# taz.de -- Chinas Wirtschaft wächst weiter: Der Lockdown hat's gebracht
       
       > Die Volksrepublik verzeichnete 2020 ein deutliches Plus. Neben wachsender
       > Ungleichheit könnte aber auch Corona nochmal zum Problem werden
       
 (IMG) Bild: Die Wirtschaft in China wächs: Auch Messen können wieder statt finden
       
       PEKING taz | Chinas Wirtschaft hat 2020 deutlich zugelegt und die
       Erwartungen vieler Beobachter übertroffen. Der Leiter des nationalen
       Statistikamtes, Ning Jizhe, sagte am Montag, dass die Zahlen „in die
       Annalen der Geschichte eingehen“ würden. Während der Rest der Welt im
       Coronajahr in die Rezession abdriftete, legte die Volksrepublik im vierten
       Quartal mit einem Wachstum von 6,5 Prozent einen fulminanten Schlusssprint
       hin. Im Schnitt wuchs die Wirtschaft des Landes 2020 um 2,3 Prozent. Doch
       auch der Unterschied zwischen Arm und Reich wird größer.
       
       [1][Peking verfolgte das Credo, die Infektionszahlen zunächst auf annähernd
       null zu drücken], um dann die Wirtschaft wieder vollständig hochzufahren.
       Im Gegensatz zu anderen Staaten wie etwa Neuseeland, Südkorea oder Taiwan,
       die die Viruskrise bislang ebenfalls gut gemeistert haben, hat der riesige
       chinesische Markt allerdings den Vorteil, über eine vollständige
       Wertschöpfungskette zu verfügen. Ob Medizinausrüstung oder Computer fürs
       Homeoffice: [2][Viele Produkte, die derzeit gebraucht werden, sind made in
       China.]
       
       Nachdem die erste Viruswelle mit drastischen Lockdowns unter Kontrolle
       gebracht war, schloss der Staat seine Grenzen und führte ein strenges
       Quarantäneregime ein, um die Gefahr von importierten Virusinfektionen zu
       mindern. So konnten bereits Ende April, nach einem historischen
       Wirtschaftseinbruch im ersten Quartal von 6,8 Prozent, die Fabriken wieder
       hochgefahren werden. Viele Firmen sattelten damals auf die Produktion von
       Gesichtsmasken oder medizinischer Schutzausrüstung um, was die Wirtschaft
       anschob. Wesentlich langsamer als die Industrieproduktion wuchs der Konsum,
       der erst im Laufe des Sommers Normalniveau erreichte.
       
       Interessant ist auch ein Vergleich mit der Weltwirtschaftskrise 2008:
       Damals setzte Peking vor allem auf staatliche Infrastrukturinvestitionen,
       um die Ökonomie wieder anzukurbeln. Dieses Jahr jedoch haben Investitionen
       in Autobahnen, Brücken oder das Bahnnetz eine geringe Rolle gespielt,
       erklärt Robin Xu von der Großbank UBS in Schanghai: „Das hat wahrscheinlich
       damit zu tun, dass China im Vergleich zu den meisten anderen Ländern das
       Coronavirus unter Kontrolle gebracht hat und dadurch über eine intakte
       Wertschöpfungskette verfügt.“ Wenige Infrastrukturinvestitionen sollten
       lediglich die Beschäftigung der rund 50 Millionen Arbeitsmigranten in der
       Baubranche absichern.
       
       ## Das chinesische Neujahrsfest fällt wohl aus
       
       Im weltweiten Vergleich ist Chinas wirtschaftliche Erholung eine
       Erfolgsgeschichte: Die globale Wirtschaft wird schließlich um mehr als 4
       Prozent sinken, die der USA um rund 3,6 Prozent und die der Europäischen
       Union sogar um mehr als 7 Prozent.
       
       Dennoch sind die Wirtschaftsdaten 2020 die schwächsten seit Ende der
       Kulturrevolution vor rund 45 Jahren, zuletzt ist die zweitgrößte
       Volkswirtschaft mit rund 6 Prozent gewachsen. Vor allem aber hat sich in
       China während des Coronajahrs auch das Problem der sozialen Ungleichheit
       weiter verschärft; ein Problem, das gesellschaftlichen Sprengstoff für den
       Staat birgt. Denn im Vergleich zur Konjunktur wächst das verfügbare
       Einkommen der Bevölkerung langsamer.
       
       Zudem ist die Einkommensschere zwischen der Land- und Stadtbevölkerung
       ebenfalls leicht auseinandergegangen: Das Einkommen der Städter ist derzeit
       knapp dreimal so hoch. [3][Die größte Gefahr für die Wirtschaft liegt
       aktuell jedoch in den derzeit grassierenden Infektionsketten], die mit
       knapp 1.000 Infizierten zu den gefährlichsten seit über einem halben Jahr
       zählen – vor allem, da die Dunkelziffer der Ansteckungen wohl deutlich
       höher liegen dürfte.
       
       Die Regierung rief daher vor Kurzem die Bevölkerung dazu auf, für das
       anstehende chinesische Neujahrsfest keine Reisen zu unternehmen. Was für
       viele Familien, die sich seit Monaten oder gar Jahren nicht gesehen haben,
       eine persönliche Tragödie bedeutet, könnte sich gesamtwirtschaftlich jedoch
       möglicherweise positiv auswirken: Zum einen wird die Industrieproduktion
       durch die ausgefallenen Ferientage erhöht, zum anderen zahlen viele
       Unternehmen finanzielle Anreize an Angestellte, die auf Familienbesuche
       verzichten – was wiederum den Konsum beleben könnte.
       
       18 Jan 2021
       
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