# taz.de -- Polizeiskandal in NRW: Hitlerbilder und Hakenkreuze
       
       > In NRW werden 29 PolizistInnen suspendiert, die sich in rechtsextremen
       > Chatgruppen austauschten. Innenminister Reul spricht von einer „Schande“.
       
 (IMG) Bild: Gibt sich entsetzt über die Polizeiaffäre: NRW-Innenminister Herbert Reul
       
       DÜSSELDORF/BERLIN taz | Nordrhein-Westfalen wird von einem
       [1][Polizeiskandal] erschüttert. Seit dem frühen Mittwochmorgen laufen
       Durchsuchungen in mehreren Städten gegen 29 PolizistInnen. Sie sollen in
       Whatsapp-Chatgruppen rechtsextreme Inhalte geteilt haben. Innenminister
       [2][Herbert Reul] (CDU) sprach von „übelster und widerwärtigster
       neonazistischer, rassistischer und flüchtlingsfeindlicher Hetze“. Die
       Vorfälle träfen die Polizei „bis ins Mark“. Sie seien „eine Schande für die
       [3][NRW-Polizei]“.
       
       Betroffen ist vor allem das Polizeipräsidium Essen. 25 der beschuldigten 29
       Beamten kommen von dort. Die meisten gehörten zu der unterstellten
       Dienstgruppe in Mülheim an der Ruhr, die komplett suspendiert wurde. Auch
       der dortige Dienstgruppenleiter ist beschuldigt, zudem ein weiterer vom SEK
       Essen, einer vom LKA, einer vom Landesamt für Ausbildung und zwei vom
       Landesamt für Zentrale Polizeiliche Dienste.
       
       Durchsucht wurden insgesamt 34 Polizeidienststellen und Privatwohnungen,
       neben Essen und Mülheim in Duisburg, Oberhausen und Moers. Die Beamten
       sollen in fünf privaten Chatgruppen rechtsextreme Inhalte ausgetauscht
       haben. Die erste der Gruppen soll bereits 2012 gegründet worden sein, die
       größte 2015.
       
       ## Hakenkreuze und Hitler-Bilder
       
       Reul sprach von weit über 100 strafrechtlich relevanten Bildern in den
       Chatgruppen. Zu sehen seien Adolf Hitler und Hakenkreuze oder fiktive
       Darstellungen eines Geflüchteten in einer Gaskammer oder eines schwarzen
       Menschen, der erschossen wird. Der CDU-Politiker sprach von „abscheulichen
       Inhalten“. Gegen 11 der Beamten werde nun wegen Verbreitens von Kennzeichen
       verfassungswidriger Organisationen und Volksverhetzung ermittelt. Sie
       sollen die Bilder in die Gruppen eingestellt haben.
       
       Die anderen 18 Beamte sollen die Bilder nur empfangen haben. Auch gegen sie
       laufen nun aber Disziplinarmaßnahmen wegen des Verdachts der
       Dienstverletzungen – weil sie die Inhalte nicht meldeten. Alle 29
       PolizistInnen sind laut Reul suspendiert, sie mussten ihre Uniformen und
       Dienstwaffen abgeben, dürfen ihre Dienstgebäude nicht mehr betreten. Bei 14
       Beamten wird angestrebt, sie aus dem Dienst zu entfernen.
       
       „Der Vorgang macht mich sprachlos“, sagte Reul. Rechtsextreme hätten in der
       Polizei „nichts zu suchen“. Er könne nicht mehr von Einzelfällen sprechen.
       Der Großteil der 50.000 PolizistInnen in NRW seien aber „hochanständige
       Menschen und Demokraten“.
       
       ## Nur durch Zufall aufgedeckt
       
       Auf die Chatgruppen waren die Ermittler nur durch Zufall gestoßen – nach
       der Durchsuchung eines 32-jährigen Beamten Ende August. Dem Polizisten
       wurde vorgeworfen, Polizeiinterna an einen Journalisten verraten zu haben.
       Auf seinem Handy wurden dann die Chatgruppen entdeckt. Darauf begann eine
       eigene Ermittlergruppe ihre Arbeit, die „SoKo Parabel“. Und der Skandal
       könnte sich noch ausweiten: Denn bisher hatten die Ermittler nur Zugriff
       auf das Handy des 32-Jährigen. Seit Mittwoch aber werden nun weit mehr
       Datenträger ausgewertet.
       
       Reul kündigte an, die Affäre „bis ins kleinste Detail“ aufzuarbeiten.
       Bereits am Mittwoch ordnete er die Bildung einer Sonderinspektion für das
       Polizeipräsidium Essen an. Dort soll geprüft werden, ob es weitere Fälle
       gibt und wie viele Beamte von den Chatgruppen noch wussten. Zudem kündigte
       Reul einen Sonderbeauftragten für rechtsextreme Tendenzen in der
       Landespolizei an, der ihm unmittelbar unterstellt werde. Dieser solle ein
       Lagebild und Handlungsempfehlungen zur Prävention erarbeiten. Auch werde es
       Regionalkonferenzen mit Polizeiführern geben.
       
       ## Polizeigewerkschaft und Politik „erschüttert“
       
       Der Essener Polizeipräsident Frank Richter, dessen Haus vor allem betroffen
       ist, sagte, er habe sich so einen Fall nicht vorstellen können. Es habe
       keine Auffälligkeiten gegeben, für die Chats seien nur private Geräte
       benutzt worden. Dass keiner der beteiligten Beamten seinen Dienstherren
       informiert habe, sei erschütternd.
       
       Auch die Gewerkschaft der Polizei in NRW reagierte mit „großem Entsetzen“
       auf die Vorfälle. „Die Bekämpfung des Rechtsextremismus gehört zur DNA der
       Polizei“, sagte Landesvize Michael Maatz. „Dass es trotzdem Beamte gibt,
       die in Chatgruppen rechtsradikale, fremdenfeindliche Inhalte teilen, ist
       unerträglich.“
       
       Der CDU-Innenexperte Christos Katzidis zeigte sich ebenfalls „zutiefst
       erschüttert“: „Dass diejenigen, die unsere Werte schützen und verteidigen
       sollten, sie stattdessen wohl mit Füßen getreten haben, ist skandalös.“
       SPD-Landeschef Sebastian Hartmann forderte eine „schonungslose Aufklärung
       und null Toleranz gegen die Feinde unserer demokratischen Gesellschaft“.
       
       16 Sep 2020
       
       ## LINKS
       
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 (DIR) Konrad Litschko
       
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