# taz.de -- Überblick zur Coronakrise in Deutschland: Warnungen vor „lokalen Shutdowns“
       
       > Erneut gibt es über 7.000 Neuinfektionen innerhalb eines Tages. Jens
       > Spahn hält einen bundesweiten Lockdown für unwahrscheinlich. Bayern
       > verschärft die Regeln weiter.
       
 (IMG) Bild: Könnte bald im Ausland gegen das Coronavirus kämpfen: ein Soldat des ABC-Abwehrkommandos
       
       BERLIN/BRÜSSEL dpa | Zu einem großflächigen Stillstand in Deutschland wie
       im Frühjahr wird es nach Ansicht von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn
       (CDU) in der jetzigen Corona-Situation nicht kommen. „Einen zweiten
       Lockdown, so wie er immer gemeint wird, den sehe ich nicht“, sagte Spahn am
       Mittwoch auf die entsprechende Frage eines Nutzers der Social-Media-App
       Jodel.
       
       Spahn sagte, man wisse heute, dass es beispielsweise im Einzelhandel, bei
       Friseuren und in anderen Bereichen momentan keine Ausbrüche des
       [1][Coronavirus] gebe, wenn auf die sogenannte AHA-Regel – Abstand,
       Hygiene, Alltagsmaske – geachtet werde. Diese Bereiche würde man auch nicht
       wieder schließen müssen.
       
       Unterdessen ist der kritische Wert von 50 Corona-Neuinfektionen pro 100 000
       Einwohner in einer Woche auf die gesamte Bundesrepublik bezogen
       überschritten worden. Der Wert gilt als eine wichtige Schwelle für
       strengere Maßnahmen gegen die Verbreitung des Coronavirus. Das Robert
       Koch-Institut (RKI) gab die Zahl am Mittwoch mit 51,3 an, am Vortag lag sie
       bei 48,6. Bundesweit meldeten die Gesundheitsämter nach RKI-Angaben vom
       Mittwochmorgen zuletzt 7595 neue Corona-Infektionen binnen 24 Stunden. Der
       Wert bleibt damit knapp hinter der Höchstmarke von 7830 vom Samstag zurück.
       
       Die Zahl der Neuinfektionen hatte am Samstag zum dritten Mal in Folge einen
       Rekordwert seit Beginn der Coronapandemie in Deutschland erreicht. Die
       jetzigen Werte sind allerdings nur bedingt mit denen aus dem Frühjahr
       vergleichbar, weil mittlerweile wesentlich mehr getestet wird – und damit
       auch mehr Infektionen entdeckt werden.
       
       ## Berchtesgarden weiter ein Hotspot
       
       Expert:innen zufolge sind die neu gemeldeten Infektionen wegen der Zeit
       zwischen Ansteckung, Test, Ergebnis und Meldung ein Hinweis darauf, wie
       stark das Virus vor etwa einer Woche in der Gesellschaft unterwegs war.
       Deshalb dauere es auch, bis sich [2][politische Maßnahmen gegen die
       Verbreitung des Virus] in den Meldezahlen niederschlagen könnten.
       
       Die Sorge vor einem erneuten Herunterfahren des öffentlichen und
       wirtschaftlichen Lebens in Deutschland kam auch wegen der stark wachsenden
       Zahl von Neuinfektionen und der Situation im bayerischen Landkreis
       Berchtesgadener Land auf. Dort ist wegen des Wertes von 236 Neuinfektionen
       pro 100 000 Einwohner:innen binnen sieben Tagen seit Dienstag das Verlassen
       der eigenen Wohnung nur noch mit triftigem Grund erlaubt. Schulen und Kitas
       wurden ebenso geschlossen wie Hotels und Restaurants.
       
       Spahn sagte, aktuell sehe man in Berchtesgaden, dass regional bei besonders
       vielen Infektionen alles „mal wieder zwei oder drei Wochen“ deutlich
       heruntergefahren werde, um es in den Griff zu bekommen. Das Virus sei
       dynamisch, und keiner wisse, was in drei Monaten sei. Aber Stand heute sehe
       er so eine Situation wie im März oder April nicht.
       
       Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hat für Corona-Hotspots
       weitere Einschränkungen bei Veranstaltungen und in der Gastronomie
       angekündigt. Diese würden in sämtlichen Gebieten mit einem sogenannten
       Sieben-Tages-Inzidenzwert von mehr als 100 gelten, sagte Söder am Mittwoch
       in einer Regierungserklärung im bayerischen Landtag in München. Dort würden
       die Sperrstunde auf 21 Uhr vorverlegt und Veranstaltungen jeglicher Art
       prinzipiell auf höchstens 50 Teilnehmer begrenzt.
       
