# taz.de -- Forderungen an Antifa-Kabinett: Schluss mit Sonntagsreden
       
       > Der Antifa-Ausschuss der Regierung sorgt sich wegen der Coronaproteste
       > und hört Verbände an. Die Forderung: endlich klares Handeln.
       
 (IMG) Bild: Abstand halten auch bei Protest dagegen: CoronaskeptikerInnen am Samstag, 29. August, in Berlin
       
       BERLIN taz | Schwarz-weiß-rote Fahnen auf der Coronademonstration in
       Berlin, ein rechtsextremer Sturm auf die Bundestagstreppe. Am Mittwoch
       tagte der Kabinettsausschuss gegen Rechtsextremismus – und stand noch unter
       dem Eindruck [1][der von rechts gekaperten Coronaproteste am Wochenende].
       
       Das Antifa-Kabinett war nach dem Anschlag in Hanau, bei dem neun Menschen
       mit Migrationshintergrund erschossen wurden, [2][im Februar gebildet
       worden]. Kanzlerin Merkel und mehrere MinisterInnen sitzen darin, am
       Mittwoch tagte es zum zweiten Mal. „Niemand darf Freiheitsrechte
       missbrauchen, um unsere Demokratie zu attackieren“, erklärte
       Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) mit Blick auf die
       Coronaproteste. Es brauche „eine ganz klare Abgrenzung von Menschen- und
       Demokratiefeinden“. Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) betonte
       die Notwendigkeit von Präventionsmaßnahmen: „Wir müssen verhindern, dass
       Menschen in dieser zugegebenermaßen schwierigen Zeit verführbar werden für
       Verschwörungsmythen oder extremistisches Gedankengut.“
       
       Angehört wurden in der Sitzung diesmal zivilgesellschaftliche Vertreter,
       darunter Migranten- und Opferverbände. Und die stellten klare Forderungen.
       So plädierte die Amadeu Antonio Stiftung angesichts der Coronaproteste für
       ein Sofortprogramm gegen Verschwörungsmythen und Antisemitismus von 10
       Millionen Euro. Antisemitismus sei der „ideologische Kitt“, der die Milieus
       verbinde. Dagegen brauche es Beratungsstellen für Opfer von digitalem Hass
       und besser finanzierte Bildungsarbeit.
       
       Die Coronaprotestierenden radikalisierten sich „mit immenser
       Geschwindigkeit“, warnte Judith Rahner von der Stiftung. Eine Abgrenzung zu
       Rechtsextremen finde nicht statt. Es sei zu befürchten, dass der nächste
       rechtsterroristische Anschlag aus „dieser explosiven Mischung“ erfolge.
       
       ## Anhörung mit Anschlags-Opfern?
       
       Der Verband der Opferberatungsstellen forderte, die Hinterbliebenen der
       Attentate von Hanau und Halle anzuhören, genauso wie die Angehörigen von
       Walter Lübcke und anderer Opfer rechter Gewalt. Die Perspektive der
       Angegriffenen müsse im Mittelpunkt stehen, erklärte Verbandssprecher Robert
       Kusche. Außerdem bräuchten die Opfer eine neu zu schaffende,
       unbürokratische Grundrente, um langfristig abgesichert zu sein. Für
       Gewaltopfer ohne Aufenthaltstitel forderte der Verband ein humanitäres
       Bleiberecht.
       
       Lambrecht ging auf die Initiativen zu. Sie verwies auf die kürzlich
       beschlossene Ausweitung für Entschädigungen bei wirtschaftlichen Schäden
       durch Anschläge, rückwirkend für die vergangenen zwei Jahre. „Der Staat
       muss stärker für die Betroffenen von Rassismus und Menschenhass da sein“,
       erklärte die SPD-Ministerin. In Kürze wolle man zudem Vorschläge für einen
       besseren Schutz von Adressen bei Zeugen in Strafverfahren vorlegen, um auch
       dort rechtsextreme Bedrohungen zu verhindern.
       
       Bei anderen Projekten dagegen hakt es. So forderten mehrere Verbände erneut
       [3][ein Demokratiefördergesetz, das Projekte gegen rechts langfristig
       absichert]. Dieses sei „längst überfällig“, erklärte die Amadeu Antonio
       Stiftung. Ein Gesetzentwurf liegt jedoch bis heute nicht vor, obwohl Giffey
       diesen nach dem Anschlag in Hanau „in Kürze“ versprochen hatte. Die Union
       aber sträubt sich gegen das Gesetz, zuletzt ging Bundesinnenminister Horst
       Seehofer (CSU) aber auf Giffey zu. Die plädierte im Ausschuss erneut für
       das Gesetz: „Die Verteidiger unserer Demokratie haben es unnötig schwer,
       solange diese stabile und verlässliche Basis fehlt.“
       
       ## Weiter Streit um Studie zu Racial Profiling
       
       Auch beim Streit über [4][eine Studie zu Racial Profiling in der Polizei],
       die mehrere Verbände ebenfalls einforderten, kommt der Ausschuss indes
       nicht voran. Obwohl auch der Europarat die Untersuchung einfordert, lehnt
       Seehofer diese als überflüssig ab, Lambrecht dagegen pocht darauf. Auch am
       Mittwoch blieb es beim Patt. Robert Kusche von den Opferverbänden nannte
       die Studie dagegen einen wichtigen Schritt, um das Ausmaß des Problems
       festzustellen – und Vertrauen bei Geschädigten wiederherzustellen.
       
       Das Kabinett will nun bis zur nächsten Sitzung im Oktober einen
       Maßnahmenkatalog gegen Rechtsextremismus vorlegen. Deniz Nergiz vom
       Bundesintegrationsrat warnte bereits vor „Schönwetter-Botschaften“: Sowohl
       Alltagsrassismen als auch strukturellen Rassismus müsse man endlich
       „nachhaltig bekämpfen“.
       
       ## Corona-SkeptikerInnen verlegen Protest
       
       Die Organisatoren des Corona-Protests vom Wochenende reagierten derweil auf
       die rechtsextremen Vereinnahmungsversuche. Anmelder Michael Ballweg von der
       Stuttgarter Initiative Querdenken 711 erklärte, den nächsten Großaufzug am
       3. Oktober von Berlin nach Konstanz zu verlegen. Auch für dieses Datum
       hatten sich Neonazis in Berlin angekündigt. Man wolle eine räumliche
       Trennung und künftig mehr auf Rechtsextreme bei den Protesten achten, sagte
       Ballweg. Eine Vereinnahmung aber bestritt er. Für die Demo in Konstanz soll
       nun auch in der Schweiz, Österreich und Frankreich mobilisiert werden.
       
       2 Sep 2020
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Konrad Litschko
       
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