# taz.de -- Medienkritik von Tennisspielerin Osaka: Problematische Unterstützer
       
       > Naomi Osaka kritisiert, dass Journalisten die mentale Gesundheit von
       > Sportler:innen gefährden können. Doch das hängt entscheidend vom
       > eigenen Berufsverständnis ab.
       
 (IMG) Bild: Mutig und offen: Naomi Osaka will über mentale Gesundheit sprechen
       
       Es ist diese Woche so einiges durcheinandergeraten, was sortiert werden
       sollte. [1][Der Turnierabbruch von Naomi Osaka] bei den French Open hat bei
       manch einer und einem den Eindruck hinterlassen: Journalismus gefährdet die
       psychische Gesundheit von Tennisspieler:innen, weil er in seinem kritischen
       Wesen die mentale Gesundheit der Sportler:innen angreift. Das Gegenteil
       ist allerdings richtig: Würde mehr Wert auf Journalismus gelegt werden und
       sich viele Berichterstatter:innen nicht wie enttäuschte Fans gebärden,
       wäre das ein erster Schritt, um mögliche Grenzüberschreitungen zu
       verringern.
       
       Angefangen hat alles mit dem Presseboykott der japanischen
       Weltranglistenzweiten zu Beginn des Turniers. Osaka erklärte, auf den
       Pressekonferenzen nach den Spielen höre man immer dieselben Fragen, welche
       häufig das Selbstbewusstsein der Befragten zerkleinern würden.
       
       Mit einem Boykott der Medien wollte sie ein Zeichen für mehr Achtsamkeit
       mit den Athlet:innen setzen. Die Turnierleitung reagierte mit einer
       Geldstrafe und einer Ausschlussdrohung, die Mitspieler:innen mit dem
       Vorwurf der Unprofessionalität. Journalistenrunden könnten zwar echt übel
       sein, seien aber eben auch eine Stütze des recht einträglichen Geschäfts.
       
       Die Kälte, die Osaka entgegenschlug, dürfte sie dann in ihrer Verzweiflung
       dazu bewegt haben, sich nicht mehr als Sprecherin ihrer Zunft, sondern in
       eigener Sache zu melden. Seit ihrem Durchbruch an die Weltspitze 2018 leide
       sie schon unter Depressionen, bekannte sie. Die Erwartungen an sie, nicht
       nur Höchstleistungen zu vollbringen, sondern auch als öffentliche Person
       greifbar zu sein, überforderten sie in ihrer introvertierten Art. Dieser
       Mut zur Offenheit brachte ihr wiederum zu Recht viel Bewunderung und
       Solidarität ein.
       
       ## Zu grobe Debatte
       
       Doch die von Osaka angestoßene Debatte über die problematischen Folgen
       eines gnadenlosen Leistungssportsystems, zu dem die Vertreter:innen der
       Medien gehören, wird derzeit noch zu grob und undifferenziert geführt.
       Formel-1-Weltmeister Lewis Hamilton etwa befand, man sollte junge
       Athlet:innen unterstützen und keinen Druck aufbauen. Das Problem ist,
       dass das eine ohne das andere nicht zu haben ist. Wenn Journalist:innen
       anfangen, ihre Aufgabe darin zu sehen, unterstützend für Sportler:innen
       tätig zu sein, ist es nicht weit zur Enttäuschung und zum Druck, wenn all
       diese Unterstützung nichts geholfen hat.
       
       Osaka hat [2][in ihrem Abschiedsstatement] von Paris noch einmal
       versichert, die Tennispresse sei immer freundlich zu ihr gewesen. Selbst
       wenn sie persönliche negative Erfahrungen verschweigt, dürfte sie aber am
       Beispiel von Kolleg:innen mitbekommen haben, wie diese Freundlichkeit
       schnell in Enttäuschung umschlagen kann. Diese Art von „Journalismus“, der
       auf Distanz verzichtet und beständig nach einem emotionalen Näheverhältnis
       strebt, erhöht die Verwundbarkeit von Sportler:innen.
       
       Dass diese im Wechselbad der Gefühle immer häufiger auf den Gedanken
       kommen, die Aufgabe ihrer Außendarstellung könne man doch komplett in die
       Hände verlässlicherer PR-Arbeiter geben, ist nachvollziehbar. Es braucht
       indes mehr und nicht weniger kritische Sportjournalisten, die nicht etwa
       Siege abfeiern oder eine hohe Niederlage zum Skandalon aufbauschen, sondern
       die distanzierter berichten und sich mehr mit strukturellen Problemen des
       Leistungssportsystems beschäftigen sollten. Zu diesen Problemen gehört die
       fortwährende Entmündigung der Athlet:innen. Naomi Osaka würde gern das
       Verhältnis zwischen Presse und Spielerinnen neu ausloten. Das wäre ein
       guter Anlass, professionelleren Sportjournalismus zu stärken.
       
       4 Jun 2021
       
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