# taz.de -- Journalistenpreis und NS: Zu Ehren eines Nazis
       
       > Auch 2020 wird der Medienpreis in Gedenken an NS-Unternehmer Herbert
       > Quandt verliehen. Kaum jemand scheint sich heute daran zu stören.
       
 (IMG) Bild: Der NS-Großindustrielle Herbert Quandt mit seiner Frau 1971
       
       Eigentlich hätte es am 22. Juni, dem Geburtstag von Herbert Quandt, eine
       feierliche Preisverleihung geben sollen. Wegen Corona fiel diese vorerst
       aus. Stattdessen verkündete die nach Herbert Quandts dritter Ehefrau
       benannte Johanna-Quandt-Stiftung im Internet, wer den [1][Preis „im
       Gedenken an die Persönlichkeit und das Lebenswerk des Unternehmers“] in
       diesem Jahr erhält. Zu den Preisträgern zählen seit 1986 viele bekannte
       Journalisten so gut wie aller großen Verlage und öffentlich-rechtlichen
       Anstalten. Mit insgesamt 50.000 Euro ist die Auszeichnung sehr hoch
       dotiert.
       
       Herbert Quandt, der spätere „BMW-Retter“, beschäftigte als Personalchef in
       der Akkumulatorenfabrik AG, einer Vorgängerfirma der späteren Varta,
       Tausende KZ-Häftlinge für die Batterieproduktion in Hannover-Stöcken.
       Mindestens 400 dieser Menschen starben im firmeneigenen, in direkter
       Kooperation mit der SS betriebenen KZ, da sie ohne Schutzkleidung mit Blei
       hantieren mussten. Noch kurz vor Kriegsende entwarf Herbert Quandt neue
       Pläne für ein KZ-Außenlager.
       
       Sein Sohn und BMW-Erbe Stefan Quandt sagte in einem Zeit-Interview im Jahr
       2011: „Wenn man sein Lebenswerk sieht, denke ich nach wie vor, dass man zu
       einem Gesamtbild kommt, das es rechtfertigt, einen Herbert Quandt
       Medien-Preis zu verleihen.“ Das hatten einige Jurymitglieder und
       Preisträger damals anders gesehen und die Jury verlassen oder das Preisgeld
       an eine KZ-Gedenkstätte gespendet. Heute ist davon wenig zu spüren.
       
       Wie nimmt man einen mit viel Geld ausgestatteten Preis entgegen, dessen
       Namensgeber für den Tod Hunderter KZ-Häftlinge mitverantwortlich ist? Das
       Autorentrio einer ausgezeichneten ZDF-Doku, Florian Hartung, Heike Nelsen
       und Christin Köppen, versucht es auf taz-Anfrage so: „Wir haben uns im
       Anschluss an die Auszeichnung dazu entschlossen, das Preisgeld für die
       Stoffentwicklung eines Filmprojektes auszugeben, das sich mit dem Thema
       Rechtspopulismus/ Rechtsradikalismus beschäftigt.“
       
       ## Angebliche Aufarbeitung
       
       Der NDR, dessen Autorin Katrin Spranger 10.000 Euro gewinnt, teilt mit, der
       Redaktion und der Autorin sei „der problematische Hintergrund des Namens
       Herbert Quandt sehr wohl bewusst.“ Spranger: „Warum ich dennoch einen Preis
       annehme, der nach ihm benannt ist? Weil das unabhängige Kuratorium der
       Stiftung mit der Auszeichnung einen Film würdigt, der Menschen zeigt, die
       gemeinschaftlich handeln statt, den eigenen Profit in den Vordergrund zu
       stellen.“
       
       Auch beim SWR, dessen Autor Wolfgang Dürr den mit 20.000 Euro dotierten
       Hauptpreis erhält, sieht man wortgleich „sehr wohl den problematischen
       historischen Hintergrund des Namens Herbert Quandt“, aber schließlich
       würden „die Nachfahren von Herbert Quandt sich um die Aufarbeitung der
       Familiengeschichte bemühen“.
       
       Wie diese Aufarbeitung aussieht, kann man auf der Webseite zum Herbert
       Quandt Medienpreis nachlesen. Zitat: „Nach seinem Wunsch sollte der
       Unternehmer als Mensch wahrgenommen werden, dessen Tun und Handeln sich
       über den ökonomischen Nutzen hinaus an der Verantwortung für die
       Gemeinschaft ausrichtet.“ Dann wird gar behauptet, die Initiative zur
       Aufarbeitung der Firmengeschichte sei von der Familie Quandt ausgegangen
       und nicht etwa erst auf massiven öffentlichen Druck nach der damals
       vielbeachteten ARD-Doku „Das Schweigen der Quandts“ hin erfolgt.
       
       ## Vergangenheit bleibt unerwähnt
       
       Ziemlich leicht machte es sich auch die Deutsche Presse-Agentur in ihrer
       Meldung über die Verkündung der Preisträger: „Der Herbert Quandt
       Medien-Preis wird seit 1986 in Erinnerung an den namensgebenden Unternehmer
       (1910-1982) verliehen.“ Auf taz-Anfrage heißt es nun selbstkritisch, die
       Kritik an dem Preis hätte „vor dem Hintergrund der Familiengeschichte in
       der NS-Zeit in der Meldung tatsächlich Erwähnung finden sollen“.
       
       Und die Jury? Neben Stefan Quandt sitzen darin die
       ZDF-Programmgeschäftsführerin für Phoenix, Michaela Kolster, die
       Chefredakteurin von RTL Deutschland, Tanit Koch, der Chefredakteur von
       Capital, Horst von Buttlar sowie Jan-Eric Peters von Axel Springer. Warum
       sie an einem Preis zum ehrenden Gedenken an den NS-Unternehmer mitwirken,
       beantwortete keiner der Journalisten.
       
       6 Jul 2020
       
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