# taz.de -- Konferenz der American Academy Berlin: Exzeptionalismus in der Krise
       
       > Was bedeutet der Machtwechsel in den USA für deren Rolle als Supermacht?
       > Darüber diskutierten Experti*innen an der Berliner American Academy.
       
 (IMG) Bild: Säulen der Demokratie: Zwei Polizisten schützen des Kapitol in Washington
       
       Zwei Normen, die für das Funktionieren der Demokratie grundlegend sind,
       haben die US-Politologen Steven Levitsky und Daniel Ziblatt in ihrem Buch
       „Wie Demokratien sterben“ genannt: „Gegenseitige Achtung und
       institutionelle Zurückhaltung.“ In den vier Amtsjahren von Donald Trump war
       nichts von dieser Kompromissbereitschaft in Washington zu spüren.
       
       Deshalb sind die USA zur Lachnummer geworden, erklärte Daniel Benjamin,
       Leiter der American Academy in Berlin, bei einer von ihr veranstalteten
       Zoom-Konferenz am Donnerstag einleitend. Ihr Thema „Niedergang einer
       Supermacht: Das Ansehen der USA in der Welt nach dem 6. Januar“.
       
       Zusammen mit Benjamin, ehemaligem Mitarbeiter im US-Außenministerium, saß
       in der Runde die Sicherheitsexpertin Michèle Flournoy – sie arbeitete in
       den Regierungen von Bill Clinton und Barack Obama im
       Verteidigungsministerium; aus Wien zugeschaltet war [1][der bulgarische
       Politologe und New-York-Times-Autor Ivan Krastev], aus New Hampshire
       meldete sich William Wohlforth, Politikwissenschaftler am Dartmouth
       College.
       
       Krastev, der in seinen Kolumnen thesenfreudig argumentiert und die
       europäische Perspektive einnahm, schickte zur Ankurbelung der Debatte drei
       Bemerkungen voraus, warum er den „Exzeptionalismus“, also den Nimbus der
       USA in ihrer Rolle als Supermacht, in der Krise sieht.
       
       Glaubwürdigkeit beschädigt 
       
       Viel zu lange hätten die Europäer, so Krastev, US-Außenpolitik für
       selbstverständlich gehalten, weshalb sie Trumps „America First“-Kehrtwende
       überrascht habe. Gefühlt seien die Europäer zwar kritisch gegenüber der
       uneingeschränkten Macht der USA eingestellt, dennoch missfalle ihnen, dass
       die USA nicht so mächtig seien, wie Europa es wünsche; gerade auch aus
       Furcht vor dem Einfluss von China und Russland. Und deshalb sei drittens
       eine erfolgreiche Regierung Biden für das Funktionieren der
       transatlantischen Beziehungen auch in Zukunft wichtig.
       
       Michèle Flournoy konstatierte in ihrer Antwort, durch Trumps Harakiri habe
       „die Glaubwürdigkeit der USA ernsthaft Schaden genommen“. Sie könne noch
       nicht sagen, ob es ein Unfall bleibe oder Symptom eines tiefgreifenden
       Wandels der Republikanischen Partei sei.
       
       Gleichwohl stimme es sie optimistisch, wie reibungslos Biden und sein Team
       die Amtsgeschäfte übernommen hätten und dass sie sofort zum
       Klima-Übereinkommen von Paris und zu anderen Verpflichtungen zurückgekehrt
       seien. Nicht zuletzt in den innen- und außenpolitischen Turbulenzen der
       1960er hätten sich die USA als lernfähig erwiesen. Viel hänge nun davon ab,
       wie schnell die Coronapandemie unter Kontrolle gebracht werden könne.
       
       Fragiler Zustand 
       
       William Wohlforth übernahm die Rolle des Advocatus Diaboli. „Wäre ich
       Europäer, hätte ich Angst vor den USA“, sagte er. Trump habe 2020 noch mehr
       Wählerstimmen erhalten als 2016. Es werde Zeit brauchen, die
       [2][gesellschaftliche Spaltung in den USA] zu überwinden. Dann erwähnte er,
       der Supermacht USA gehe es nie nur um Hard Power, um traditionelle Formen
       von Machtausübung. Als Beispiel für Soft Power nannte er den
       Bekanntheitsgrad von Black Lives Matter und deren Einfluss im Kulturleben.
       „Ihre Anliegen haben weltweite Bedeutung.“
       
       Michèle Flournoy bekräftigte, dass sich die Führungsrolle der USA verändert
       habe; die Politik des Westens beruhe heute vielmehr auf Multilateralität
       und man könne nicht zurück zu alten Arrangements. Europa müsse mehr tun.
       Krastev sprach den Mobilfunkstandard 5G an, eine Technologie, in der China
       bislang führend sei. Flournoy widersprach: China habe ökonomisch aufgeholt,
       aber sein schädlicher Umgang mit Menschenrechten werde niemals globaler
       Standard.
       
       William Wohlforth erklärte, bei der Lösung von ökonomischen Fragen helfe
       die Stärkung demokratischer Institutionen. Denn bei allem
       wirtschaftlichen Fortschritt: Die größte Angst von China sei doch seine
       eigene politische Fragilität.
       
       Viel war am Donnerstag die Rede von westlichen Werten, undenkbar ohne
       [3][die USA und ihre ideologischen Grundlagen]; Wohlforth mahnte zwar,
       Südkorea, Japan und Australien nicht dabei zu vergessen. Dabei entscheidet
       sich die Zukunft auch auf dem afrikanischen Kontinent. Von ihm wurde leider
       nicht gesprochen.
       
       29 Jan 2021
       
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