# taz.de -- Die Wahrheit: Eine Leiche auf Wanderschaft > Am vorigen Mittwoch wurde wieder der Bloomsday begangen. Im nächsten Jahr > wollen einige Dubliner Stadträte James Joyce heim auf die Insel holen. (IMG) Bild: Kohls Haus in Oggersheim Eigentlich liegt er dort ganz gut: Nach seinem Tod im Jahr 1941 wurde James Joyce auf dem Fluntern-Friedhof in Zürich beerdigt. Es ist ein schönes Grab mit einer Skulptur und einem von Ginster eingefassten Grabstein. Es gibt keinen vernünftigen Grund, Joyce wieder auszubuddeln. Genau das schwebt aber ein paar Dubliner Stadträten vor. Der Dichter soll 2022, hundert Jahre nach dem Erscheinen seines Jahrhundertromans „Ulysses“, nach Hause kommen. Dabei hat Irland jedes Recht auf Joyce verwirkt. Joseph P. Walshe, der damalige Staatssekretär im Auswärtigen Amt, fragte den irischen Chefdiplomaten Frank Cremins in Bern nach Joyce’ Tod: „Ist er als Katholik gestorben?“ Vorsichtshalber verbot er ihm, an der Beerdigung teilzunehmen. Joyce’ Witwe Nora Barnacle wollte den Leichnam trotzdem nach Dublin überführen lassen, aber die irische Regierung untersagte das wegen „der Feindseligkeiten der katholischen Geistlichen und Politiker gegenüber Joyce“. Es war eben dieser katholische Mief, der Joyce und viele andere aus dem Land getrieben hatte. Als der 1939 verstorbene William Butler Yeats, Irlands erster Literaturnobelpreisträger, 1948 in Frankreich ausgegraben und im westirischen Drumcliffe beerdigt wurde, versuchte es Barnacle erneut, zumal inzwischen eine neue Regierung mit Außenminister Seán MacBride, dem Friedensnobelpreisträger und Gründer von Amnesty International, im Amt war. Der hatte sich für die Yeats-Rückholaktion eingesetzt. Im Fall von Joyce schrieb er hingegen an den Papst und bat ihn darum, für ihn zu beten, damit „Gott mir die Weisheit gibt, die nötig ist, um meine neuen Aufgaben gut und getreulich zu erfüllen“. Gott riet ihm offenbar, Joyce die Einreise zu verweigern. Vermutlich lag das aber eher daran, dass Joyce zu Lebzeiten MacBrides Eltern – die Freiheitskämpferin Maud Gonne und ihren Mann John MacBride, der wegen seiner Teilnahme am Osteraufstand 1916 hingerichtet worden war – als „Jungfrau von Orléans und Papst Pius X.“ verspottet hatte. Was Joyce von seiner Heimat hielt, zeigt die Tatsache, dass er als Brite gestorben ist. Als er Irland 1904 verließ, war Irland eine britische Kolonie. Als das Land 1922 zum Freistaat geworden war, bemühte sich Joyce nicht um einen irischen Pass. Das ficht die irische Tourismusindustrie freilich nicht an. Man hat eine Joyce-Statue in der Innenstadt aufgestellt, am Flughafen hängen Zitate von Schriftstellern, die man vertrieben hat, und der Bloomsday, den man vorigen Mittwoch wegen der Pandemie virtuell begangen hat, dauert inzwischen eine Woche. Es ist allemal besser, dass [1][James Joyce] in Zürich bleibt. Schließlich liegen seine Frau, sein Sohn und seine Schwiegertochter im selben Grab. Da könnte es leicht zur Verwechslung der Knochen kommen, wie es bei Yeats geschehen ist, weil er neben drei Franzosen beerdigt worden war und die Skelette im Lauf der Zeit durcheinandergekommen waren. 21 Jun 2021 ## LINKS (DIR) [1] /Wolfgang-Welt-neu-aufgelegt/!5740838 ## AUTOREN (DIR) Ralf Sotscheck ## TAGS (DIR) Kolumne Die Wahrheit (DIR) James Joyce (DIR) Irland (DIR) Zürich (DIR) Kolumne Die Wahrheit (DIR) Kolumne Die Wahrheit (DIR) Kolumne Die Wahrheit (DIR) Kolumne Die Wahrheit (DIR) Kolumne Die Wahrheit (DIR) Kolumne Die Wahrheit (DIR) Kolumne Die Wahrheit ## ARTIKEL ZUM THEMA (DIR) Die Wahrheit: Das weiße Pferd & der Rolls-Royce Nordirland leert sich an diesem Tag traditionell – zumindest zur Hälfte. Die katholische Bevölkerung nämlich sieht zu, dass sie Land gewinnt. (DIR) Die Wahrheit: Parfümiert beim Vertrauensarzt Altwerden hat seine Vorteile: Man darf allerlei lustige Untersuchungen an sich vornehmen lassen und lernt seltsame Vokabeln. (DIR) Die Wahrheit: In Irland gilt der 29. Impfplan Seltsame Corona-Maßnahmen gibt es nicht nur hierzulande. Auch in Irland blüht der ganze bürokratische Wahnsinn, nicht erst seit Delta. (DIR) Die Wahrheit: Zu Besuch bei Maike Kohl Oggersheim ist nicht Beverly Hills. Das ist trotz des weltberühmtesten Bunkerbungalows der Welt schon klar gewesen. (DIR) Die Wahrheit: Jungfrau mit Tomatensaft Größter Exportschlager der Iren ist natürlich – der Irish Pub. Selbst in Abu Dhabi soll es einen geben. Wie in Dublin allerdings ohne Alkohol. (DIR) Die Wahrheit: Die Schaukel des Verderbens Korruption unter Politikern ist auf der Grünen Insel gang und gäbe, nimmt aber manchmal seltsame und tückische Wege. (DIR) Die Wahrheit: Billiger Gin für Queen Mum Wer hat den Duty-Free-Shop erfunden, die Oase in der Wüste des Charter-Tourismus? Eins sei verraten: Die Schweizer waren es nicht.