# taz.de -- Grenzüberschreitende Pride-Parade: Queer über die Oder
       
       > Mit einem Pride wollen LGBTIQ+ aus Frankfurt (Oder) und Słubice für
       > sichere Räume demonstrieren. Auf polnischer Seite rechnen sie mit
       > Gegenprotesten.
       
 (IMG) Bild: So wie hier in Warschau soll die Regenbogenfahne soll am Samstag auch in Słubice wehen
       
       Der Startpunkt ist bereits ein Statement: Absichtlich haben die
       Organisator*innen des ersten Frankfurt-Słubice-Pride den Beginn ihrer
       LGBTIQ+-Parade auf die polnische Seite der Oder gelegt.
       
       Denn dort ist die Situation für queere Menschen zunehmend
       besorgniserregend. Insbesondere im Süden und Osten Polens haben sich im
       Laufe des Jahres zahlreiche Kommunen zu sogenannten [1][LGBTIQ-freien
       Zonen] erklärt, und Politiker*innen der regierenden PiS-Partei [2][hetzen
       regelmäßig gegen queere und homosexuelle] Menschen.
       
       Die queere Community fühlt sich in Polen daher zunehmend unter Druck, sagt
       Mewa Topolska, die selbst in Słubice aufgewachsen ist und inzwischen wieder
       dort lebt. „Selbst in Poznan, der Stadt, die eigentlich als
       schwul-lesbische Hauptstadt Polens gilt, fühle ich mich teils nicht sicher
       wenn ich etwa in einem Regenbogen-T-Shirt durch die Straßen gehe“, sagt
       sie. Denn der öffentliche Diskurs richte sich zunehmend gegen die queere
       Community mit Vorwürfen, dass sie etwa die Kinder fehlleiten würden oder
       sogar pädophil seien.
       
       „Wir können wenig dagegen tun – das Einzige, das hilft, sind Sichtbarkeit
       und Solidarität“, sagt die 21-Jährige. Auch deshalb sei der erste
       Frankfurt-Słubice-Pride am Samstag unter dem Motto „Liebe ohne Grenzen“ so
       wichtig – als deutsch-polnische Parade für sexuelle Vielfalt.
       
       ## Awareness-Team ist vorbereitet
       
       Organisator*innen rechnen daher auch mit Gegenprotesten auf polnischer
       Seite. „Das können sich die Aktivist*innen in Deutschland oft gar nicht
       vorstellen – aber wo immer wir uns zeigen, gibt es Gegendemos, und die
       Leute schreien und spucken uns an“, sagt Topolska.
       
       „Es wird sicher auch wieder Menschen geben, die für uns beten, und auch ein
       Auto mit einem Aufsteller, auf dem steht, dass Schwule und Lesben pädophil
       seien, habe ich letztens in Słubice schon gesehen.“
       
       Sicherheitshalber hätten die Veranstalter*innen das Awareness-Team intensiv
       auf alle möglichen Situationen vorbereitet. „Wir sind aber optimistisch,
       dass wir den Pride wie geplant durchführen können“, sagt Mitorganisatorin
       Ira Helten, die selbst an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt
       (Oder) studiert.
       
       Unterstützung kommt aus der Politik. So haben sich im Vorfeld
       Politiker*innen und Aktivist*innen aus Deutschland und Polen den
       Forderungen der Veranstalter*innen nach Sichtbarkeit von und Respekt für
       queere Menschen angeschlossen. Sahra Damus, Frankfurter Landtagsabgeordnete
       von Bündnis 90/Die Grünen, hatte bei ihrer Sommertour selbst queere
       Aktivist*innen aus Polen getroffen.
       
       ## Gesellschaftlich zunehmend ausgegrenzt
       
       Es sei gruselig, wie sehr queere Menschen in Polen in der Gesellschaft
       ausgegrenzt würden, etwa weil sie nicht mehr bei Veranstaltungen sprechen
       dürften. „Nachdem die PiS mit dem Thema Flucht und Migration nicht mehr
       verfängt, mobilisiert sie nun gegen Homosexuelle und Transpersonen“, sagt
       Damus.
       
       Słubices Bürgermeister Mariusz Olejniczak sagte einem städtischen
       Nachrichtenportal, dass Märsche und Kundgebungen in letzter Zeit starke
       Emotionen hervorriefen – sowohl positive als auch negative. Słubice sei
       eine offene und freundliche Stadt. Er hoffe, dass die geplante
       Demonstration für alle Teilnehmenden und und Beobachtenden sicher ablaufen
       werde.
       
       Der nun grenzübergreifende Pride ist ein Beispiel dafür, was entstehen
       kann, wenn sich Menschen mit unterschiedlichen Geschichten und Anliegen
       zusammensetzen. Denn die ersten Ideen zu einer CSD-Parade entstanden im
       Rahmen von Treffen der Franfurter Vielfaltgestalter, ein von der
       Robert-Bosch-Stiftung finanziertes Projekt mit dem Ziel, Kontakte
       herzustellen und unterschiedliche Menschen in Frankfurt (Oder)
       zusammenzubringen.
       
       Aus deren Arbeit entstand die Idee zu einem Christopher-Street-Day in
       Frankfurt (Oder) – unter anderem, weil hier nun queere
       Viadrina-Absolvent*innen plötzlich mit älteren Aktivist*innen an einem
       Tisch saßen. Mit Sylvia Thies trafen die jüngeren in der Gruppe auf eine
       Aktivistin, die mit dem Club GL in den 90er Jahren die erste
       schwul-lesbische Gruppe Frankfurts aufgebaut hatte.
       
       ## Idee zu einem Pride bereits in den 90ern
       
       Thies erzählte, dass sie bereits damals darüber nachgedacht hätten, einen
       CSD in Frankfurt zu organisieren. Auch davon fühlten sich die Jüngeren in
       der Runde daraufhin angestachelt. Richtig Fahrt nahm die Idee dann auf, als
       klar wurde, dass zeitgleich eine Gruppe in Słubice dabei war, dort einen
       Pride zu planen – und die gern bereit waren, sich mit dem Frankfurter
       Planungsteam zusammenzutun.
       
       Mit dem Pride wollen sie die Situation für queere Menschen in beiden
       Städten verbessern. „Wir fordern, das die Weltoffenheit in der Doppelstadt
       auch für geschlechtliche Identitäten und sexuelle Vielfalt gilt“, sagt
       Helten.
       
       Die Aktivistinnen wollen, dass sich die Stadtverordneten der beiden Städte
       Frankfurt und Słubice in einem gemeinsamen Beschluss zu einem sicheren,
       diskriminierungsfreien Ort für queere Menschen erklären.
       
       Außerdem fordern sie ein grenzübergreifendes Beratungsangebot für queere
       Menschen in beiden Städten und mehr Orte und Treffpunkte für LGBTIQ+. Denn
       bisher gibt es ihren Angaben zufolge keine Jugendclubs oder Treffpunkte,
       die sich explizit an LGBTIQ+ richteten, worunter vor allem queere
       Jugendliche zu leiden hätten. Da gebe es auch in Frankfurt (Oder) noch
       Nachholbedarf.
       
       4 Sep 2020
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Uta Schleiermacher
       
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