# taz.de -- Wie Google deutsche Verlage finanziert: Wes Brot ich ess …
       
       > Die Otto-Brenner-Stiftung hat eine Studie über Googles Medienförderung
       > vorgelegt. Sie zeigt eine desolate Branche, die sich in Abhängigkeiten
       > begibt.
       
 (IMG) Bild: Eingang der Deutschland-Zentrale von Google in Hamburg
       
       Die Summe klingt zunächst einmal gigantisch. Mehr als 200 Millionen Euro
       hat Google in den vergangenen sieben Jahren an europäische
       Medienunternehmen ausgeschüttet. Einfach so, ohne Bedingungen, ohne
       aktenkundiges Verlangen nach Gegenleistungen. Die [1][Digital News
       Initiative (DNI) des Konzerns] und deren Vorgänger, ein Fonds zur
       Unterstützung französischer Medien, förderten mit dem Geld technische
       Innovationen im Newsbereich. Angesichts einer inzwischen mehr als zwei
       Jahrzehnte währenden Geschichte des fortgesetzten Versagens der Verlage
       gegenüber den ökonomischen und technologischen Herausforderungen der
       digitalen Sphäre handelt es sich um dringend benötigte Zuwendungen.
       
       Denn das Risikokapital sitzt in der Branche nicht besonders locker. Dazu
       ist ein generelles Misstrauen gegenüber dem Netz und seinen Nutzer*innen
       tief verankert im Journalismus, der noch immer viel zu oft das Produkt mit
       seiner Verpackung verwechselt und lieber mit dem vertrauten Papier
       raschelt, statt auf einen Bildschirm zu schauen. Das Gefälle in Kompetenz
       und wirtschaftlicher Macht zwischen Digitalkonzernen und Verlagen könnte
       kaum größer sein.
       
       Da Altruismus im Regelfall nicht die treibende Kraft eines Weltkonzerns wie
       der Google-Mutter Alphabet ist, stellt sich die Frage, welche möglichen
       Hintergedanken das Geldgeschenk begleiten. Das ist derweil nicht gar so
       groß. Die wirklich wichtigen Dinge lässt sich das Unternehmen ganz andere
       Summen kosten: die Platzierung als Standardsuchmaschine auf Applegeräten
       zum Beispiel 12 Milliarden Dollar.
       
       Es ist nun nicht so, dass Journalist*innen den steigenden regulatorischen
       Druck auf die großen Internetplattformen nicht im Blick hätten. Ein
       Verfahren wegen Wettbewerbsverzerrung ist vor dem US-Kongress anhängig.
       Europäische Medienunternehmen, allen voran die Axel Springer SE, drängen
       seit Jahren darauf, die Suchmaschine mit [2][einer Art Linksteuer zu
       belegen, dem sogenannten Leistungsschutzrecht]. [3][In Australien wird
       gerade ein Gesetz verhandelt], das die Verhandlungsposition von Verlagen
       über die pauschale Vergütung journalistischer Inhalte durch die Plattformen
       verbessern soll. Da macht die offene Portokasse von Google schon ein wenig
       misstrauisch.
       
       ## Unter die Lupe genommen
       
       Um mögliche Interessenkonflikte zwischen den Verlagen auf Betteltour und
       den bei ihnen angestellten Journalist*innen festzustellen, müssten Letztere
       nun ihre eigenen Arbeitgeber*innen genauer unter Lupe nehmen. Sie müssten
       Transparenz einfordern über die ausgeschütteten Mittel und diese im Kontext
       der bekannten politischen Konflikte über die Marktmacht der Digitalkonzerne
       bewerten. In Ansätzen geschieht das natürlich hie und da, der Verdienst
       einer wirklich umfassenden Untersuchung liegt aber bei der
       gewerkschaftsnahen Otto-Brenner-Stiftung.
       
       Denn die finanzierte eine [4][am Montag vorgestellte Untersuchung von
       Alexander Fanta und Ingo Dachwitz] (beide sonst tätig für netzpolitik.org)
       über den Einsatz von 140 Millionen Euro der DNI für europäische Medien.
       Soweit nachvollziehbar, schlüsseln die Autoren vor allem für deutsche
       Medien detailliert die geförderten Projekte auf. Eine ausführliche und
       kenntnisreiche politische und wirtschaftliche Kontextualisierung macht das
       Papier zu einem Pflichtlesestoff für Verlage und Redaktionen, die darüber
       nachdenken, Geld von Google anzunehmen.
       
       Besonders interessant sind in der Studie anonymisierte Interviews mit
       Verlagsvertreter*innen. Dort heißt es zum Beispiel zu den eingeworbenen
       Projektgeldern: „Am Ende haben wir gesagt: ‚Ey, wir können jetzt hier den
       moralisch sauberen Tod sterben oder wir machen halt unser Projekt.‘“ Man
       weiß sehr wohl, von wem man Geld nimmt, und vor allem, warum es überhaupt
       fließt: politische Landschaftspflege eben. Dabei ist der pragmatische
       Zynismus der Verlage nicht einmal das Schlimmste.
       
       Viel besorgniserregender ist die Selbstbeschreibung einer Branche, die eine
       wirklich digitale Transformation aus eigener Kraft im Traum nicht
       finanzieren würde. „Man hat in Google Gott sei Dank jemanden gefunden, der
       Geld zur Verfügung stellt, damit man mal was mit Internet und
       Digitalisierung machen kann“, wird ein*e Verlagsmanager*in zitiert. Die
       Untersuchung „Medienmäzen Google“ eröffnet so einen seltenen Blick in ein
       völlig desolates Geschäftsfeld.
       
       Jahrzehnte sind vergangen, in denen Verlagshäuser einfach gebetet zu haben
       scheinen, dass dieses Internet wieder weggeht. Und jetzt, wo es schon lange
       zu spät ist, unterwirft man sich eben den Gewinnern der
       informationstechnischen Revolution und riskiert, wenn auch nicht
       unmittelbare Unabhängigkeit, so doch ein gutes Stück Glaubwürdigkeit zu
       verlieren.
       
       Offenlegung: Ein Projekt des taz-Verlags ist in der Vergangenheit einmal
       von Google finanziell gefördert worden. Für die Verbesserung der
       freiwilligen Zahloption „taz zahl ich“ erhielt der Verlag 2017 von Google
       etwas über 100.000 Euro. Der Autor hat als Leiter der damaligen
       Onlineredaktion keinen Einspruch erhoben, als der taz-Verlag Projektmittel
       bei der DNI einwarb. Mehr dazu hier:
       [5][https://blogs.taz.de/hausblog/externe-unterstuetzung-taz-zahl-ich-wird-
       mobil/]
       
       26 Oct 2020
       
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 (DIR) [5] https://blogs.taz.de/hausblog/externe-unterstuetzung-taz-zahl-ich-wird-mobil/
       
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