# taz.de -- Nahestehende über rassistische Morde: „Zwei junge Männer voller Hoffnung“
       
       > Vor 40 Jahren wurden Nguyên Ngoc Châu und Đo Anh Lân in einem Hamburger
       > Flüchtlingsheim von Rechtsradikalen ermordet. Ihre Paten erinnern sich.
       
 (IMG) Bild: Haben in Hamburg zwei Vietnamesen ermordet: Rechtsextreme
       
       Zwei sanfte Stimmen am Telefon. Freundlich und zurückhaltend sind Gisela
       und Heribert von Goldammer bei dem Gespräch. Sie wechseln sich ab, wenn sie
       von Nguyên Ngoc Châu und Đo Anh Lân erzählen. Vor vierzig Jahren ermordeten
       zwei Männer und eine Frau der rechtsextremen „Deutschen Aktionsgruppen“ die
       beiden aus Vietnam Geflüchteten durch einen Brandanschlag auf die
       Flüchtlingsunterkunft in der Hamburger Halskestraße. Gisela und Heribert
       von Goldammer hatten für den 22-jährige Nguyên Ngoc Châu und den 18-jährige
       Đo Anh Lân eine Patenschaft übernommen. 
       
       taz: Frau von Goldammer, Herr von Goldammer, als Sie damals erfuhren, dass
       die Hamburger Sozialbehörde Paten für Vietnamflüchtlinge suchte, haben Sie
       sich gemeldet. Was bewegte Sie dazu? 
       
       Gisela von Goldammer: Wir wollten einfach helfen. Die Menschen waren in
       Not, die Sozialbehörde überfordert.
       
       Heribert von Goldammer: Wir gingen zu einem Informationsabend im
       Hamburg-Haus Eimsbüttel, wir waren beruflich noch stark eingebunden und
       meine Frau war krank, darum boten wir an, uns um eine Person zu kümmern.
       
       Sie wurden dennoch Paten von zwei Personen? 
       
       Gisela von Goldammer: Ja, Nguyên Ngoc Châu war vorgesehen, er brachte
       seinen Zimmerpartner Đo Anh Lân mit. Zwei nette junge Männer, gezeichnet
       von ihrer Flucht, aber voller Hoffnung. Đo Anh Lân war zwei Jahre auf der
       Flucht, bevor er von Pulau Bidomg durch eine Initiative der Zeit nach
       Hamburg kam. Nguyên Ngoc Châu wurde aus einem Boot im Südchinesischen Meer
       [1][durch das Rettungsschiff „Cap Anamur“ geborgen].
       
       Wie haben Sie von dem Brandanschlag erfahren? 
       
       Heribert von Goldammer: Durch Giselas Bruder. Er hatte von dem Anschlag
       gelesen. Die Namen der Toten standen in der Presse. Meine Frau war gerade
       auf Kur, sie brach sie ab und wir fuhren in die Halskestraße.
       
       Gisela von Goldammer: Wir waren entsetzt, erschüttert. Die Gespräche mit
       den anderen Bewohnern, [2][die Bilder des völlig ausgebrannten Zimmers.]
       Ich hatte Albträume, und nach all den Jahren ist es weiterhin nicht
       einfach, darüber zu reden. 
       
       Heribert von Goldammer: Am Haus sprachen die Bewohner kaum. Über Thoi Trong
       Ngu wissen wir, dass er den beiden helfen wollte, den Arm eines der Opfer
       konnte er greifen, er hatte aber nur Haut in den Händen gehalten. Er war
       damals 20 und lebte in dem Haus, er wurde später U-Bahn-Fahrer.
       
       Đo Anh Lâns Mutter kam nach Hamburg... 
       
       Heribert von Goldammer: Das Deutsche Rote Kreuz ermöglichte, dass Frau Đo
       Mui nach Hamburg kommen konnte, wie auch die Großmutter. Als Frau Đo Mui
       ankam, war ihr Sohn schon tot. Sie leidet bis heute. Mehr möchten wir nicht
       sagen.
       
       Sie haben Ihre Paten nur kurz kennengelernt. Wie waren sie? 
       
       Gisela von Goldammer: Über die Sprachen haben wir uns erst nicht gut
       verstehen können, sie sprachen kein Englisch oder Französisch. Wir
       verstanden uns aber von Anfang dennoch gut. Đo Anh Lân kam aus einer
       chinesischen Minderheit. Und das half, da ich etwas Chinesisch kann. Ich
       bin in China geboren und habe dort die Sprache etwas aufgeschnappt. Sie
       waren sehr nett. Wir haben sie besucht, Stadtrundgänge zusammen gemacht,
       sind chinesisch essen gegangen.
       
