# taz.de -- Schnee auf Radwegen in Berlin: Räumen oder nicht räumen?
       
       > RadlerInnen sind sauer über Schneemassen auf ihren Wegen. Wozu gibt es
       > denn das Mobilitätsgesetz? Doch die Hintergründe sind kompliziert.
       
 (IMG) Bild: Vor dem Schnee sind alle gleich. Jedenfalls bis die Kehrmaschine kommt
       
       BERLIN taz | Kreuzberg, Mehringdamm Ecke Bergmannstraße: Vom Platz der
       Luftbrücke herunter führt einer der komfortabelsten Radwege Berlins, breit,
       vorzüglich asphaltiert und mit leichtem Gefälle. An diesem Freitagmittag
       sieht er besonders schön aus: Die Schneekruste, die sich darauf in den
       vergangenen Tagen gebildet hat, glitzert in der Sonne.
       
       Wobei – sollte ein Radweg nicht eigentlich schneefrei sein? Schön abgetaut
       wie die Fahrbahn für den Autoverkehr zur Linken oder zumindest mit der
       Kehrmaschine vom Gröbsten befreit wie der Fußgängerweg zur Rechten? Auf
       diesem Weg zu radeln kann nicht gesund sein, und offenbar macht es auch
       kaum jemand.
       
       Dabei ist dieser Freitag nicht irgendein Tag, sondern der von Aktivistinnen
       ausgerufene internationale [1][„Winter-bike-to-work-day“]. In Berlin
       allerdings eher nicht. Hier füllen sich die Sozialen Medien mit Fotos von
       Schneebergen auf Radstreifen und -wegen, gespickt mit galligen Kommentaren
       und Vorwürfen an die Verantwortlichen.
       
       Auch die Berliner Radlobby schweigt dazu natürlich nicht. „Ob Schnee oder
       Matsch: Es gibt kein schlechtes Wetter, nur schlechte Infrastruktur. Every
       Day kann #WinterBikeToWorkDay sein, wenn es gute und geräumte Radwege
       gibt!“, twittert ADFC-Sprecherin Lisa Feitsch. Und der Verein Changing
       Cities ätzt in Richtung Verkehrssenatorin: „Radfahrende bleiben auf der
       Strecke. Während Fahrspuren für Kfz zügig geräumt wurden, haben die
       Menschen, die auf Fuß- und Radwege angewiesen sind, das Nachsehen.“
       
       Changing-Cities-Sprecherin Ragnhild Sørensen, die aus Kopenhagen stammt,
       weiß, dass es auch anders geht: „In meiner Heimatstadt konnte ich jeden
       Tag, auch im Winter, Rad fahren. Die Radwege wurden zügig geräumt, und ich
       habe mir ehrlich gesagt nie darüber Gedanken gemacht.“ Erst in Berlin habe
       sie angefangen, das Radfahren im Winter als Problem zu erleben.
       
       Sie verweist auf [2][Paragraf 22 des Berliner Mobilitätsgesetzes]. In dem
       heißt es: „Die Nutzbarkeit der Vorrangnetze der Verkehrsmittel des
       Umweltverbundes hat eine besondere Bedeutung. Dieses betrifft insbesondere
       die Konzeption, Koordination und Umsetzung wirksamer Maßnahmen […] zur
       Überwachung und Freihaltung von Geh- und Radwegen […]“. Warum klappt es
       also nicht?
       
       ## Streuen nur auf der Fahrbahn
       
       Tatsächlich ist es kompliziert, wie sich im Gespräch mit der BSR
       herausstellt: Die Stadtreinigung hält sich nämlich an das Berliner
       [3][Straßenreinigungsgesetz (StrReinG)], das den Winterdienst nach Art der
       Radinfrastruktur differenziert. Radstreifen auf der Fahrbahn sind genauso
       wie die Fläche für die Autos zu räumen und zu streuen. Das gilt auch für
       „Protected Bikelanes“, wobei hier aufgrund von Pollern oft eine schmalere
       Maschine separat anrollen muss.
       
       Dagegen dürfen bauliche, also auf dem Gehweg angelegte Radwege nicht
       gestreut, sondern nur geräumt werden. Und das betrifft auch bei weitem
       nicht alle. „Mit Kehrmaschinen befahrbare ausgebaute und ausgewiesene
       Radwege sind vom Schnee zu räumen. Eine Eisglätte- und
       Schneeglättebeseitigung findet nicht statt“, heißt es in §3(9), auf den die
       BSR verweist. Sprich: Für die allermeisten Radwege Berlins, die nicht
       explizit ausgewiesen sind (blaues Fahrrad-Schild und Benutzungspflicht),
       ist die BSR gar nicht zuständig – und für Abschnitte, auf die keine
       Kehrmaschine passt, auch nicht.
       
       Oder? Im Kreuzberger Bezirksamt interpretiert man den Begriff „ausgewiesen“
       dahingehend, dass dies nicht erst durch Beschilderung geschehe, sondern
       allein dadurch, dass ein baulicher Radweg als solcher erkennbar sei. Dass
       es hakt und hapert, etwa auf dem Mehringdamm, bringt man eher damit in
       Zusammenhang, dass der Weg in dieser Form noch sehr neu ist. Und dass seit
       Jahren niemand mehr daran gedacht hat, dass es mal wieder so richtig
       schneien könnte.
       
       Ist deshalb das Winterdienst-Kapitel des Gesetzes nie angefasst worden in
       den letzten Jahren? Immerhin teilt die Senatsverkehrsverwaltung jetzt mit:
       „Wir sind mit der BSR im Gespräch, um bessere Räumungsleistungen für
       Radwege zu erreichen – kurzfristig, sofern möglich, aber auch mittel- und
       langfristig.“ Das klingt gut. Auf den nächsten Wintereinbruch in ein paar
       Jahren könnte die Fahrradstadt Berlin also schon vorbereitet sein.
       
       12 Feb 2021
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://twitter.com/hashtag/WinterBikeToWorkDay?src=hashtag_click
 (DIR) [2] https://gesetze.berlin.de/bsbe/document/jlr-MobGBEpP22
 (DIR) [3] https://gesetze.berlin.de/bsbe/document/jlr-StrReinGBEV11P3
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Claudius Prößer
       
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