# taz.de -- Alltag im Lockdown: Leistung ohne Ende
       
       > Im Lockdown besteht das Leben vor allem aus Arbeit, die schönen Dinge
       > fallen weg, schreibt unsere Autorin. Deshalb hat sie Urlaub gemacht.
       
 (IMG) Bild: Im Lockdown muss man sein Selbst nicht optimieren, man kann auch chillen wie diese Katze
       
       Während des Lockdowns habe ich Urlaub gemacht. Mein Freund [1][arbeitete im
       Homeoffice]. Ich lag daneben auf dem Sofa, in den Ferien, und fragte mich:
       Wie geht das?
       
       Normalerweise fahre ich weg, um mich zu erholen. Oder hätte mir jetzt mal
       die Museen angeschaut, in die ich im Alltag nie komme. Unter diesen
       Umständen musste ich mir etwas Neues überlegen und habe mir nur Eines
       vorgenommen: Ich bin absolut unproduktiv, ich mache nichts, was ich mal tun
       sollte, ich mache nur, worauf ich Lust habe. Produktiv sein, das war ich
       schon seit März, weil Routine is what keeps you going in Zeiten like this,
       weil mit neuen Routinen, mit neuen Fähigkeiten ist dieses Pandemiejahr
       nicht ganz verloren.
       
       Ich war gut im Corona-Produktivitätsgame. Ich habe meinen Kleiderschrank
       und die Abstellkammer neu sortiert. Ich habe Planks und Crunches gemacht
       und sehe jetzt meinen Trizeps. Ich habe sogar weiter Arabisch gelernt. Bis
       mir meine gute Laune und meine Kraft verloren gingen.
       
       Was ist das für ein Leben, [2][in dem man nur noch lohnarbeitet und
       lohnarbeitet] und an sich arbeitet und schläft. Leistung, das war schon
       vorher die Währung unserer Welt. Seit Corona gibt es nur noch Leistung,
       weil es das meiste Spaßige nicht mehr gibt, Partys zum Beispiel, Kino,
       Theater, Kneipen.
       
       ## Bei Selbstoptimierung gibt es kein Ende
       
       Ich schaue [3][ein Interview mit Pamela Reif, Fitness-Influencerin],
       [4][fast sieben Millionen Follower:innen auf Instagram]. Sie arbeite jede
       Woche sieben Tage, Wochenende mache sie nicht, sagt sie. Und das letzte Mal
       Urlaub? „Kann ich mich nicht erinnern.“ Wie man das schafft, was sie
       schafft? Disziplin, harte Arbeit, für die Sache, an sich selbst.
       
       Arbeite hart, so funktioniert das hier, damit was aus dir wird. Arbeite
       härter, damit du auch als Frau weit kommst. Arbeite noch härter, weil von
       Rassismus betroffene Menschen das müssen. Hat sich der Kapitalismus so in
       unsere Gehirne gefressen? Immer zu arbeiten, für die Sache, an uns selbst,
       damit wir – ja was eigentlich? Nicht verhungern? Uns keine Sorgen machen
       müssen? Überhaupt erst jemand sind?
       
       In einem [5][sehr langen Podcast, den ich mit der Autorin Juli Zeh höre,
       sagt sie]: Diese Idee von der totalen Selbstoptimierung hat sich erst in
       den vergangenen zwei Jahrzehnten entwickelt. Das Problem dabei: Es gibt
       kein Ende. „Es gibt nicht den Punkt, wo man zufrieden ist. Jetzt bin ich
       sportlich genug oder leistungsfähig genug. Sondern es geht immer weiter.
       Der Zielpunkt ist in Wahrheit nicht die Seligkeit, sondern das Verderben“,
       sagt Zeh.
       
       Was ich dann in meinen Ferien gemacht habe? Vor allem viel geschlafen. Am
       letzten Urlaubstag bin ich um 7.30 Uhr aufgewacht und hatte richtig Lust,
       diese Kolumne zu schreiben. Das ist wohl die Ironie daran: Wenn man nur
       Dinge tut, die Spaß machen und wenig Kraft kosten, kriegt man irgendwann
       auch wieder Lust auf die Dinge, die viel Kraft kosten. Immer zu leisten,
       macht noch nicht mal im Kapitalismus Sinn.
       
       12 Jan 2021
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Susan Djahangard
       
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