# taz.de -- Moderner Fünfkampf nach Corona-Pause: Vorteile einer Randsportart
       
       > Die Fünfkämpferin Annika Schleu fährt nach der Olympia-Verschiebung
       > zweigleisig. Sie will jetzt ihre Masterarbeit schreiben.
       
 (IMG) Bild: Da war Corona noch nur eine Biermarke: Annika Schleu im Olympiapark in Berlin im Juni 2019
       
       Später werden sich Berlins Schulen wahrscheinlich um Annika Schleu reißen.
       Die 30-jährige gebürtige Spandauerin ist Moderne Fünfkämpferin, also von
       Laufen über Schwimmen bis Fechten in vielen Disziplinen geschult. An den
       Schulalltag denkt die jetzige Lehramststudentin an der Humboldt-Uni aber
       noch nicht. Sie hat zunächst die verschobenen Olympischen Spiele in Tokio
       im Blick. „Nach Platz 4 in Rio möchte ich jetzt schon eine Medaille“, sagt
       sie. Sie schränkt aber auch ein: „Man braucht im Mehrkampf auch Glück, dazu
       das richtige Pferd, das man zugelost bekommt, und auch sonst muss es passen
       an dem Tag, denn wir sind alle eng inbeieinander.“
       
       Im Training hat sie jetzt etwas die Uhr zurückgestellt. „Wir betreiben
       gerade Grundlagentraining, also das, was wir sonst im Herbst oder Winter
       machen“, sagt sie. Immerhin das. In der ersten Phase des Lockdowns war
       nicht viel möglich. „Wir sind da viel gelaufen“, sagt sie. „Dann wurden
       aber recht schnell die Sonderregelungen für Olympiaathleten festgelegt. Und
       da waren wir drei Frauen in Berlin. Wir durften das Trainingszentrum unter
       bestimmten inVoraussetzungen betreten, durften mit Abständen auch unser
       Lauftraining zu dritt machen.“
       
       Problematischer gestaltete sich schon das Schwimmen. „In Berlin waren ja
       [1][alle Schwimmhallen geschlossen]. Erst später wurde für Olympiaathleten
       die Schwimmhalle Landsberger Allee geöffnet. Dort musste man aber zu ganz
       bestimmten Zeiten hinkommen und es durften auch nicht mehr als zwei oder
       drei Leute im Becken sein.“
       
       Etwas neidisch blickte sie in dieser Zeit auf ihren Freund Christian
       Zillekens. Auch der ist Moderner Fünfkämpfer, auch der bereitete sich auf
       Olympia vor. Und er konnte früher in die Schwimmhalle. Das war in diesem
       Fall aber keine Geschlechterbenachteiligung. „Mein Freund gehört zu der
       Potsdamer Trainingsgruppe, ich zur Berliner. Wir wohnen zwar zusammen in
       Potsdam und auch die Potsdamer Schwimmhalle ist näher für mich. Die
       verschiedenen Trainigsgruppen sollten aus Hygienegründen aber getrennt
       bleiben. Deshalb bin ich zu Hause geblieben, als er zum Schwimmtraining
       ging“, erzählt Schleu.
       
       ## Mehr Tierwohl als Training
       
       Zum Einhalten der Hygieneregeln musste sie immerhin nicht aus der
       gemeinsamen Wohnung. Zusammen wohnen war weiter möglich, zusammen schwimmen
       nicht. Das Reittraining fiel für längere Zeit ebenfalls aus. „Wir durften
       zwar zu den Pferden, und wir haben sie auch bewegt. Aber es ging mehr um
       das Tierwohl als um ein Training. Die Pferde hatten ja keine Koppeln,
       standen die ganze Zeit. Und Bewegung war gut für sie. Sprungtraining haben
       wir nicht mir ihnen gemacht“, beschreibt Schleu. Am meisten litt das
       Fechten unter den Ausfällen.
       
       Reguläres Training mit Waffe und Gegnerin war nicht drin. „Man kann
       immerhin die Arme und die Beine einzeln trainieren.“ Fechten ist ohnehin
       nicht die Lieblingsdisziplin der Mehrkämpferin. „Ich habe mir abgewöhnt zu
       sagen, dass ich es nicht mag, denn das ist schon ein erstes psychologisches
       Hindernis. Aber es ist die Disziplin, in der ich am wenigstens stabil bin“,
       sagt sie. Das Gute dabei: Läuft es im Fechten gut, weiß sie, dass sie
       ziemlich weit vorn landen wird.
       
