# taz.de -- Japans Superstar Naomi Ōsaka: Unmenschlich menschlich
       
       > Naomi Ōsaka ist Tennisspielerin, Covergirl und Aktivistin gegen
       > Rassismus. Sie hat das olympische Feuer entzündet. Jetzt soll sie auch
       > noch Gold holen.
       
 (IMG) Bild: Naomi Ōsaka beim Entzünden des Olympischen Feuers in Tokio
       
       BERLIN taz | Es ist immer ein schönes Ratespiel, wenn die Spiele beginnen.
       Wer wird wohl das olympische Feuer entzünden? Das ist die Frage, die dann
       im Raum steht. Meist sind es die ganz großen Sportikonen eines Landes,
       denen diese Ehre zuteil wird. Muhammad Ali hat es schon getan oder 2008 in
       Peking der große chinesische Kunstturner Li Ning. Nun war es Naomi Ōsaka,
       die beste Tennisspielerin, die Japan je hervorgebracht hat, die den letzten
       Part des olympischen Fackellaufs übernommen hat. Bevor sie den ersten Ball
       geschlagen hat, ist Naomi Ōsaka bereits das Gesicht dieser olympischen
       Spiele. Es ist ein ernstes, ein strahlendes und manchmal ein trauriges
       Gesicht.
       
       Die Nummer zwei der Weltrangliste, die zweifache US-Open-Gewinnerin ist
       omnipräsent zu Beginn dieser Spiele. Rechtzeitig vor ihrem ersten Aufschlag
       präsentiert Netflix eine dreiteilige Dokuserie über die 23-Jährige. Vor ein
       paar Tagen war sie auf dem Cover der japanischen Ausgabe der Vogue, die
       Hongkonger Vogue hat sie in der vergangenen Woche auf dem Titel
       präsentiert.
       
       Jetzt hat die kultige Bademodenausgabe des US-Magazins Sports Illustrated
       [1][mit Ōsaka aufgemacht]. Und im Time Magazin [2][schaut sie vom Titel und
       sagt: „Es ist okay, nicht okay zu sein.“] Sie berichtet darin über ihre
       Angstzustände, über Depressionen und wie schwer es doch ist, sich als
       Spitzensportlerin die nötigen Pausen zu verschaffen, um den mentalen
       Speicher wieder neu zu laden. Naomi Ōsaka sucht die Öffentlichkeit und
       versucht sie auch von sich fernzuhalten.
       
       [3][Anfang Juni ist sie von den French Open in Paris abgereist] und hatte
       ihre psychischen Probleme publik gemacht. Vorausgegangen war dem eine
       Auseinandersetzung über die von den Veranstaltern vorgeschriebene Teilnahme
       der Athletinnen an Pressekonferenzen nach ihren Spielen. Ōsaka wollte sich
       den Fragen der Medienschaffenden nicht mehr aussetzen, blieb nach ihrem
       Erstrundensieg [4][einer Pressekonferenz fern] und reiste ab, nachdem man
       sie dafür mit einer Geldstrafe belegt hatte.
       
       ## Emotionale Fragerunden
       
       In der Netflix-Doku ist zu sehen, wie solche Pressekonferenzen ablaufen. Es
       sind vor allem Fragen nach dem emotionalen Zustand, die da gezeigt werden.
       Wie es sich anfühle zu gewinnen oder zu verlieren, wird da gefragt. Zu viel
       für Ōsaka, die sich längst als Aktivistin für psychische Gesundheit im
       Spitzensport versteht.
       
       Es ist nicht ihre einzige Rolle, die sie einnimmt. In Japan wird sie
       verehrt, weil sie die erste japanische Sportlerin ist, die sich an die
       Spitze der Tennisweltrangliste gespielt hat. Danach ist sie zur
       bestbezahlten Sportlerin aller Zeiten aufgestiegen. 2020 soll sie 37
       Millionen US-Dollar verdient haben.
       
       Als sie drei Jahre alt war, haben ihre Eltern Japan Richtung USA verlassen,
       auch weil sich ihr Vater, der aus Haiti stammt, in der japanischen
       Gesellschaft nie so richtig akzeptiert gefühlt hat, wie er in der
       Netflix-Doku sagt. So ist Naomi Ōsaka auch zu einer Botschafterin für eine
       offene Gesellschaft in Japan geworden.
       
       Als Kämpferin gegen den Rassismus ist sie seit der brutalen Ermordung
       George Floyds durch einen Polizisten aktiv. In den sieben Runden der US
       Open 2020 trug sie sieben verschieden Gesichtsmasken, auf denen sie jeweils
       an ein Opfer von Polizeigewalt in den USA erinnerte. Dass sie für etliche
       Japaner nicht japanisch genug ist und für Schwarze Aktivistinnen in den USA
       nicht amerikanisch genug, mag sie gar nicht einsehen.
       
       Und so ist aus der jungen Tennisspielerin, die 2019 zum ersten Mal und
       völlig überraschend die US Open in New York gewonnen hat, die größte
       Sportlerin der Gegenwart geworden. Sie ist reich, wird von Modelabels als
       Schönheit inszeniert, präsentiert sich mit der japanischen und der
       haitianischen Flagge ebenso wie vor Stars and Stripes als wahre
       Weltbürgerin und steht mit ihrer Biografie und ihrem politischen Engagement
       wie kaum eine andere Solosportlerin für den Kampf gegen Rassismus. Dass sie
       dabei Wert darauf legt, in all ihrer Verletzlichkeit als menschlich
       wahrgenommen zu werden, auch das gehört zu ihr. So menschlich, dass es
       beinahe schon unmenschlich ist.
       
       Tennis spielen soll Ōsaka schließlich auch noch. Ihre Erstrundengegnerin
       ist am Samstag (4 Uhr MESZ) die Chinesin Zheng Saisai.
       
       23 Jul 2021
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://swimsuit.si.com/swimlife/meet-your-cover-models-2021-mts-naomi-leyna
 (DIR) [2] https://time.com/6077128/naomi-osaka-essay-tokyo-olympics/
 (DIR) [3] /Rueckzug-von-Osaka-von-French-Open/!5771720
 (DIR) [4] /Medienkritik-von-Tennisspielerin-Osaka/!5772872
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Andreas Rüttenauer
       
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