# taz.de -- Schutz von Großkatzen in den USA: Ausgeschnurrt
       
       > Der „Big Cat Public Safety Act“ soll in den USA dem Großkatzengeschäft
       > einen Riegel vorschieben. Auftrieb bekam es durch die Doku „Tiger King“.
       
 (IMG) Bild: Die selbsternannte Retterin privat gehaltener Wildkatzen Carole Baskin
       
       Anders als die gepeinigten Raubkatzen aus Netflix’ „Tiger King“ durften wir
       ja, selbst im ersten Lockdown, so oft unser Gehege verlassen, wie wir
       wollten; der Computerbildschirm freilich war spannender. Pünktlich zum
       zweiten Lockdown lockt nun der Reality-Sender TLC (andere Produktionen:
       „Mein Leben mit 300 kg“, „Dr. Pimple Popper“) mit „Neuen Enthüllungen“ über
       den Tigermanen Joseph Allen Maldenado-Passage, kurz Joe Exotic. Aber unsere
       Augen sind müdegeschaut, und die Welt da draußen ist gerade ohnehin
       sehenswerter.
       
       In der nämlich beriet das US-amerikanische Repräsentantenhaus am Donnerstag
       über den „Big Cat Public Safety Act“, der unter anderem Zucht, Ausstellung
       und Handel mit wilden Tieren stark beschränken würde (ein
       Abstimmungsergebnis lag zu Redaktionsschluss noch nicht vor). Ohne ihn kann
       (und konnte) buchstäblich jeder Hannebambel seinen eigenen Zoo gründen und
       so, immerhin das zeigt die selbst mehr als fragwürdige
       Netflix-Dokumentation mustergültig, zum lokalen Wildtier-Warlord
       aufsteigen. Frauen, Fame und Verstümmelungen gab es gratis dazu,
       beziehungsweise im Austausch gegen Streichelsitzungen mit traumatisierten
       Baby-Wildkatzen.
       
       Kaum zu glauben, dass ein solches Gesetz im Jahr 2020 eine Nachricht und
       nicht schon längst Normalität ist; aber das „Staunen“ darüber, dass „die
       Dinge, die wir erleben“, noch möglich sind (Walter Benjamin), entspringt
       der Vorstellung eines notwendigen Fortschritts, die jeden Tag aufs Neue von
       soundso vielen Facepalms dermaßen krachend an unseren Stirnkäfigen
       zerquetscht wird, dass es schon längst nicht mehr schön ist. Will sagen:
       Jede noch so kleine Schweinerei muss immer neu verboten werden, und wenn
       das endlich passiert ist, haben die Wutzen schon wieder etwas anderes
       Tolles gefunden, das Spaß macht.
       
       Wäre der seit Jahrzehnten geforderte „Safety Act“ auch ohne das absurde
       Zusammentreffen absurder Charaktere mit einer durch ein absurdes Virus
       gelähmten westlichen Medienöffentlichkeit so weit gekommen? Vermutlich
       nicht. Tatsächlich ist es ebenfalls kaum zu glauben, dass aus einem
       derartigen Informationswust, wie ihn „Tiger King“ um unsere Kopfe entspann,
       etwas so relativ Greifbares wie ein Gesetz entstehen könnte.
       
       Schließlich hatte sich die Doku-Reihe, die unter anderem unter der Regie
       eines schillernden Schildkrötenschutzstiftungsgründers gedreht wurde,
       ungefähr ab der dritten Minute vornehmlich auf den wüsten Beleidigungskrieg
       zwischen Joe Exotic und seiner Nemesis, der selbsternannten Retterin privat
       gehaltener Wildkatzen, Carole Baskin, konzentriert.
       
       Nach Ausstrahlung sahen ungefähr alle Parteien sich falsch dargestellt,
       bezeichnenderweise mit Ausnahme Joe Exotics, der momentan eine 22-jährige
       Haftstrafe wegen eines Mordauftrags absitzt und schon mehrfach Donald Trump
       und Donald Trump junior handgeschriebene Briefe zukommen ließ, in denen er
       um Begnadigung bittet. Doch Exotic ist wohl selbst für ihren Geschmack zu
       sehr gefangen in der Welt seines eigenen Spektakels.
       
       Blick auf Deutschland 
       
       Um nicht schon wieder allzu sehr ins Staunen zu geraten, wenden wir doch
       lieber den Blick auf das ach so heile Deutschland. Welche
       größenwahnsinnigen Macho-Ballerer könnte man hierzulande mit einer von Vera
       Int-Veen und Ingo Lenßen zurechtmanipulierten Sendereihe in die Bredouille
       bringen?
       
       Nummer eins: Clemens Tönnies. „Piggy Wiggy“ auf RTL II könnte neben
       Waffengewalt gegen Schweine, die schlauer sind als ihr Besitzer, auch
       Sex-Eskapaden mit Hackfleisch und peinliche Machenschaften am
       Currywurststand im Schalke-Stadion depiktieren.
       
       Nummer zwei: Dirk Roßmann. „Gruppensex in Großburgwedel“, am
       Donnerstagabend im ZDF, danach Illner-Diskussion über das soeben Gesehene.
       Die gesamte Hannover-Connection zieht blank, baut Scheiße in Hildesheim,
       Kassiererinnen tränenüberströmt, Zahnpasta auf allen Gängen. Danach Verbot
       von Axe-Deodorant und von Handcreme als Weihnachtsgeschenk.
       
       Nummer drei: Armin Laschet. Der „Banger von Burtscheid“hat es faustdick
       hinter den Ohren. Können Sie glauben, dass dieser romantische Rheinländer
       for sale ernsthaft CDU-Vorsitzender werden wollte? Was muss da nur
       losgewesen sein, in diesem seltsamen Jahr 2020?
       
       Ernsthaft jetzt.
       
       3 Dec 2020
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Adrian Schulz
       
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