       ## Lokale Lockdowns als „Ultima Ratio“
       
       Ausgenommen von der Begrenzung werden nur Veranstaltungen wie
       Demonstrationen und Gottesdienste, für die verfassungsrechtlich ein
       besonderer Schutz gilt. „Wir müssen einfach Kontakte reduzieren, um die
       Welle zu brechen“, sagte der Regierungschef. Faktisch wird Bayern damit die
       bundesweit einheitlich gehandhabte sogenannte Corona-Ampel, auf die sich
       die Ministerpräsidenten einigten, um eine zusätzliche Stufe erweitern. Die
       Ampel endet bislang bei einer Sieben-Tages-Inzidenz von 50. Dann gelten
       schon eine Sperrstunde ab 23 Uhr sowie strenge Beschränkungen für private
       Zusammenkünfte und Feiern. Diese Regelungen wurden in Bayern und anderswo
       zuletzt bereits vielfach von Behörden in Kraft gesetzt.
       
       Söder stellte als „Ultima Ratio“ zur Bekämpfung von Ausbrüchen auch weitere
       Lockdowns in Aussicht. Dies gelte für den Fall, dass das Geschehen anders
       nicht in den Griff zu bekommen sei. Niemand wolle weitere Lockdowns, er sei
       allerdings „nicht sicher“, ob die bisherigen Gegenmaßnahmen ausreichten.
       „Wir sind kurz davor, den Sprungpunkt zu erreichen“, sagte der bayerische
       Regierungschef mit Blick auf die aktuelle Corona-Entwicklung in ganz
       Deutschland.
       
       Auch andere Politiker schließen ein ähnliches Vorgehen auf lokaler oder
       regionaler Ebene wie im Berchtesgadener Land nicht aus. Der Epidemiologe
       und SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach sagte den Zeitungen der Funke
       Mediengruppe: „Dinge wie in Berchtesgaden werden wir jetzt häufiger sehen.
       Wir können nur reagieren durch lokale Shutdowns, insofern sind die auch
       angemessen.“
       
       Beim Städte- und Gemeindebund wird das auch für große Städte nicht
       ausgeschlossen. „Wenn die Zahlen so hochgehen, wie jetzt im Berchtesgadener
       Land, dann kann ich mir das – leider – auch in größeren Städten
       vorstellen“, sagte Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg der „Bild“-Zeitung.
       
       ## Die Nato will sich nützlich machen
       
       Das Verteidigungsministerium hat derweil bekannt gegeben, dass deutsche
       Soldat:innen während der zweiten Welle der Coronapandemie zu
       Kriseneinsätzen in andere Nato- und Partnerländer geschickt werden könnten.
       Wie ein Sprecher des Verteidigungsministeriums der Deutschen Presse-Agentur
       auf Anfrage bestätigte, hat die Bundesregierung der Nato Unterstützung für
       deren Notfallplan „Allied Hand“ zugesagt. Demnach würden bei Bedarf
       medizinisches Personal, Pionier:innen und Expert:innen aus der Truppe für
       die Abwehr von atomaren, biologischen oder chemischen Gefahren für
       Auslandseinsätze bereitgestellt.
       
       Insgesamt soll die Entsendung von rund 160 Spezialist:innen möglich sein.
       Hinzukommen könnten Soldat:innen, die den jeweiligen Einsatz von
       Deutschland aus unterstützen, heißt es aus dem Ministerium von Annegret
       Kramp-Karrenbauer (CDU).
       
       Aktiviert werden soll der Notfallplan zum Beispiel dann, wenn in
       Bündnisstaaten oder Nato-Partnerländern wie der Ukraine, Georgien oder
       Schweden wegen sehr hoher Infektionszahlen ein Zusammenbruch des
       Gesundheitssystems droht und der betroffene Staat um Unterstützung bittet.
       Notwendig wäre zudem ein Beschluss der 30 Nato-Staaten im Nordatlantikrat.
       
       Neben Deutschland haben nach Angaben aus Bündniskreisen bislang noch vier
       andere Alliierte Truppen fest zugesagt, darunter Großbritannien und
       Frankreich. In der Bündniszentrale hofft man, dass in den kommenden Wochen
       weitere Staaten nachziehen. Eingesetzt werden könnten die Nato-Streitkräfte
       auch beim Krankentransport oder für den Aufbau von Feldlazaretten.
       
       Der Operationsplan „Allied Hand“ ist ein Teil der Nato-Vorbereitungen für
       eine weitere Zuspitzung der Pandemie. Sie umfassen auch den Aufbau eines
       Treuhandfonds und den Aufbau von Lagern mit medizinischer Ausrüstung. So
       konnte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg bereits vor knapp zwei Wochen
       ankündigen, dass dem kleinen und vergleichsweise finanzschwachen
       Bündnisstaat Nordmazedonien unter anderem 60 Beatmungsgeräte zur Verfügung
       gestellt werden, weitere 60 wurden nach Albanien geliefert. „Das ist
       gelebte Nato-Solidarität“, kommentierte Stoltenberg.
       
       21 Oct 2020
       
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