# taz.de -- Neue Hinweisstelle für Rassismus: Ein Ohr für die Opfer
       
       > Die Hinweisstelle Memo erfasst rassistische Gewalt in Hamburg. Anders als
       > die Beschwerdestelle der Polizei ist sie nicht staatlich eingebunden.
       
 (IMG) Bild: Kann rassistisch abgehen, muss aber nicht: Polizeikontrolle in Hamburg im Oktober 2020
       
       HAMBURG taz | Ob Racial Profiling, antisemitische Beleidigungen oder
       rechtsextreme Drohungen – Vorfälle rassistischer, antisemitischer und
       rechter Gewalt sollen in Hamburg durch die digitale Hinweisstelle Memo
       künftig besser erfasst werden. Durchgeführt wird das Projekt von der
       [1][Beratungsstelle Empower], die seit 2015 eine Anlaufstelle für
       Betroffene rechter Gewalt bietet.
       
       „Aus unserer Erfahrung wird ersichtlich, dass viele Fälle von
       Antisemitismus und Rassismus nicht registriert werden“, sagt Nissar Gardi,
       Ko-Leiterin von Empower. Die Polizei erfasse einige wenige Gewaltdelikte
       unter politisch motivierter Kriminalität, doch dies bilde „bei weitem nicht
       alle uns bekannten Vorfälle“ ab, so Gardi. „Betroffene befürchten, dass
       ihnen nicht geglaubt oder geholfen wird und zeigen Vorfälle daher gar nicht
       erst an“, sagt sie. Vorfälle wie rassistische Polizeikontrollen zeigten,
       dass eine solche Gewalt auch von staatlichen Institutionen ausgehen könne.
       
       Polizeiliches Fehlverhalten kann bei der [2][Beschwerdestelle der Polizei]
       gemeldet werden. Einen Ausbau dieser Stelle haben SPD und Grüne vergangenes
       Jahr beschlossen. Die Beschwerdestelle untersteht nun direkt dem
       Polizeipräsidenten, neue Stellen wurden auch an
       Sozialwissenschaftler:innen ausgeschrieben. Aktuell befinde sich
       die Dienststelle noch „im Konsolidierungsprozess“, teilte ein
       Polizeisprecher auf Anfrage mit. Man könne daher noch „keine validen
       Eingangszahlen“ benennen.
       
       Sören Schumacher, Landesinnenpolitischer Sprecher der SPD, hingegen sagt,
       dass die Arbeit der Beschwerdestelle „sehr gut angelaufen“ sei. Es seien
       auch Hinweise „aus dem Bereich der Polizei“ eingegangen. Er verspreche sich
       dadurch „mehr Möglichkeiten der Konfliktaufbereitung“, als dies unabhängige
       Polizeibeauftragte haben.
       
       „Es ist immer noch eine institutionell eingebundene Einrichtung, die aus
       einer bestimmten Perspektive filtert, ob und wie der Beschwerde
       nachgegangen wird“, sagt dagegen Gardi. Die Kommunikation mit der
       Beschwerdestelle sei für Betroffene und Einrichtungen „nicht gerade
       vertrauensstärkend und vielversprechend“. Aus diesem Grund sei es wichtig,
       zivilgesellschaftliches Monitoring zu schaffen.
       
       Auf der Online-Plattform Memo wird es möglich sein, antisemitische,
       rassistische und rechte Vorfälle zu melden – anonym oder mit der Option,
       Beratung durch Empower zu erhalten. Dies können nicht nur Betroffene,
       sondern auch Zeug:innen oder Angehörige tun. „Wir haben zusammen mit
       Vertreter:innen verschiedener Communitys einen Hinweisbogen entwickelt,
       der es uns ermöglicht, die Erfahrungen quantitativ und qualitativ zu
       erfassen“, so Gardi.
       
       Auf acht verschiedenen Sprachen werden Fragen nach dem Tatort und den
       Täter:innen sowie der Art des Vorfalls gestellt. So kann zwischen
       verschiedenen Arten von Antisemitismus und Rassismus unterschieden werden,
       zum Beispiel zwischen anti-muslimischem Rassismus oder Rassismus gegen
       Sinti*zze und Rom*nja. „Das ermöglicht einen differenzierten Blick auf
       strukturelle Probleme und rechte Ideologien“, sagt Gardi.
       
       Filiz Demirel, Bürgerschaftssprecherin für Antidiskriminierung der Grünen,
       begrüßt die Hinweisstelle, äußert jedoch auch Bedenken: „Es besteht die
       Gefahr, dass auch Fälle gesammelt werden, die am Ende nicht objektiv
       dargelegt werden können.“ Außerdem könnten solche Plattformen Zielscheibe
       für extremistische Angriffe werden.
       
       Gardi ist nicht überrascht von dieser Reaktion: „Es besteht häufig ein
       Misstrauen von staatlichen Institutionen gegen Betroffene, Communitys und
       Projekte.“ Es sei ein Teil des Problems, dass diesen eine fehlende
       Objektivität attestiert werde. „Wie objektiv sind die von der
       Mehrheitsgesellschaft geprägten Institutionen?“, fragt Gardi zurück.
       Bedrohungen von rechts zeigten, dass strukturelle Veränderung und der
       Schutz von Betroffenen weiterhin notwendig seien.
       
       Laut SPD-Sprecher Schumacher sei Memo „ausdrücklich Aufgabe der
       Beratungsstelle“ und bilde einen Teil der Strategie der SPD gegen
       Extremismus. Er verweist darauf, dass Empower durch die Stadt finanziell
       unterstützt wird. Das Projekt wird bis Ende 2024 durch das
       Bundesfamilienministerium und die Hamburger Sozialbehörde gefördert. Die
       Arbeit wird jedoch unabhängig von staatlichen Institutionen gemacht.
       Zukünftig sollen die Ergebnisse aus den Hinweisen genau dazu beitragen: zu
       einer Grundlage für politische Forderungen gegen antisemitische,
       rassistische und rechte Gewalt in Hamburg.
       
       30 Mar 2021
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://hamburg.arbeitundleben.de/empower
 (DIR) [2] /Neue-Beschwerdestelle-in-Hamburg/!5711714
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Sarah Zaheer
       
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