# taz.de -- Senat einigt sich mit Vattenfall: „Wir haben nichts zu verschenken“
       
       > Finanzsenator Kollatz (SPD) kündigt Stromnetzkauf für 2,14 Milliarden
       > Euro an, will die Genossenschaft Bürger Energie aber nur gegen Geld
       > beteiligen
       
 (IMG) Bild: Kam schwer beladen zur Pressekonferenz: Finanzsenator Kollatz, der den Stromnetz-Kauf ankündigte
       
       BERLIN taz | Nach der Wasserversorgung ist nun auch das Stromnetz fast
       wieder in der Hand des Landes Berlin: Der Senat hat am Dienstag
       beschlossen, das Netz dem schwedischen Stromkonzern Vattenfalls als
       bisherigem Inhaber für 2,14 Milliarden Euro abzukaufen. Dieser Betrag liegt
       unter bisherigen Schätzungen. Der Kaufpreis soll nicht zulasten des
       Landeshaushalts gehen, sondern sich über die jährlichen Erträge abstottern
       lassen. Das Geschäft soll rückwirkend zum 1. Januar gelten, braucht dafür
       aber noch die Zustimmung des Abgeordnetenhauses. Stimmen aus der Opposition
       und der Wirtschaft kritisierten die Verstaatlichung.
       
       Mit dem Kauf geht ein Verfahren zu Ende, das schon 2014 entschieden sein
       sollte. Damals lief die Konzession von Vattenfall als Netzbetreiber aus,
       das Land wollte die Neuvergabe nutzen und das Netz selbst übernehmen. Wer
       das Netz betreibt, stellt gegen eine sogenannte Durchleitungsgebühr Kabel,
       Leitungen und Service, damit weit über 100 Anbieter Strom zu ihren Kunden
       liefern können. Vattenfall tat das über [1][seine Tochterfirma Stromnetz
       Berlin GmbH] mit rund 170 Mitarbeitern, die künftig alle, wenn sie wollen,
       für die landeseigene Betreiberfirma arbeiten.
       
       Die Vergabe mündete jedoch in einem Rechtsstreit, und noch im vergangenen
       Herbst sah es so aus, als ob Vattenfall daraus als Sieger hervorginge: Der
       Konzern setzte sich damals beim Kammergericht durch. Dann aber bot
       Vattenfall, trotz des Prozesserfolgs offenbar vom Rechtsstreit entnervt,
       überraschend den Verkauf an.
       
       Finanzsenator Matthias Kolatz (SPD) pries das Geschäft als bedeutsam, nicht
       bloß für Berlin und als das in dieser Art größte seit Längerem in
       Deutschland. Hoffnung auf niedrigere Strompreise machte er aber nicht –
       wobei die letztlich in der Hand der Stromanbieter liegen, der Netzbetreiber
       kann sie durch seine Gebühren lediglich beeinflussen. Die sollen sich laut
       Kollatz nicht ändern, weshalb des Senator vorhersagte: „Es ist davon
       auszugehen, dass es zu keiner Erhöhung der Strompreise kommen wird.“
       Kollatz machte dabei klar, dass niedrige Preise nicht das Ziel der Erwerbs
       seien, sondern die Kontrolle durch das Land Berlin und die Möglichkeit,
       durch Investitionen den Klimaschutz voranzubringen.
       
       ## Grüne: Bürger Energie beteiligen
       
       Die Grünen lobten den Kauf, drängten aber zugleich auf die Beteiligung von
       Genossenschaften an der künftig landeseigenen Gesellschaft. Im Blick haben
       sie dabei die „Bürger Energie Berlin“, die sich schon um den Netzbetrieb
       beworben hatte. „Wir Grüne erwarten noch in dieser Legislatur eine
       Entscheidung dazu“, forderte Fraktionschefin Silke Gebel.
       
       Vom Aufsichtsrat der Bürger Energie hieß es: „Die Glaubwürdigkeit von
       Rot-Rot-Grün wird sich gerade auch vor der Wahl zum Abgeordnetenhaus daran
       messen lassen müssen, ob und wie das [2][Beteiligungsversprechen in der
       auslaufenden Periode] noch eingelöst wird.“
       
       Kollatz kündigte entsprechende Prüfungen an, machte aber klar: „Wir haben
       nichts zu verschenken.“ Wenn eine Genossenschaft etwa ein Prozent erwerben
       wolle, „dann müssen dafür rund 21 Millionen aufgebracht werden“, was einem
       Prozent des Kaufpreises entspricht. Zudem müssten sich dann auch andere
       Genossenschaften beteiligen können.
       
       Den Landeshaushalt soll der Kauf deshalb nicht belasten, weil sich der
       Preis über die jährlichen Erträge abzahlen lassen soll, die laut Kollatz
       jeweils „einen kleinen dreistelligen Millionenbetrag ausmachen“. Kritiker
       des Geschäfts wie die CDU- und die AfD-Fraktion und die Industrie- und
       Handelskammer (IHK) überzeugte diese Argumentation nicht: Sie vermuten,
       dass es doch zu einer Belastung der Steuerzahlenden kommt – wenn nicht
       direkt, dann über höhere Gebühren, die den Strompreis steigen lassen würde.
       
       27 Apr 2021
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.stromnetz.berlin/
 (DIR) [2] /tmp/mozilla_redakteurin0/161116-koalitionsvertrag-final.pdf
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Stefan Alberti
       
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