# taz.de -- Die Wahrheit: Zu Besuch bei Maike Kohl
       
       > Oggersheim ist nicht Beverly Hills. Das ist trotz des weltberühmtesten
       > Bunkerbungalows der Welt schon klar gewesen.
       
 (IMG) Bild: Kohls Haus in Oggersheim
       
       Neulich machte sich eine Kraftradgruppe namens „Frohsinn“ bei
       höchstsommerlichen Temperaturen auf, um im südwestdeutschen Raum nach
       Weihestätten der Demokratie zu suchen. Dabei begegneten die Männer
       unversehens der – vielleicht! – traurigsten Frau des Landes. Und das,
       obwohl mit einer Witwensichtung nicht zu rechnen war.
       
       Die Idee war, in einem legendären Vorort des legendären Ludwigshafen dem
       noch legendäreren Bungalow des allerlegendärsten Einheitskanzlers einen
       Besuch abzustatten. Oggersheim ist als Ort so trist, wie man ihn sich schon
       immer vorgestellt hat. Hier steht Mausoleum neben Mausoleum und
       Mehrfamilienmausoleum, weil wir hier nicht in Beverly Hills sind. Sondern
       in der Pfalz. Menschenleer die Bürgersteige, heruntergelassen die
       Jalousien, schmackhaft die Saumägen.
       
       Wir stellten die Mopeds ab, schauten uns um und schwitzten. Dem Bungalow
       näherten wir uns nicht von seiner aus Funk, Fernseh und Weltgeschichte
       bekannten Schauseite an der Marbacher Straße, sondern über den
       weltunbekannten Weg dahinter.
       
       Man macht sich ja keine Vorstellung, deshalb will ich kurz einen Eindruck
       vermitteln. Auf den Saumgartenweg also fällt der Schatten der rückwärtigen
       Mauer des Kohl’schen Anwesens. Das Ding ragt geschätzte fünf Meter in die
       Höhe. Hier und da ist das Monstrum im Westjordanland-Style aufgelockert
       durch vermutlich kugelsichere Glasscheiben, beklebt mit
       Raubvogelsilhouetten, damit auch ja nichts Gefiedertes zu Schaden kommt.
       
       ## Allzu schlicht
       
       Schwitzend und knipsend überquerten wir die benachbarte Straße. Wir wirkten
       wie Zombies in Oggersheim. Seltsam, dass niemand die Polizei gerufen hat.
       Die kleine Polizeiwache neben dem Haus war verwaist. Der Bungalow wirkte
       wie das Bundeskanzleramt in Berlin, nur nicht ganz so einladend, eher
       muffiger, piefiger, pfälzischer eben. Maike Richter-Kohl wollte das
       komplette Ensemble unter Denkmalschutz stellen lassen. Wegen der allzu
       „schlichten architektonischen Gestaltung“ hat das Amt abgelehnt. Ein
       weiterer Rückschlag für die Veuve Clicquot der Union.
       
       Wie geht es der eigentlich? Wie kann man in einer solchen Festung leben?
       Alleine, ohne ihn? Umgeben nur vom Dunst von 25 Jahren CDU-Parteivorsitz,
       den Gespenstern von 16 Jahren Kanzlerschaft, dem Geist von Hannelore? Auf
       dem Tisch ein Weinfleck, den Mitterrand hinterlassen hat? Lippenstiftreste
       am Weinglas, noch von Thatcher? Kommt manchmal eine Freundin mit Eierlikör
       vorbei?
       
       Vorbei kommt, als wir gerade das bescheidene Klingelschild („H. Kohl“)
       fotografieren, ein silberner SUV. Aus steigt, unverkennbar, die Maike.
       Würdigt die schwitzenden Zombies keines Blickes und verschwindet im
       vollklimatisierten Haus. Keine Pointe. Aber auf eine Apfelsaftschorle hätte
       sie uns schon einladen können, finde ich.
       
       25 Jun 2021
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Arno Frank
       
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