# taz.de -- Islamismus und Gesellschaft: Der religiöse Faschismus
       
       > Das Buch des französischen Intellektuellen Pascal Bruckner über den
       > politischen Islam könnte aktueller kaum sein. Gerade ist es auf Deutsch
       > erschienen.
       
 (IMG) Bild: Frauen fordern vor der französischen Botschaft in London die Einführung des Schariagerichts, 2011
       
       Es ist eine Streitschrift. Hochaktuell. Eine Essaysammlung und in ihrer
       Analyse eine eindeutige Haltung zur Debatte nach den [1][islamistisch
       motivierten Morden in Frankreich]. „Der eingebildete Rassismus.
       Islamophobie und Schuld“, so der provokante Titel des Buches von [2][Pascal
       Bruckner], der so manchen Antirassisten hierzulande aufschrecken mag.
       
       Der französische Schriftsteller und [3][Essayist Pascal Bruckner], ein
       Verfechter des Laizismus, der universellen Menschenrechte und der
       Aufklärung, setzt sich mit dem radikalen Islam auseinander. Seine
       Leitlinien in säkularer Tradition: republikanische Religionsneutralität,
       die Respektierung kultureller Eigenheiten und das Recht auf kollektive
       Selbstdarstellung.
       
       Sein Anliegen: „Den Ausdruck Islamophobie madig zu machen, ihn zu
       delegitimieren, Zweifel und Unbehagen an ihm zu verbreiten, ihn quasi in
       Anführungszeichen zu setzen und dadurch zu schwächen ist das Vorhaben
       dieses Essays“, schreibt er.
       
       Nach dem Mord an Samuel Paty wird in Frankreich, auch in Deutschland, über
       Sympathie oder zumindest Schonhaltung in der Linken für die Bewegung des
       Islamismus diskutiert. Für Bruckner ist die Antwort eindeutig: „Was für
       einem eigenartigen Spektakel wohnen wir bei?“, schreibt er. „Man kann
       beobachten, wie frühere Priesterfresser vor dem Hintern der Islamisten in
       die Knie gehen.“ Die Linksradikalen im Westen und der politische Islam
       seien vom gleichen Geiste der Abrechnung mit dem bestehenden System
       beseelt, behauptet er.
       
       ## Der Islam-Gauchismus
       
       In einem Interview in der FAZ sagt er: „Islam-Gauchismus“ ist eine Art
       Schleimspur, auf welcher Antirassismus, Toleranz, Gerechtigkeitssinn,
       humanistisches Engagement durch naives oder gezieltes Wegschauen in ihr
       Gegenteil abgleiten.“ Im postkolonialen Diskurs sei der Westen mit seiner
       kolonialistischen Vergangenheit ohnehin der ewige Schuldner der islamischen
       Welt.
       
       Diese „Ethnifizierung der Religion“ mache den Glauben zur Identität, die
       gleichzeig anerkannt und geschützt werden möchte. Der herrschende
       Antirassismusdiskurs – so seine Hiebe gegen die [4][linksidentitäre
       Bewegung] – entwickle sich zur Zivilreligion der (Post-)Moderne, die mit
       anklagender Rhetorik permant Feindseligkeit aller gegen alle schürt.
       
       Jegliche Kritik werde so zur Beleidung, jedes kritische Wort zum Islam wird
       unter Rassismusverdacht gestellt: „Wir stigmatisieren, sobald wir ein
       Problem ansprechen … Überall etabliert sich die abscheuliche Gewohnheit,
       sich selbst über seine Herkunft, seine Identität, seinen Glauben zu
       definieren.“
       
       Der Ausdruck [5][„Islamophobie“] sei Teil eines globalen Wortschatzes
       geworden. Ein Sieg für die Islamisten, denn der Begriff vermenge die
       Verfolgung von Gläubigen, die ganz klar verdammenswert sei, und die Kritik
       an Religion, wie sie in aufgeklärten Gesellschaften praktiziert wird.
       
       ## Religionskritik im Abseits
       
       [6][Religionskritik] ist in aktuellen politischen Debatten ohnehin schon
       ins Abseits geraten. Die Debattenkultur, die durch Zweifel, Skeptizismus,
       Hadern und Fragen gekennzeichnet ist, geht verloren, wo das Dogma den
       Diskurs ersetzt, wo das Verketzern zu einem Mittel der politischen
       Auseinandersetzung geworden ist.
       
       Bruckner sieht den politischen Islam auf dem Vormarsch: „37 Jahre nach der
       iranischen Revolution hisst er überall seine Fahnen, verbreitet seine
       Sitten und erobert die Herzen einer Mehrheit der Gläubigen.“ Dabei
       zerstörten die selbsternannten Gotteskrieger all das, was an der
       islamischen Zivilisation bewundernswert war. Eine politische Strömung, die
       nicht nur nach außen gegen Nichtmuslime oder liberale Muslime, sondern auch
       nach innen und vor allem gegenüber Frauen und Mädchen extrem repressiv ist.
       
       Den Schleier als Fahne der Emanzipation der muslimischen Frau zu bezeichnen
       ist für Bruckner ein Irrweg auch des intersektionalen Feminismus.
       Mittlerweile sei daraus die Suche nach dem multiplen Opfer geworden, das
       man jetzt in der Kopftuch tragenden Muslimin entdeckt haben will, die
       „rassifizierten“ Stigmatisierungen ausgesetzt sei.
       
       Wie also umgehen mit einem politischen Islam, der sich wild, tödlich,
       unberechenbar gebärdet? Vor allem: den liberalen Muslimen die Hand reichen,
       sie unterstützen, meint Bruckner. Und Aufklärung über die islamistischen
       Netzwerke, ihre Verflechtung mit „Wohltätigkeitsorganisationen“ und die
       Geldflüsse aus dem Ausland. All das bedürfe eines unbeirrbaren politischen
       Willens, der sich nicht von der juristischen Guerilla und den Attentaten
       einschüchtern lasse.
       
       Damit dies kein frommer Wunsch bleibt, braucht es auch hierzulande eine
       kompromisslose [7][Haltung gegenüber den Netzwerken] des politischen
       Islams, vor allem auch eine selbstbewusste Verteidigung der eigenen Werte.
       
       1 Nov 2020
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Anschlaege-in-Frankreich/!5724674&s=anschlag+nizza/
 (DIR) [2] https://edition-tiamat.de/der-eingebildete-rassismus/
 (DIR) [3] https://www.perlentaucher.de/ptautor/pascal-bruckner.html
 (DIR) [4] /Identitaere-Linke-und-rechte-Hegemonie/!5516407&s=linksidentit%C3%A4r/
 (DIR) [5] /Islamexperte-ueber-Dschihadisten/!5335504&s=martini+interview+kepel/
 (DIR) [6] /Debatte-um-Identitaeten-und-Multikulti/!5702485&s=cinzia/
 (DIR) [7] /Politischer-Islam-in-Deutschland/!5628169&s=kresta+politischer+islam/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Edith Kresta
       
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