# taz.de -- Antisemitismus und Verschwörungstheorien: Schuster warnt vor Coronademos
       
       > Vor drei Tagen protestierten Verschwörungsideolog*innen und Nazis in
       > Berlin. Jetzt äußert sich der Zentralrat der Juden. Auch
       > Polizeigewerkschaftler sind besorgt.
       
 (IMG) Bild: Demonstrierende, die am Samstag in Berlin gegen die Coronamaßnahmen auf die Straße gingen
       
       BERLIN dpa/epd | Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland,
       Josef Schuster, warnt nach den jüngsten [1][Demonstrationen gegen die
       Corona-Auflagen in Berlin] vor einem zunehmenden Antisemitismus. Seit
       Monaten würden in der Coronadebatte „Verschwörungsmythen mit
       antisemitischer Grundtendenz bewusst geschürt“, sagte er der Bild-Zeitung
       (Dienstag).
       
       Verantwortlich dafür seien unter anderen „sehr rechte und rechtsextreme
       Gruppen“, die sich unter die Demonstranten gemischt hätten, so Schuster.
       Sicherlich seien nicht alle Teilnehmer der Proteste am Samstag in Berlin
       Rassisten oder Antisemiten: „Aber sie machen sich mit diesen gemein.“
       
       Schuster appellierte an die Demonstranten, dass sie „wissen müssen, mit wem
       sie mitlaufen oder wer mit ihnen mitläuft“. Den Menschen müsse klar sein,
       „dass sie die Argumente von Antisemiten indirekt unterstützen, wenn sie
       sich an solchen Demonstrationen beteiligen“. Die Bilder von der versuchten
       Stürmung des Reichstags nannte er „erschreckend und empörend“. „Wenn im
       Jahr 2020 die Reichsflagge direkt vor dem Eingang des Deutschen Bundestages
       weht, dann läuft etwas falsch“, sagte der Zentralratspräsident.
       
       Auch aus der Polizei kommen Warnungen vor zunehmendem Einfluss von
       Rechtsextremen unter den Verschwörungstheoretiker*innen. „Seit den ersten
       Hygiene-Demonstrationen verfestigt sich der Einfluss rechtsextremer Gruppen
       auf die Coronaprotestbewegung“, sagte der GdP-Vizevorsitzende Jörg Radek
       den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Dienstag).
       
       ## Welche Unschuld?
       
       Am Samstag hatten nach Angaben der Polizei etwa 300 bis 400 Demonstranten
       Absperrgitter am Reichstagsgebäude überrannt und sich [2][lautstark vor dem
       verglasten Besuchereingang aufgebaut.] Dabei wurden vor dem Sitz des
       Bundestags unter anderem schwarz-weiß-rote Reichsflaggen geschwenkt. Die
       Polizei drängte die Menschen auch mit Pfefferspray zurück. Zuvor hatten
       nach Polizeischätzungen annähernd 40.000 Menschen auf der Straße des 17.
       Juni weitgehend friedlich gegen die Coronapolitik demonstriert.
       
       Polizeigewerkschafter Radek sagte: „Die Rechten sind dabei, die Bewegung
       komplett zu kapern.“ Seit dem vergangenen Wochenende habe die
       Coronaprotestbewegung ihre Unschuld endgültig verloren. „Jetzt kann niemand
       mehr sagen, er sei nur ein Mitläufer. Jeder, der jetzt noch dabeibleibt,
       muss sich die Frage stellen, ob er sich mit den Rechtsextremisten
       gemeinmachen will und seine persönlichen Sorgen in der Coronakrise mit den
       demokratiefeindlichen Zielen der Extremisten verbinden will.“
       
       SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil sagte der Passauer Neuen Presse
       (Dienstag): „Rechtsextreme suchen auf diesen Demonstrationen Anschluss ins
       bürgerliche Lager. Und sie werden offen geduldet, man streckt ihnen sogar
       die Hand aus. Das macht mich fassungslos.“ Es seien „widerliche Bilder,
       wenn bekennende Nazis Reichsflaggen auf den Stufen des Bundestags
       schwenken“. Voraussichtlich am Donnerstag wird sich der Ältestenrat des
       Bundestags mit den Vorfällen befassen.
       
       Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sagte im ZDF-“heute-journal“, er
       erlebe sowohl berechtigte Fragen und die Bereitschaft zum Zuhören, aber
       auch Hass und Verschwörungstheorien. „Was mich echt beschäftigt, ist, dass
       die Regenbogenflagge, die Flagge von Freiheit, Recht, Emanzipation der
       Schwulenbewegung, auf der gleichen Demo wie die Reichsflagge ist und die
       Nazisymbole – da fragt man sich schon, was ist da los?“ Spahn mahnte
       zugleich, die Bilder aus Berlin dürfe man „nicht als Gesamtstimmung im Land
       nehmen“.
       
       Die Vorfälle vor dem Reichstag hatten auch eine Debatte über den Schutz des
       Parlamentsgebäudes ausgelöst. Anfangs standen nur drei Polizisten direkt am
       Westeingang des Reichstagsgebäudes der Menge gegenüber. Nach wenigen
       Minuten kam Verstärkung. Die Berliner Polizei ist für den Außenschutz
       zuständig.
       
       Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller räumte am Montag in der
       ARD-Sendung „hart, aber fair“ ein: „Das müssen wir anders koordinieren. Das
       müssen wir in Zukunft besser sichern.“ Der Berliner Senat berät am Dienstag
       (10 Uhr) über Änderungen der Infektionsschutzverordnung. Die Maskenpflicht
       bei Demonstrationen, die etwa Innensenator Andreas Geisel (SPD)
       befürwortet, könnte dabei ein Thema sein.
       
       1 Sep 2020
       
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