# taz.de -- Wald von Rodung bedroht: Nach dem Hambi nun der Kasti
       
       > Nahe München wächst der Protest gegen Rodungen für den Kiesabbau. Die
       > Bevölkerung bringt den Aktivisten Moskitonetze und Linsensuppe.
       
 (IMG) Bild: Freizeit im Forst Kasten: Es wird jongliert
       
       FORST KASTEN taz | Nach 20 Minuten Fußweg durch den Wald erreicht man die
       Transparente, auf denen „Jeder Baum zählt“ oder „Kies ist mies“ steht. Ein
       paar Meter weiter ist das Lager der Aktivisten – rechts ein Schlafzelt,
       links Tisch und Stühle für den Tag. Bärchen und Leo, so nennen sich die
       beiden jungen Menschen, sind noch ziemlich durchnässt von der Nacht, als es
       wie aus Kübeln gegossen hat. Sie haben hier ein ständiges Lager errichtet,
       eine „Mahnwache“ gegen die geplante Rodung dieses Teil des Waldes im Forst
       Kasten südwestlich von München.
       
       Hier soll Kies abgebaut werden, und das im großen Stil: 42 Hektar Wald
       sollen fallen, etwa 59 Fußballfelder, wie die Initiative [1][„Rettet den
       Würmtaler Wald“] ausgerechnet hat. Schon lange protestieren sie gegen das,
       was sie als Raubbau ansehen. Knapp 15.000 Unterschriften haben sie
       Landesforstministerin Michaela Kaniber (CSU) übergeben.
       
       Nun sind die Leute von der Mahnwache hinzugekommen mit ihren Baumhäusern,
       die immer wieder aufgebaut werden. Seit Ende Mai besteht das Camp – „ich
       hänge hier fast seit dem Beginn“, erzählt Bärchen, 20 Jahre alt, die gerade
       ihr Abitur gemacht hat. Sie war auch im Hambacher Forst, um gegen den dort
       geplanten Kohleabbau zu protestieren.
       
       ## Ein Ort der Erholung
       
       Nach „[2][Hambi]“ nun „Kasti“, wie das Waldstück immer häufiger bezeichnet
       wird. Forst Kasten gehört zum großen Forstenrieder Park, das geplante
       Gebiet für den Kiesabbau liegt zwischen den Umland-Gemeinden Neuried und
       Planegg. Die Gegend im Würmtal gilt als wohlhabend, die Grünen feiern hier
       große Erfolge.
       
       Für viele ist der Forst im Münchner Grüngürtel ein Ort der Erholung, der
       auch für gutes Stadtklima sorgt. Bis zu zehn Aktivisten sind immer an der
       Mahnwache, sagt der 21-jährige Leo. Insgesamt zählen 35 Personen zum festen
       Kreis der Forstfreunde, die von 350 weiteren hauptsächlich logistisch
       unterstützt werden. Um Essen und Trinken müssen sie sich kaum kümmern, das
       bringen die Bürger aus Neuried und Planegg vorbei. Wie auch Moskitonetze.
       
       Wie jeden Tag kommt auch an diesem Vormittag der Lieferant mit den
       Butterbrezn angeradelt. Es ist Michael Samay, Musiker und Musiklehrer aus
       Neuried. Bärchen hat ihre Klarinette bei ihm daheim abgestellt. „Sie spielt
       wunderbar“, weiß Samay. „Bei der nächsten Baumbesetzung“, so sein Plan,
       „stellen wir uns rauf und jammen Mozart.“
       
       ## Nur ÖDP und Linke gegen Rodung
       
       Warum der Forst überhaupt abgeholzt werden darf, ist hier niemand so
       richtig begreiflich. Der „Stiftungswald“ gehört der
       [3][Heiliggeistspital-Stiftung], die damit ein Pflegeheim finanziert. Für
       die Stiftung wiederum ist der grün-rot dominierte Münchner Stadtrat
       zuständig. Dieser ist angeblich verpflichtet, für die Abholzung zu stimmen
       – auch wenn die Volksvertreter anderer Meinung sind. Ansonsten würden sie
       angeblich persönliche Schadenersatzklagen erwarten. Einzig die Stadträte
       von ÖDP und Linken ließen sich nicht schrecken – und votierten gegen die
       Rodung.
       
       Abholzung für Kies in Zeiten des Klimawandels? Massive Eingriffe in den
       Münchner Grüngürtel? Und ein Stadtrat, der nicht frei abstimmen darf? Das
       finden die Leute immer empörender. Und so erfahren die Aktivisten, wie
       Bärchen sagt, „eine Welle der Solidarität, die ich so noch nie erlebt
       habe“.
       
       Das Landratsamt genehmigte die Mahnwache, aber keine Baumhäuser. Wird eines
       errichtet, holen frühmorgens um fünf Uhr Einsatzkräfte samt
       Sondereinsatzkommando (SEK) die Aktivisten wieder runter. Auch sonst werden
       sie von der Polizei gut bewacht – jede Stunde kommt ein Fahrzeug vorbei.
       Wie es aussieht, wenn der Kasti gerodet ist, zeigt sich an einer Grube
       direkt nebenan, die derzeit ausgekiest wird: Es eröffnet sich der Blick auf
       einen gigantischen grauen, tiefen Krater, mehrere hundert Meter lang wie
       breit.
       
       28 Jun 2021
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://rettet-den-wuermtaler-wald.de/
 (DIR) [2] /Waldbesetzung-in-Sachsen-Anhalt/!5762714
 (DIR) [3] https://www.muenchen.info/soz/pub/pdf/254_LHM_800JahreHeiliggeistspitalStiftung.pdf
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Patrick Guyton
       
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