# taz.de -- Anwohnerklagen gegen Atomanlagen: Terror ist Behördensache
       
       > AnwohnerInnen von Atomanlagen sollen nicht mehr gegen mangelhaften Schutz
       > vor Terror klagen können. Das plant Umweltministerin Schulze (SPD).
       
 (IMG) Bild: Die Bundesumweltministerin will Anwohnern von Atomanlagen das Klagen schwerer machen
       
       FREIBURG taz | Das Bundesumweltministerium von [1][Svenja Schulze (SPD)]
       will die Klagemöglichkeiten gegen Atomanlagen einschränken. Ein
       entsprechender Entwurf für die 17. Atomgesetz-Novelle liegt der taz vor.
       Greenpeace und BUND halten das Vorhaben für „verfassungswidrig“.
       
       Konkret geht es um die Anforderungen an die „nukleare Sicherung“. Damit ist
       der Schutz gemeint, den die Betreiber von Atomanlagen gegen „Störmaßnahmen
       oder sonstige Einwirkungen Dritter“ gewährleisten müssen. Zentrales Thema
       ist dabei die Gefahr von Terrorangriffen auf Atomanlagen. 2008 entschied
       das Bundesverwaltungsgericht, dass sich AnwohnerInnen von Zwischenlagern
       auch auf mangelhaften Schutz gegen „Störmaßnahmen“ berufen können.
       
       Im Referentenentwurf des Umweltministeriums wird die „nukleare Sicherung“
       nun aber als Vorsorge gegen Risiken „für die Allgemeinheit“ definiert.
       Greenpeace und BUND sehen darin den Versuch, den Anwohnern von
       Nuklearanlagen die „in langen Prozessen errungene und bestätigte“
       Klagebefugnis wieder zu entziehen. Dies sei „verfassungswidrig“, heißt es
       in einer gemeinsamen Stellungnahme der Verbände.
       
       Vermutlich würden die Verwaltungsgerichte diesen Rückschritt aber nicht
       mitmachen, sondern das Atomgesetz dann verfassungskonform auslegen. Sie
       würden den Anwohnern also trotz der neuen Formulierung auch weiterhin
       Klagen unter Berufung auf mangelhaften Schutz gegen Terrorangriffe
       erlauben. Davon geht wohl auch das Umweltministerium aus, denn es hat noch
       eine zweite Sicherung gegen Bürgerklagen eingebaut.
       
       ## Ministerium: Lange Praxis wird klargestellt
       
       In einem neuen Paragraf 44 soll im Atomgesetz ein „Funktionsvorbehalt“
       normiert werden. Danach sollen die Behörden abschließend über die nukleare
       Sicherung entscheiden, die Gerichte sollen dies im Kern nicht mehr
       überprüfen können. Die Verbände sehen darin einen Verstoß gegen die
       Rechtsschutzgarantie des Grundgesetzes.
       
       Das Ministerium begründet den „Funktionsvorbehalt“ mit den Besonderheiten
       der nuklearen Sicherung. Anders als bei der technischen Sicherheit der
       Anlagen gehe es nicht um wissenschaftliche Berechnungen. Bei
       terroristischen Störmaßnahmen müsse vielmehr das Handeln von Menschen
       prognostiziert werden. Hierfür seien Polizei und Verfassungsschutz
       besonders geeignet. Deshalb sei den Behörden die Auswahl der möglichen
       Bedrohungsszenarien ebenso vorzubehalten wie die Festlegung der
       erforderlichen Schutzmaßnahmen.
       
       Das Ministerium behauptet, damit werde nur die jahrzehntelange Praxis im
       Gesetz klargestellt. Tatsächlich hat die Rechtsprechung das Konzept des
       „Funktionsvorbehalts“ entwickelt. Ursprünglich sollte es dem Schutz der
       Behörden gegen Klagen der Atombetreiber dienen, doch der Vorbehalt schützte
       die Behörden dann auch gegen die Klagen der [2][AKW-Gegner].
       
       ## Gericht verlangte Schutz vor Flugzeugabsturz
       
       Allerdings ging der Funktionsvorbehalt bisher nie so weit, wie er jetzt
       normiert werden soll. So hat das Bundesverwaltungsgericht noch 2012
       festgestellt, dass zumindest die „Datenbasis“, die der Bewertung
       zugrundeliegt, gerichtlich geprüft werden kann. Das will das Ministerium
       nun ausschalten, auch um geheime Berichte zurückhalten zu können. Damit
       werde „die Verteidigung zutreffender Genehmigungsentscheidungen vor Gericht
       gesichert“, heißt es in der Begründung des Entwurfs.
       
       Die Behörden ärgerten sich, dass das Bundesverwaltungsgericht 2012 auch
       Schutz gegen einen gezielten Absturz des besonders schweren Airbus A 380
       verlangte, der damals erst eingeführt wurde. Auch forderte das Gericht, die
       technischen Fortschritte bei Panzerfäusten zu berücksichtigen. Mit diesen
       Argumenten verweigerte das Oberverwaltungsgericht Schleswig 2013 dann die
       [3][Genehmigung des Zwischenlagers beim AKW Brunsbüttel].
       
       In Deutschland werden zwar keine Atomkraftwerke mehr geplant, aber mehrere
       Zwischenlager haben noch keine Genehmigung. Auch die Rücknahme von
       deutschem Atommüll aus England und Frankreich bedarf der Genehmigung. Und
       ab 2031 soll ja auch [4][ein Endlager gebaut] werden.
       
       14 Dec 2020
       
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