       ## Vom Sport allein nicht leben
       
       Für die nächsten Monate plant Annika Schleu zweigleisig. Olympia ist das
       große Ziel. Parallel dazu will sie aber ihre Masterarbeit schreiben.
       „Eigentlich wollte ich das nach Olympia machen. Aber nun hat sich der
       Zeitplan geändert. Ich suche gegenwärtig nach einem Thema für die Arbeit.“
       Auch die folgenden Olympischen Spiele in Paris hat sie im Visier. Die
       Vorbereitung darauf will sie dann mit ihrer Referendariatszeit an einer
       Schule verbinden.
       
       Denn vom Sport allein können Moderne Fünfkämpferinnen nicht leben.
       Gegenwärtig ist Schleu Sportsoldatin und erhält auch ein Stipendium fürs
       Studium. Das wurde während der Pandemie weitergezahlt, ein Lichtblick. Auf
       ihre nächsten Wettkämpfe muss Schleu aber noch eine ganze Weile warten. „Im
       September soll es in Polen einen Wettkampf gemäß den Hygieneregeln geben.
       Das wäre dann der erste. Ende Oktober wird es die [2][Deutschen
       Meisterschaften] geben.“
       
       Ganz dicke Hygienekonzepte für Geisterwettkämpfe oder kontrollierte
       Zuschauerströme müssen die Verantwortlichen ihres Sports nicht verfassen.
       „Zu unseren Wettkämpfen kommen eigentlich immer nur Verwandte und Freunde
       der Teilnehmer. Ganz selten sieht man jemanden, der nicht jemanden kennt.
       Das ist jetzt der Vorteil für eine Randsportart“, meint Schleu trocken. Für
       Tokio 2021 ermuntert sich Schleu zu einem pragmatischen Zweckoptimismus.
       Mit Zweifeln am großen Ziel fällt das Training viel schwerer. Also hofft
       sie, dass die Welt im nächsten Sommer bereit sein kann für Olympische
       Spiele.
       
       28 Jul 2020
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.rbb24.de/wirtschaft/thema/2020/coronavirus/beitraege_neu/2020/04/berlin-baeder-geisel-bis-sommer-geschlossen.html
 (DIR) [2] https://www.dvmf.de/wettkaempfe/national-international/dvmf-plant-meisterschaften-fuer-herbst-2020.html
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Tom Mustroph
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schwerpunkt Olympische Spiele 2021
 (DIR) Leichtathletik
 (DIR) Randsport
 (DIR) Pferdesport
 (DIR) Kolumne Press-Schlag
 (DIR) Schwerpunkt Olympische Spiele 2021
 (DIR) Olympische Spiele
 (DIR) Schwerpunkt Coronavirus
 (DIR) Olympia 1936
 (DIR) Schwerpunkt Olympische Spiele 2021
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Falsche Ehrung für Pferdesportlerin: Auf dem Rücken der Tiere
       
       Die niedersächsische Sportlerin des Jahres ist eine
       Vielseitigkeitsreiterin. Schon die Nominierung war ein Fehler. Tierschutz
       war offenbar egal.
       
 (DIR) Reform im Modernen Fünfkampf: Zum Wohle der Funktionäre
       
       Der Moderne Fünfkampf reformiert sich gegen den Willen seiner Athletinnen
       und streicht das Reiten. Was treibt den Weltverband eigentlich an?
       
 (DIR) Ringer Frank Stäbler über Olympia 2021: „Ich bin All-in gegangen“
       
       Ringen-Weltmeister Frank Stäbler über triste olympische Erfahrungen und wie
       er den verschobenen Spielen von Tokio das Beste abgewinnen will.
       
 (DIR) Segeln im Corona-Jahr 2020: Entspannt in ein seltsames Jahr
       
       Erik Heil und Thomas Plössel sind in Rio zu Bronze gesegelt. Für Tokio sind
       sie so gut wie qualifiziert. Jetzt geht es vor allem ums Material.
       
 (DIR) Leichtathletik nach der Corona-Pause: Der lange Gang
       
       taz-Serie Sommerspiele (14): Carl Dohmann und Nathaniel Seiler sind
       Trainingspartner. Der Weg nach Tokio ist länger geworden. Sie gehen ihn
       weiter.
       
 (DIR) Tokio und die Nazi-Olympiade 1936: Die heiteren Spiele von Berlin
       
       Coronabedingt muss auf die Olympia in Tokio noch ein Jahr gewartet werden.
       In einem Werbefilm blendet das IOC historische Zusammenhänge einfach aus.
       
 (DIR) Olympia-Debatten in Japan: Weltoffen kommt später
       
       Am Freitag sollten in Tokio die Olympischen Sommerspiele eröffnet werden.
       Stattdessen gibt es Debatten über eine Absage. Und die Stadt ist derzeit
       zu.