       Heribert von Goldammer: Und sie besuchten uns in Rahlstedt, wir saßen
       gemütlich im Garten, oder sie halfen bei der Gartenarbeit. Eines Tages
       brachten sie einen Freund aus dem Haus mit. Wir sind mit ihm bis heute
       familiär verbunden. Mit weiteren damaligen Bewohnern haben wir auch noch
       Kontakt.
       
       Haben Sie den Prozess gegen die Täter*innen verfolgt? 
       
       Gisela von Goldammer: Wir waren nicht in Stuttgart, aber durch die Presse
       haben wir schon was mitbekommen. Viel berichtet wurde aber nicht. Ich
       glaube, man wollte den Anschlag nicht groß thematisieren.
       
       Heribert von Goldammer: Im Verfahren wurde diese Terrorgruppe auch klein
       gehalten.
       
       In Hamburg gibt es keinen Gedenk- oder Erinnerungsort zu einen der ersten
       tödlichen Anschläge gegen Flüchtlinge durch eine rechtsextreme
       Terrorgruppe. 
       
       Heribert von Goldammer: Ja, noch nicht. In zwei Wochen wird aber eine
       Gedenksäule auf dem Öjendorfer Friedhof eingeweiht nahe ihren Gräbern, die
       allerdings schon vor zwanzig Jahren ausgelassen worden sind.
       
       Gisela von Goldammer: [3][Eine Initiative bemüht sich] jedoch auch an dem
       Ort des Geschehens um eine Form des Aufmerksammachens und des Erinnerns.
       Nach der Entdeckung des NSU sind wir zu der Initiative gestoßen.
       
       Sie haben trotz dieses tödlichen Anschlages weiter Flüchtlingen geholfen? 
       
       Gisela von Goldammer: Wir werden das nie vergessen, das bleibt. Wir dachten
       aber: jetzt erst recht.
       
       Heribert von Goldammer: Über die Jahre haben wir zehn, fünfzehn Vietnamesen
       begleitet.
       
       22 Aug 2020
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Solidaritaet-mit-Fluechtlingen-in-den-70ern/!5200323/
 (DIR) [2] /Archiv-Suche/!5034964&s=halskestra%C3%9Fe/
 (DIR) [3] https://inihalskestrasse.blackblogs.org/author/inihalskestrasse/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Andreas Speit
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Vietnam
 (DIR) Schwerpunkt Rechter Terror
 (DIR) Schwerpunkt Neonazis
 (DIR) Hamburg
 (DIR) Anschlag
 (DIR) Dokumentarfilm
 (DIR) Schwerpunkt Neonazis
 (DIR) Vietnam
 (DIR) Polizei Berlin
 (DIR) Polizei Berlin
 (DIR) Boat People
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Dokumentarfilm „Hao are You“: Portrait einer zerbrochenen Familie
       
       Dieu Hao Dao aus Stadthagen, hat versucht, seine vietnamesisch-chinesische
       Familie zu versöhnen. Sein Film „Hao are You“ dokumentiert sein Scheitern.
       
 (DIR) Kampf gegen Rechtsextremismus in Sachsen: „Auf die Zivilgesellschaft zugehen“
       
       Das Kulturbüro Sachsen berät die demokratische Stadtgesellschaft in
       Görlitz. Grit Hanneforth über Demokratiearbeit im ländlichen Raum.
       
 (DIR) Justiz in Vietnam: Todesurteile bei Landkonflikt
       
       In Vietnam sind zwei Bauern zum Tode verurteilt worden. Sie sollen bei der
       Räumung eines Dorfes drei Polizisten getötet haben. Doch vieles ist unklar.
       
 (DIR) Rechte Anschlagsserie in Berlin-Neukölln: Nie eine Antwort bekommen
       
       Generalstaatsanwältin begründet im Rechtsauschuss, warum zwei Staatsanwälte
       abgelöst wurden. Es dürfe nicht der geringste Zweifel entstehen.
       
 (DIR) Senator über rechten Terror in Berlin: „Dieses Versäumnis ist ein Problem“
       
       Bei der Untersuchung der rechten Terrorserie in Neukölln gab es Fehler,
       sagt Berlins Innensenator Geisel (SPD). Er wird Sonderermittler einsetzen.
       
 (DIR) Nazi-Anschlag auf Vietnamesen 1980: Verbrannt und vergessen
       
       Im August 1980 verübten Neonazis einen Brandanschlag auf ein
       Flüchtlingsheim in Hamburg. Zwei Menschen starben. Erst jetzt gibt es eine
       Gedenkkundgebung.