in der jüngst getroffenen Entscheidung des Gerichtshofes.
       
       Die Menschenrechtskommission der saudiarabischen Regierung begrüßte den
       Beschluss. „Gemäß dieser Entscheidung werden frühere Urteile zum
       Auspeitschen durch Gefängnisstrafen und Geldstrafen ersetzt“, erklärte Awad
       Al-Awad, der Vorsitzende der Kommission. Die Reform sei „ein großer Schritt
       nach vorn“.
       
       Zuvor stand das von Menschenrechtsorganisationen heftig angeprangerte
       Auspeitschen als Strafe auf Tötungsdelikte, aber auch auf die Störung der
       „öffentlichen Ordnung“ sowie auf außereheliche Beziehungen. Die Richter
       sollen in diesen Fällen künftig neben den Haft- oder Geldstrafen auch
       Strafen zur gemeinnützigen Arbeit verhängen.
       
       ## Menschenrechtsaktivist stirbt in der Haft
       
       Der Schritt erfolge im Zuge der Reformen unter Führung des saudiarabischen
       Kronprinzen Mohammed bin Salman, hieß es weiter in Riad. Der Kronprinz, der
       seit 2017 de facto die Politik des Landes bestimmt, strebt eine
       wirtschaftliche und [1][gesellschaftliche Öffnung] des streng
       konservativ-islamischen Königreichs an, die jedoch nach Angaben von
       Menschenrechtsorganisationen von einer verstärkten Repression gegen
       Kritiker begleitet wird.
       
       Die Veröffentlichung der Gerichtsentscheidung erfolgte, nachdem der
       Menschenrechtsaktivist Abdallah al-Hamid am Freitag im Gefängnis an den
       Folgen eines Schlaganfalls gestorben war. Der 69-jährige al-Hamid hatte
       eine elfjährige Freiheitsstrafe verbüßt, laut Amnesty International unter
       anderem, weil er die „Treue zum Königshaus“ gebrochen und die „öffentliche
       Ordnung“ gestört habe.
       
       In den vergangenen Jahren hatte der Fall des [2][Bloggers Raif Badawi] für
       Schlagzeilen gesorgt. Weil er sich öffentlich für Meinungsfreiheit
       engagiert hatte, wurde Badawi 2014 wegen Beleidigung des Islam zu tausend
       Peitschenhieben und zehn Jahren Gefängnis verurteilt.
       
       Neben den drakonischen Strafen wie dem Auspeitschen prangern
       Menschenrechtsorganisationen den häufigen Vollzug der Todesstrafe in
       Saudi-Arabien an. „Saudi-Arabien hat 2019 eine Rekordzahl von Menschen
       hingerichtet – trotz eines allgemeinen Rückgangs der weltweiten
       Hinrichtungszahlen“, heißt es im jüngsten Amnesty-Jahresbericht zur
       Todesstrafe. Demnach wurden im vergangenen Jahr in dem Königreich 184
       Menschen hingerichtet und damit mehr als in den Jahren zuvor. „Die
       zunehmende Anwendung der Todesstrafe in Saudi-Arabien, auch als Waffe gegen
       politische Dissidenten, ist eine alarmierende Entwicklung“, erklärte
       Amnesty.
       
       ## Corona-Ausgangssperren gelockert
       
       Zugleich hat Saudi-Arabien die Ausgangssperre zur Eindämmung des
       Coronavirus teilweise gelockert. Ab Sonntag und bis vorerst 13. Mai dürfen
       Menschen ihre Häuser täglich zwischen 9 und 17 Uhr wieder verlassen, wie
       König Salman der staatlichen Nachrichtenagentur SPA zufolge anordnete. In
       der Stadt Mekka, dem wichtigsten Wallfahrtsort für Muslime, besteht die
       komplette Ausgangssperre aber weiter.
       
       Ab kommenden Mittwoch und für zunächst zwei Wochen dürfen Einkaufszentren
       sowie Groß- und Einzelhändler wieder aufmachen, Fabriken und Bauunternehmen
       können ihre Arbeit ebenfalls wieder aufnehmen. Cafés, Restaurants,
       Sportclubs, Kinos und Friseure müssen weiterhin geschlossen bleiben.
       
       In Saudi-Arabien haben sich nach offiziellen Angaben etwa 16.300 Menschen
       mit Sars-CoV-2 infiziert. Damit ist das Königreich im arabischen Raum am
       stärksten vom Coronavirus betroffen. Saudi-Arabien hatte wegen der Pandemie
       bereits [3][Pilgerfahrten in die Städte Mekka und Medina ausgesetzt].
       
       Auch die Wallfahrt Hadsch, die Ende Juli beginnt, könnte wegen des Virus
       ausfallen. Muslime wurden aufgerufen, vorerst keine Vorbereitungen für die
       Wallfahrt zu treffen.
       
       26 Apr 2020
       
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