# taz.de -- Ende Gelände und der Verfassungsschutz: Willkürliche Einschätzung
       
       > Ende Gelände landete wiederholt im Bericht des Berliner
       > Verfassungsschutzes – ein weiterer Beleg für die problematische Arbeit
       > der Berliner Behörde.
       
 (IMG) Bild: Ende Gelände Seite an Seite mit Friday for Future bei einem Protest vor der SPD-Bundeszentrale
       
       BERLIN taz | Ende Gelände, das war bislang stets verbunden mit den
       Kohlerevieren im Rheinland oder der Lausitz. Die seit 2015 in Berlin
       bestehende Ortsgruppe sorgte dafür, dass sich aus der Stadt regelmäßig
       hunderte Aktivist*innen zu den mehrtägigen Aktionen auf den Weg
       machten, im vergangenen Jahr auch zu den Protesten gegen die A49 im
       hessischen Dannenröder Forst.
       
       Zu sehen bekam man die Klimaschützer*innen von und um Ende Gelände in
       Berlin nur selten: etwa bei öffentlichen Aktionstrainings wie im Dezember
       2019 in der Hasenheide, wo fast 1.000 Aktivist*innen das „Durchfließen“
       von Polizeiketten probten, oder ab und an auf Demos. Ähnliches lässt sich
       über Sand im Getriebe sagen, dem Schwesterbündnis von Ende Gelände, das
       sich auf das Thema Verkehr fokussiert und sich anlässlich der
       Internationalen Automesse 2019 in Frankfurt am Main gegründet hat.
       
       Die Berliner Ortsgruppe, noch kein Jahr alt, ist bislang eher durch
       kleinere Aktionen wie nächtlich [1][selbst eingerichtete Pop-up-Radwege]
       aufgefallen. Mit der für Samstag angekündigten Blockade der A100-Baustelle
       wird Sand im Getriebe Berlin – in Verbindung mit Ende Gelände, deren
       Markenzeichen der weißen Maleranzüge man ebenso übernimmt – erstmals in
       größerem Rahmen aktiv.
       
       Angesichts dieses geringen Aktionsgrades von Ende Gelände in Berlin
       erstaunte es, dass der Berliner Verfassungsschutz (VS) die Gruppierung im
       vergangenen Mai [2][erstmals in seinem Jahresbericht erwähnte]. Vor wenigen
       Wochen folgte die Fortsetzung. Auch im Bericht für 2020 heißt es: „Der
       Zusammenschluss stellt sich nach außen als Klimaschutz-Akteur dar. Dabei
       wird verschleiert, dass die tatsächlichen Ziele darüber hinaus reichen.“
       Zur Erklärung heißt es: „Sie nutzen den Protest und das sich in diesem
       Rahmen manifestierende Unzufriedenheitspotenzial, um die Situation verbal
       zu einer ‚Systemkrise‘ zuzuspitzen.“
       
       Entscheidend für den VS dabei: Die enge Verknüpfung von Ende Gelände mit
       dem linksradikalen Bündnis Interventionistische Linke (IL), einer
       landesweiten Vernetzung postautonomer Gruppen. Im VS-Bericht heißt es,
       bezugnehmend auf eine IL-Broschüre, die sich der Organisierung der
       Klimaproteste widmet: „Die linksextremistische IL bezeichnet sich als
       maßgeblicher Bestandteil von EG Berlin.“
       
       Tatsächlich ist in der erwähnten Broschüre an keiner Stelle die Rede von
       der Berliner Ende Gelände-Gruppe. In Anbetracht dessen, dass es dem
       Berliner VS-Chef Michael Fischer bei der Vorstellung des Berichts im
       Innenausschuss des Abgeordnetenhauses vergangene Woche wichtig war, seine
       Ausführungen „ausdrücklich auf die Berliner Ortsgruppe und nicht auf das
       gesamte Netzwerk“ zu beziehen, ist das eine grobe Schlamperei.
       
       Gleichwohl ist der Eindruck, dass es sich bei Ende Gelände, zumindest
       ursprünglich, um ein Projekt der IL und deren Klima-AG handelt, nicht ganz
       von der Hand zu weisen. Dafür spricht auch die Broschüre, die Grundlagen
       für Gruppengründungen verhandelt und die Anti-Kohle-Aktionen durchaus als
       eigenen Erfolg verbucht.
       
       Der VS und sein Leiter Fischer gehen über die reine Verbindung hinaus.
       „Sabotageaktionen gehören zum Handlungsrepertoire“ und „das Gewaltmonopol
       des Staates wird infrage gestellt“, so die Vorwürfe an Ende Gelände
       respektive die IL. Die Fokussierung des VS auf die IL als einen der
       wahrnehmbarsten linksradikalen Akteure ist aus Schlapphutsicht
       verständlich, aber genauso gut zu kritisieren. Allein die
       antikapitalistische Ausrichtung ist kein Beleg für staatsfeindliche
       Tendenzen. Genauso wenig stehen Aktionen des zivilen Ungehorsams, wie sie
       die IL propagiert, außerhalb der freiheitlich-demokratischen Grundordnung.
       
       Dass ausgerechnet Ende Gelände für die IL in Mitverantwortung genommen
       wird, scheint fast willkürlich. Schließlich mischen die IL-Aktivist*innen
       in den meisten größeren sozialen Bewegungen oft prägend mit: von
       Mieter*innenkämpfen etwa bei Deutsche Wohnen & CO enteignen über die
       Flüchtlingsproteste der Seebrücke bis hin zum Unteilbar-Bündnis. Die
       Einstufung von Ende Gelände als verfassungsfeindlich stößt daher auf
       scharfe Kritik.
       
       Der Linken-Innenpolitiker Niklas Schrader reagierte im Ausschuss auf die
       Erläuterungen Fischers: „Ich verstehe nicht, warum es nicht ins Konzept des
       VS passt, dass es Menschen gibt, die aus linker, antikapitalistischer
       Haltung heraus Klimapolitik machen.“ Es sei nur logisch, dass eine
       „wachsende Bewegung“ Klimafragen „in Verbindung mit unserer
       Wirtschaftsweise bringt“. Dies spreche nicht für eine Ablehnung der
       Demokratie. Auch seien die Belege für die Befürwortung von Gewalt „dünn“,
       so Schrader.
       
       Ende Gelände selbst geht mit der Einstufung des VS offensiv um. In einem
       Video antwortete eine Sprecherin auf den Vorwurf, ihnen gehe es nicht um
       Klimapolitik, sondern um die Abschaffung des Systems mit der Klarstellung:
       „Ja, wir wollen den Kapitalismus beenden. Natürlich wollen wir ein System
       beenden, das auf Ausbeutung, auf Klimazerstörung und Diskriminierung
       beruht.“ Eigentlich ein schönes Zitat für den VS-Bericht im nächsten Jahr.
       
       5 Jun 2021
       
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