# taz.de -- Corona-Aufbaufonds der EU: Europa will sich schuldig machen
       
       > Die EU-Kommission ist zuversichtlich, dass der Corona-Aufbaufonds bald
       > starten kann. Er umfasst 750 Milliarden Euro. Doch noch ist vieles
       > unklar.
       
 (IMG) Bild: Auch Italien wartet auf die Geldspritzen aus Brüssel: Demonstrierende Verkäuferinnen in Neapel
       
       Die EU wird zu einem der weltweit wichtigsten Emittenten von in Euro
       gehandelten Bonds und grünen Anleihen. Dies kündigte Haushaltskommissar
       Johannes Hahn am Mittwoch in Brüssel an. Er sei zuversichtlich, dass der
       750 Milliarden Euro schwere Corona-Aufbaufonds, für den die Anleihen
       platziert werden, pünktlich starten kann, sagte Hahn – [1][trotz einer
       Klage beim Bundesverfassungsgericht].
       
       „Ich habe keinen Plan B“, sagte Hahn mit Blick auf den „Hängebeschluss“,
       den die Karlsruher Richter erlassen hatten. [2][Dieser Beschluss führt
       dazu, dass Deutschland bis auf weiteres kein grünes Licht für die
       EU-Schulden geben kann.] Neben Deutschland stehen noch neun weitere Länder
       auf der Bremse. Dies mache ihm jedoch keine Sorge, so Hahn.
       
       Er gehe fest davon aus, dass bis Ende Juni alle 27 EU-Länder den so
       genannten Eigenmittelbeschluss ratifizieren, der für den Gang an die
       Anleihemärkte nötig ist. Die Botschaft sei klar, so Hahn: „Sobald die
       Kommission rechtlich dazu in der Lage ist, Kredite aufzunehmen, sind wir
       bereit loszulegen.“
       
       Brüssel bricht damit ein Tabu. Noch vor einem Jahr wäre es undenkbar
       gewesen, dass sich die EU in großem Stil Geld leiht. Vorschläge für
       Eurobonds und Corona-Anleihen lagen zwar auf dem Tisch. Doch Deutschland
       und die „geizigen Vier“ (Holland, Österreich, Schweden und Dänemark)
       sträubten sich. Das Verschuldungsverbot im EU-Vertrag stehe dagegen,
       argumentierten sie.
       
       [3][Erst die Corona-Krise und ein deutsch-französischer Kompromiss machten
       den Weg frei, beim EU-Gipfel im Juli 2020 wurde das schulden-finanzierte
       Programm „Next Generation EU“ auf den Weg gebracht.] Da hatte die
       EU-Kommission bereits erste Erfahrungen mit der Schuldenaufnahme gemacht –
       mit dem Kurzarbeitergeld SURE, das sich als großer Erfolg erwies. Nun folgt
       der zweite, entscheidende Schritt. Insgesamt geht es um 800 Milliarden
       Euro, die die EU-Kommission bis 2026 für den Corona-Aufbaufonds aufnehmen
       will. Dies führt zu einem Kreditvolumen von rund 150 Milliarden Euro pro
       Jahr.
       
       ## Zurückzahlung unklar
       
       Etwas weniger als ein Drittel davon, nämlich 250 Milliarden Euro, soll in
       „Green Bonds“ – also grünen Anleihen – begeben werden. Damit will Brüssel
       umweltverträgliche Technologien fördern und den Umbau zu einer
       klimaneutralen Wirtschaft vorantreiben. Wie das genau funktionieren soll,
       ließ Hahn jedoch offen.
       
       Unklar ist auch, wie die EU die Anleihen zurückzahlen will. Ein fertiges
       Konzept gibt es nicht; erst Ende Juni will die EU-Kommission erste
       Vorschläge für neue Eigenmittel, also Steuern und Abgaben, vorlegen. Klar
       ist nur, dass alle Anleihen bis 2058 zurückgezahlt werden sollen – aus dem
       EU-Haushalt.
       
       Kritiker fürchten, dass dies zu massiven Kürzungen führen dürfte. Die EU
       werden den Gürtel nach der Coronakrise enger schnallen und große
       Ausgabenposten kürzen müssen, so die Sorge. Optimisten halten dagegen, dass
       Brüssel neue Einnahmen durch die Digitalsteuer oder die langdiskutierte
       Finanztransaktionssteuer erschließen werde. Diese eigenen Abgaben wären
       auch eine Premiere für Europa.
       
       ## Dauerhafte Schuldenfinanzierung
       
       Zudem fordern Frankreich und Italien, die EU dauerhaft durch Schulden zu
       finanzieren, auch Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) liebäugelt mit
       diesem Gedanken. Die aktuelle Beschlusslage lässt dies jedoch nicht zu.
       „Next Generation EU“ ist auf die Coronakrise begrenzt und soll danach
       auslaufen.
       
       Auch Eurobonds für die Eurozone sind nicht geplant. Die Kommission setzt
       vielmehr auf „EU-Bonds“ mit Laufzeiten von 3 bis 30 Jahren sowie auf
       „EU-Bills“ mit Laufzeit von unter einem Jahr. Der Tabubruch wird mit
       unverdächtigen Namen getarnt.
       
       14 Apr 2021
       
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 (DIR) Eric Bonse
       
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