# taz.de -- Infektionsrisiko im Verkehr: Ballermann, Bus oder Bimmelbahn?
       
       > Wie hoch ist die Ansteckungsgefahr, wenn ich mit dem Zug zur Arbeit fahre
       > oder in den Urlaub fliege? Die taz nimmt die Verkehrsmittel unter die
       > Lupe.
       
 (IMG) Bild: Wenn nicht gerade eine Sardinenbüchsensituation herrscht, steckt man sich in Öffis nicht so leicht an
       
       Die Buslinie 194 fährt vom Neuköllner Hermannplatz einmal quer durch den
       Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg bis nach Lichtenberg. Damit durchfährt sie
       zwei besonders betroffene Berliner Corona-Hotspots. Ein [1][Foto auf
       Twitter] zeigt, wie vollgestopft der Bus jeden Tag ist. Mitten in der
       Pandemie fahren tägliche übervolle Busse und Züge durch Deutschland. Doch
       wie hoch ist das Ansteckungsrisiko im Verkehr überhaupt?
       
       [2][Laut Robert-Koch-Institut ist der Hauptübertragungsweg] für den
       SARS-CoV-2-Erreger „die respiratorische Aufnahme virushaltiger Partikel,
       die beim Atmen, Husten, Sprechen und Niesen entstehen“. Dann also, wenn ich
       Tröpfchen oder Tröpfchenkerne (Aerosole) einer infizierten Person einatme.
       Die Gefahr erhöht sich, je länger ich die Atemluft dieser Person teile und
       je näher sie mir ist. Besonders wichtig sei daher Frischluftzufuhr und
       Abstandhalten.
       
       Die sogenannte Schmierinfektion, also Ansteckung über Oberflächen, werde
       dagegen „eher zu ernst genommen“, so Prof. Dr. Helmut Fickenscher, Virologe
       an der Universität Kiel. Zwar hatte erst jüngst [3][eine Studie
       herausgefunden], dass Coronaviren unter speziellen Bedingungen auf
       Oberflächen bis zu 28 Tage überleben könnten. Belege für Ansteckungen über
       Oberflächen gebe es [4][laut Bundesinstitut für Risikobewertung] bislang
       aber nicht. Kürzlich hatte auch [5][Klaus Reinhardt, Chef der
       Bundesärztekammer], die Desinfektion von Oberflächen für „unsinnig und
       obsolet“ erklärt. Da eine Schmierinfektion aber nicht ausgeschlossen werden
       könne, empfiehlt auch Fickenscher weiterhin das Niesen in Armbeuge oder
       Taschentuch.
       
       Wie sehen nun die Infektionszahlen im Verkehr aus? [6][Das RKI] hatte Mitte
       September ein Viertel der bis Anfang August übermittelten gut 200.000
       Infektionsfälle in Deutschland unter anderem auf den Infektionsort hin
       untersucht. Ergebnis: Lediglich 0,2 Prozent der 55.000 Infektionsfälle
       infizierten sich nachweislich in öffentlichen Verkehrsmitteln. Während sich
       die Mehrheit im Busverkehr ansteckte, gab es im Zug bisher keinen
       bestätigten Fall. Das liege dem RKI zufolge aber auch daran, dass
       Infektionen in Bus und Bahn nur schwer nachzuweisen seien.
       
       ## Sardinenbüchsensituation im Bus
       
       Konfrontiert mit den laut RKI etwas höheren Infektionszahlen im Busverkehr,
       entgegnet Christian Wahl vom Bundesverband Deutscher Omnibusutnernehmer,
       dass hierzulande die meisten Menschen Bus fahren. Allein 2019 waren es
       [7][in Deutschland 5,6 Milliarden Fahrten]. Dennoch weist Virologe
       Fickenscher auf die gelegentliche „Sardinenbüchsensituation“ in
       Nahverkehrs- und Reisebussen hin, „da funktioniert die Übertragung
       natürlich prima“. Zumindest wenn weder Masken- noch Hygieneregeln
       eingehalten würden.
       
       Sebastian Meyer von FlixBus betont daher die Pflicht zur Händedesinfektion
       bei Zustieg sowie den guten Luftaustausch in Reisebussen, die [8][laut
       einer Studie der Deutschen Bahn] tatsächlich noch vor Zug und Flugzeug
       liegt. Eine Limitierung der Sitzplätze, um einen größeren
       Sicherheitsabstand zu gewährleisten, komme aus wirtschaftlichen Gründen
       aber nicht infrage.
       
