# taz.de -- Tiertransporte auf dem Mittelmeer: Kälber auf tödlicher Irrfahrt
       
       > Zwei Schiffe mit über 2.500 Stück Vieh irren seit zwei Monaten übers
       > Mittelmeer. Die Tierquälerei ist Folge eines Kompetenzwirrwarrs.
       
 (IMG) Bild: Mit dem Schiff in den Tod: „Karim Allah“ im Hafen von Cartagena
       
       MADRID taz | Es ist das traurige Ende von über zwei Monaten Odyssee auf
       hoher See. 895 Kälber, die sich auf dem Transportschiff „Karim Allah“
       befinden, werden am Dienstag im spanischen Mittelmeerhafen Cartagena an
       Land gehen – und dort sofort per Injektionen getötet werden. [1][Die
       qualvolle Seereise] ist die Folge eines Kompetenzwirrwarrs, in das mehrere
       Länder verwickelt sind. Auch verantwortlich: eine Norm der Europäischen
       Union (EU).
       
       Eigentlich sollten die Tiere an die Türkei verkauft werden. Die Lieferung
       wurde dort allerdings abgelehnt. Es bestehe der Verdacht auf
       [2][Blauzungenerkrankung], lautete die Begründung – und das obwohl die
       Kälber alle gültige Gesundheitsatteste und Exportpapiere der spanischen
       Behörden hatten. Der Hintergrund des ganzen sei, so das spanische
       Landwirtschaftsministerium, dass die „türkischen Behörden das Konzept der
       Zoneneinteilung der EU ablehnen“.
       
       Überall in der EU werden im Rahmen dieser Zoneneinteilung
       Produktionsgebiete ausgewiesen. Kommt es in einem dieser Gebiete zu einem
       Seuchenfall, darf aus dieser Zone nicht mehr exportiert werden. Angeblich
       stammen einige der Tiere aus einer Nachbarregion eines Gebietes, in dem
       erst kürzlich Fälle des Blauzungenvirus bekannt wurden.
       
       Deshalb fuhr die „Karim Allah“ nach Libyen, um dort das Vieh loszuwerden.
       Doch der Ruf, verseuchte Tiere an Bord zu haben, eilte dem Schiff voraus.
       Auch die libyschen Kunden ließen das Geschäft platzen. Danach irrte das
       Schiff durchs Mittelmeer. Tunesien verweigerte Futter und Wasser. Erst auf
       Sizilien wurde das Schiff wieder versorgt. Letztendlich landete die „Karim
       Allah“ wieder im Ursprungshafen ihrer Fracht, im südostspanischen Cartagena
       an.
       
       ## EU importiert keine Lebendtiere
       
       Obwohl die Tiere aus Spanien stammen, dürfen sie aber nicht
       zurückimportiert werden. Denn die EU exportiert zwar Lebendtiere an
       Drittländer, importiert aber laut ihren Regularien keine. Ein erneuter
       Verkauf, der schließlich ebenfalls mit dem Schlachthof enden würde, ist
       offenbar nicht möglich. „Die tierärztliche Inspektion ergab, dass der
       Zustand der Kälber eine erneute Reise für den Export in ein Drittland
       unmöglich macht“, heißt es aus dem Agrarministerium.
       
       Ein zweites Schiff, die Elbeik, die ebenfalls mit 1.776 Tieren seit über
       zwei Monaten auf dem Mittelmeer umherfährt, ist derzeit von Zypern nach
       Cartagena unterwegs, wo es am 8. März ankommen soll. Die Tiere wurden im
       Dezember im katalanischen Tarragona geladen, um nach Libyen verkauft zu
       werden. Der Deal platzte ebenfalls wegen des unbestätigten Verdachts auf
       Blauzungenerkrankung. Danach fuhr das Schiff über die italienische Insel
       Lampedusa nach Ägypten, ohne dort die Fracht löschen zu können. Die Odyssee
       begann. Wahrscheinlich droht ihnen auch die Einschläferung mit der Spritze.
       
       „Wie der Gesundheitszustand der Tiere tatsächlich ist, wissen wir nicht“,
       sagt Iris Baumgärtner, Sprecherin der Animal Welfare Foundation (AWF) in
       Deutschland, die seit Jahren zum Thema Transporte von Lebendtieren
       recherchiert. Die spanischen Behörden hätten unabhängige Untersuchungen
       unterbunden. Auch sei nicht klar, wie viele Tiere auf der Irrfahrt bereits
       verstorben seien.
       
       Laut Baumgärtner kommt es [3][häufig zu Zwischenfällen bei den
       Tiertransporten]. „Immer wieder stehen LKWs voller Tiere tagelang im
       Niemandsland zum Beispiel zwischen Bulgarien und der Türkei“, weiss sie zu
       berichten. Da der von der EU eigentlich versprochene Tierschutz bei
       Lebendtransporten in Drittländer nicht gewährleistet werden könne, forderte
       AWF eine völliges Verbot dieser Exporte.
       
       ## Spanien als Drehscheibe für Lebendtierexporte
       
       Spanien ist eines der Hauptexportländer für Lebendtiere aus der EU in
       Drittländer. Dort werden nicht nur heimische Tiere verkauft. LKWs aus der
       gesamten EU bringen Kälber kurz nach ihrer Geburt zum Mästen ins
       nordostspanische Katalonien. Die Fahrt aus Deutschland dauert über 20
       Stunden.
       
       2019 verschiffte Spanien rund 147.000 Rinder und rund 750.000 Schafe in
       Länder auf der anderen Seite des Mittelmeeres. Nur 24 Prozent der
       verwendeten Schiffe fahren – laut AWF – unter „Qualitätsflaggen“. Das gilt
       weder für die in Togo gemeldete „Elbeik“ noch für die „Karim Allah“, die
       unter libanesischer Flagge fährt. Die Schiffe sind meist völlig veraltet,
       Strom und Wasserversorgung an Bord mangelhaft. Bei der „Karim Allah“
       handelt es sich um eine 1965 vom Stapel gelaufene Autofähre, die später zum
       Tiertransporter umgebaut wurde.
       
       1 Mar 2021
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Reiner Wandler
       
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