# taz.de -- Todesanzeigen in Tageszeitungen: Seitenweise Totengedenken
       
       > In vielen Tageszeitungen erscheinen derzeit mehr Todesanzeigen als
       > üblich. Hängt das mit der Übersterblichkeit durch Corona zusammen?
       
 (IMG) Bild: Särge im Andachtsraum des Krematoriums Meißen in Sachsen
       
       Deutschland, schrieben einige Journalisten im Frühjahr, fehlten [1][die
       Bilder, die Corona begreiflich machen]. Anders als in Bergamo gab es hier
       bis dato keine Militärfahrzeuge, die Särge transportierten. Anders als in
       New York gab es keine sporadisch aufgestellten Kühlhäuser, in denen Leichen
       gekühlt werden könnten. Anders als in China gab es hier keine
       menschenleeren Megacitys.
       
       Das ist jetzt, in der zweiten Welle, anders. In Meißen stapeln sich die
       Särge und bei Twitter häufen sich die [2][Selfies von erschöpftem
       Krankenhauspersonal mit Maskenabdruck im Gesicht]. Und wer derzeit durch
       Tageszeitungen blättert, der findet dort besonders viele Todesanzeigen, die
       Familien und Freunde für Gestorbene geschaltet haben. Im Internet
       fotografieren Leute ihre Tageszeitungen in [3][Chemnitz] und [4][Berlin]
       ab, mit dem Tenor: So viele Sterbeanzeigen wie heute gab es lange nicht
       mehr. Und andere, aus Hannover, Frankfurt und Nürnberg, schreiben darunter:
       Hier bei uns auch!
       
       Aber stimmt das? Gibt es wirklich wegen Corona derzeit mehr Todesanzeigen?
       Wenn, dann müsste sich das vor allem in Sachsen zeigen, wo Corona besonders
       heftig wütet, wo die [5][Krematorien nicht hinterherkommen], die Leichen zu
       verbrennen, und [6][die Friedhofsgärtner als städtische Bestatter
       einspringen müssen].
       
       „Es ist richtig“, schreibt Tobias Schniggenfittig, Geschäftsführer der
       Freien Presse in Chemnitz, auf taz-Nachfrage, „wir haben ein erhöhtes
       Aufkommen an Traueranzeigen.“ Ob das aber an Corona liegt, wisse er nicht,
       über die Gründe könne er nur spekulieren, da die meisten, die solche
       Anzeigen schalten, die Sterbeursache nicht offenlegen. In den meisten
       Anzeigen steht sie nicht drin, egal ob mit oder ohne Corona.
       
       ## Rund 40.000 Coronatote in Deutschland
       
       Rein statistisch ließe sich vermuten, dass die vielen Anzeigen auch auf
       Corona zurückgehen. Rund 40.000 Menschen sind in Deutschland bereits an
       oder mit Corona gestorben. Auch in Chemnitz, wo die Freie Presse erscheint,
       deuten die Zahlen auf eine Übersterblichkeit hin. Das Chemnitzer
       FOG-Institut für Markt- und Sozialforschung rechnet damit, dass im Jahr
       2020 in Chemnitz so viele Menschen gestorben sind wie zuletzt 1990/1991.
       Bei den Sterbefällen pro 1.000 Einwohner ergebe sich demnach ein Niveau,
       wie es letztmalig in den 1970ern der Fall war.
       
       Auch in der Sächsischen Zeitung aus Dresden erscheinen derzeit mehr
       Todesanzeigen, bestätigt Grit Bloß, Sprecherin der DDV Mediengruppe. Am
       vergangenen Samstag zum Beispiel druckte die Dresdner Lokalausgabe drei
       Seiten Todesanzeigen. Normalerweise seien es ein bis zwei. In der
       Lokalausgabe Zittau/Löbau waren es fünf Seiten statt sonst maximal drei. Um
       den Platz für die Anzeigen zu schaffen, streicht die Zeitung ihre
       Eigenanzeigen oder, seltener, im redaktionellen Teil. Aber auch Grit Bloß
       warnt davor, die vielen Todesanzeigen allein auf Corona zurückzuführen.
       „Möglicherweise spielt auch die Tatsache, dass derzeit Beerdigungen
       ebenfalls nur unter sehr strengen Auflagen stattfinden können, eine Rolle.
       Die Zeitung wird deshalb eventuell stärker genutzt, um über eine Anzeige
       einen größeren Kreis über das Ableben informieren zu können.“
       
       Der Berliner Tagesspiegel, wo derzeit ebenfalls sehr viele Todesanzeigen
       erscheinen, hat auch einen redaktionellen Umgang mit den Coronatoten
       gefunden. Auf einer [7][interaktiven Webseite] sammelt die Redaktion die
       Geschichten und Fotos der Berliner*innen, die an oder mit Corona
       gestorben sind, ähnlich, wie die [8][New York Times] und der Schweizer
       [9][Tagesanzeiger] es auch schon tun. Für jede*n Gestorbene*n ist auf der
       Webseite eine Kerzenflamme abgebildet. 1.711 Flammen waren es bei
       Redaktionsschluss dieser Seite, 440 allein in diesem Januar.
       
       15 Jan 2021
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2020-05/corona-epidemie-opfer-covid-19-infizierte-verstorbene-leid-sichtbarkeit
 (DIR) [2] https://twitter.com/drdpogson/status/1349126026148851717?s=20
 (DIR) [3] https://twitter.com/das_micm/status/1347830458755780608
 (DIR) [4] https://twitter.com/FHackenbruch/status/1348174889979674624
 (DIR) [5] https://www.zeit.de/2021/02/sachsen-corona-krise-hotspot-tote-krematorium-meissen?utm_referrer=https%3A%2F%2Fwww.google.com%2F
 (DIR) [6] https://twitter.com/JosaMania/status/1349294869542539264?s=20
 (DIR) [7] https://interaktiv.tagesspiegel.de/lab/den-toten-der-coronapandemie/
 (DIR) [8] https://www.nytimes.com/interactive/2020/obituaries/people-died-coronavirus-obituaries.html
 (DIR) [9] https://interaktiv.tagesanzeiger.ch/2020/alle-corona-todesfaelle-in-der-schweiz/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Anne Fromm
       
       ## TAGS
       
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