       Auch im Nahverkehr gibt es Maßnahmen. Laut Homepage etwa der Berliner
       Verkehrsbetriebe, gebe es [9][mobile Teams], die an Knotenpunkten und
       Endhaltestellen Kontaktflächen wie Haltestangen und Türtaster reinigen.
       Zudem werden dort seit Juli [10][Bußgelder gegen Maskenverweiger*innen]
       verhängt.
       
       Auch die Deutsche Bahn betont ihre [11][zahlreichen Maßnahmen]. So werde
       etwa auf nachfragestarken Städteverbindungen die Zuglänge verdoppelt, die
       Reservierungen würden begrenzt sowie das Unterwegsreinigungspersonal
       vergrößert, das zum Beispiel verstärkt Kontaktflächen säubere. Allein
       zwischen Mitte September und Mitte Oktober hat die Bundespolizei zudem
       [12][über 70.000 Reisende zur Einhaltung der Maskenpflicht ermahnt]. Bei
       über 1.000 Personen wurden Bußgelder verhängt, bei 200 Reisenden sogar ein
       Beförderungsverbot oder Bahnhofsverweis ausgesprochen.
       
       ## Bahn vergleichsweise sicher
       
       „Man kann sich weitestgehend in der Bahn sicher fühlen“, stellt Karl-Peter
       Naumann, Ehrenvorsitzender des Fahrgastverbands Pro Bahn fest. Auch der
       Bonner Infektiologe und Vorstandssprecher der Deutschen Gesellschaft für
       Krankenhaushygiene e.V. Dr. Peter Walger hält die [13][Belüftung der Züge
       für ausreichend].
       
       Was den Flugverkehr angeht, verweisen Airlines allgemein auf die strenge
       Maskenpflicht sowie leistungsstarke Belüftungssysteme, die alle drei
       Minuten für einen gefilterten Luftaustausch sorgen würden. Durch den
       vertikalen Luftaustausch sei das Ansteckunsrisiko für Sitznachbar*innen
       minimal. „Ein Risiko entsteht nur beim Husten, Sprechen und Niesen und das
       ist mit der Maskenplicht nahezu komplett eliminiert“, so Walger.
       
       Übrigens: Größtmögliche Sicherheit ist, wie so oft, eine Frage des
       Geldbeutels. So sind die Sitzabstände in der Ersten Klasse der Deutschen
       Bahn größer, in einigen Airlines können Fluggäste vergünstigt einen freien
       Mittelsitz buchen und in Großbritannien sind [14][Pläne für ein
       Abstandskonzept in Bussen] in Diskussion, bei denen die Sitzplätze der
       Ersten Klasse weitaus mehr Abstand aufweisen.
       
       20 Oct 2020
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://twitter.com/nicola_klg/status/1314249951002722309
 (DIR) [2] https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Steckbrief.html#doc13776792bodyText2
 (DIR) [3] https://www.dw.com/de/studie-coronavirus-l%C3%A4nger-%C3%BCberlebensf%C3%A4hig/a-55238391
 (DIR) [4] https://www.bfr.bund.de/de/kann_das_neuartige_coronavirus_ueber_lebensmittel_und_gegenstaende_uebertragen_werden_-244062.html
 (DIR) [5] https://www.zdf.de/nachrichten/politik/coronavirus-desinfektion-oberflaechen-100.html
 (DIR) [6] https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2020/Ausgaben/38_20.pdf?__blob=publicationFile
 (DIR) [7] https://www.bdo.org/zahlen-fakten-positionen/opnv/passagiere
 (DIR) [8] https://www.bdo.org/uploads/assets/5f841b0342d009d0220001b7/original/GS_010_20_09__Reisebus_schneidet_beim_Luftaustausch_am_besten_ab.jpg?1602493185
 (DIR) [9] https://go.bvg.de/corona
 (DIR) [10] https://www.rbb24.de/panorama/thema/2020/coronavirus/beitraege_neu/2020/09/berlin-bvg-bus-ubahn-tram-corona-maskenpflicht-bussgelder.html
 (DIR) [11] https://www.deutschebahn.com/de/presse/pressestart_zentrales_uebersicht/Fragen-und-Antworten-zum-Bahnverkehr-in-Zeiten-von-Corona-4966788
 (DIR) [12] https://www.presseportal.de/blaulicht/pm/73990/4733109
 (DIR) [13] https://www.apotheken-umschau.de/Coronavirus/Wie-sicher-sind-Bahnreisen-in-Corona-Zeiten-560347.html
 (DIR) [14] https://www.bbc.com/news/health-51736185
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Maximilian Berkenheide
       
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