# taz.de -- Dauerstreit in der AfD Niedersachsen: Spaltung nach Art des Hauses
       
       > In Niedersachsen könnte die AfD nicht zur Bundestagswahl zugelassen
       > werden, weil nicht korrekt zum Parteitag eingeladen wurde.
       
 (IMG) Bild: Zwei Lager, zwei Fragen – und trotzdem noch zu kompliziert für die AfD
       
       HAMBURG taz | Das Signal der Landeswahlleiterin Ulrike Sachs ist eine
       Warnung. Der Landeswahlausschuss könnte die Rechtmäßigkeit der
       niedersächsischen AfD-Kandidatur zur Bundestagswahl im September dieses
       Jahres anzweifeln, teilte sie der Partei jüngst mit. Die Einladung zum
       Landesparteitag im Dezember 2020, wo die Aufstellung erfolgte, soll nicht
       an alle Mitglieder gegangen sein. Ein Fehler, der nun die Kandidatur
       gefährdet.
       
       Ein parteiinterner Rechtsexperte hat dem Landesverband um den Vorsitzenden
       Jens Kestner auch schon empfohlen, die Landesliste neu aufstellen zu
       lassen. Der Streit um diese Liste ist aufs Neue ein [1][Streit der beiden
       Lager im Landesverband]. Seit Gründung der AfD Niedersachsen gelang es
       bisher keinem früheren Landesparteivorsitzenden, weder Armin Paul Hampel
       noch Dana Guth, die internen Streitereien auszutarieren.
       
       In Braunschweig konnte sich im Dezember in der Millennium-Halle auf dem
       [2][Landesparteitag] als Bundestagsspitzenkandidat der [3][ehemalige
       Generalleutnant der Bundeswehr Joachim Wundrak] gegen den früheren
       ARD-Journalisten Armin Paul Hampel durchsetzen. Mit 283 zu 229 Stimmen. Nur
       lässt sich ein Hampel so schnell nicht abwählen. Immerhin hatte er um
       diesen Posten erbittert gekämpft.
       
       Dabei ging es nie allein um Macht und Mandate. Hampel, der den
       Landesvorsitzenden und Bundestagsabgeordneten Kestner unterstützt, steht
       dem immer radikaler werdenden Lager um den Thüringischen
       Landtagsfraktionsvorsitzeden Björn Höcke nahe – wie Kestner. Wundrak indes
       ist dem vermeintlich moderateren Lager um den Bundesvorsitzenden Jörg
       Meuthen zuzuordnen.
       
       ## Angeblich inszenierte Formfehler
       
       Schon nach der Nominierung von Wundrak wurde hinter den Parteikulissen
       angezweifelt, ob die etwa 2.400 stimmberechtigten Mitglieder fristgerecht
       eingeladen worden seien. Es wurde aber auch angedeutet, dass die Formfehler
       inszeniert seien, um bei einer Neuwahl die Kräfteverhältnisse umzukehren.
       
       Im Nachgang zur Nominierung hatte die AfD selbst die Landeswahlleitung um
       eine Prüfung der Gültigkeit gebeten. Denn 24 Mitglieder sollen keine
       Einladung erhalten haben. Im März teilte Sachs dem Landesverband bereits
       mit, es könne nicht sicher zugesagt werden, dass die Zulassung zur
       Bundestagswahl erfolgen würde.
       
       Dreizehn Kreisverbände der AfD beantragten einen außerordentlichen
       Landesparteitag. Dabei ging es nicht nur um Neuwahlen für die
       Bundestagskandidatur. Die Verbände störten sich zudem an dem gewählten
       Landesvorstand.
       
       Binnen weniger Wochen war der Unmut gegenüber Kestner gewachsen. Am 15. Mai
       sollte in der Millennium-Halle in Braunschweig eine Klärung erfolgen:
       ordnungs- und fristgerecht. Vor Ort bemängelte der
       AfD-Bundestagsabgeordnete Dirk Brandes, dass der Landesvorsitzende mehr
       spalte als zusammenführe, der Bundestagsabgeordnete Hampel schwärmte indes
       von dem Landesvorsitzenden.
       
       Beide Lager hatte wegen der Wahlen ihre Anhänger:innen stark
       mobilisieren können. Zu stark: Es waren mehr Mitglieder angereist, als
       wegen den Pandemie-Auflagen in die Halle durften. Nach einer halben Stunde
       entschied die AfD, dass alle Journalist:innen die Räumlichkeiten
       verlassen mussten, um Platz zu machen.
       
       Noch eine halbe Stunde später wurde der Parteitag ganz abgebrochen, ohne
       Ergebnis, ohne Entscheidung. Diese Panne dürfte dem amtierenden
       Landesvorstand angerechnet werden, der mit Getreuen von Kestner besetzt
       ist.
       
       Der gescheiterte Landesparteitag könnte so auch die möglichen Bemühungen
       von Hampel und Kestner, doch wieder für den Bundestag aufgestellt zu
       werden, beeinflussen. Auf dem Parteitag hatte AfD-Bundessprecher Tino
       Chrupalla die anwesenden Mitglieder noch ermahnt: „Schließt die Debatten um
       Personal endlich ab und seid euch eurer Vorbildwirkung bewusst.“ Chrupalla,
       der mit Alice Weidel die Bundestagsspitzenkandidatur innehat, steht jedoch
       selbst dem Höcke-Lager näher als dem Meuthen-Lager.
       
       Der langjährige Disput hat in Niedersachsen die AfD im Landtag den
       Fraktionsstatuts gekostet. Nach ihrer Abwahl als Landesvorsitzende verließ
       Dana Guth die Fraktion im September 2020 zusammen mit zwei Gleichgesinnten,
       woraufhin die Mandatsanzahl für den Fraktionsstatus nicht mehr ausreichte.
       
       Der Riss der [4][niedersächsischen AfD] wirkt sich aber auch bis in die
       Bundestagsfraktion aus. Die Abgeordneten aus dem Bundesland sollen sich
       kaum austauschen, nicht zusammenarbeiten. Bis zum 19. Juli muss die AfD
       ihre Kandidatur endgültig der Landeswahlleitung vorlegen.
       
       9 Jun 2021
       
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