# taz.de -- Arbeitskampf bei Gorillas: „Riders“ protestieren weiter
       
       > Die Fahrer des Lieferdiensts sehen ihre Forderungen nicht erfüllt. Am
       > Samstag riefen sie in Berlin zu Streiks auf und blockierten einzelner
       > Lager.
       
 (IMG) Bild: Mitglieder des Gorillas Workers Collective halten eine Kundgebung vor dem Kreuzberger Warenlager ab
       
       BERLIN taz | „Stimmen wir alle darin überein, dass wir heute streiken?“
       fragt ein bärtiger junger Mann mit türkisgrüner Jacke und Fahrradhelm. Die
       rund 30 Angestellten des Liefer-Start-Ups Gorillas, die sich am Samstag
       Mittag vor einem der Warenlager in Tempelhof versammelt haben, heben
       einstimmig die Hände. Die Entscheidung wird mit Klatschen und Jubel
       begrüßt. Es ist der Beginn des Aktionstags unter dem Motto „Always be
       Striking“, mit dem die Angestellten ihren Kampf um bessere
       Arbeitsbedingungen fortführen wollen.
       
       Aufgerufen zu dem Aktionstag hatte das Gorillas Workers Collective (GWC),
       eine selbstorganisierte Gruppe von Gorillas-Arbeiter:innen. Ob es
       tatsächlich wieder zu einem [1][wilden Streik] kommen sollte, ließ das GWC
       anfänglich trotz den eindeutigen Mottos noch offen. Das Konzept des
       Aktionstages ist, dass alle Angestellten gemeinsam über die nächsten
       Schritte beraten. So beschließt während der ersten Versammlung des Tages
       die Belegschaft des Warenlagers am Kaiserkorso – gegenüber vom ehemaligen
       Flughafen Tempelhof – die Arbeit niederzulegen und gemeinsam mit den rund
       hundert weiteren Arbeiter:innen und Unterstützer:innen zum
       nächsten Lager am Hermannplatz zu fahren. Der Plan ist, die dortige
       Belegschaft aufzufordern, sich dem Streik anzuschließen.
       
       Der Name „always be striking“, zu deutsch etwa „sei immer auffällig“ – und
       gleichzeitig eine Anspielung auf das Streiken -, bezieht sich direkt auf
       die „always be riding“ genannte PR-Aktion des Gorillas-Chef Kağan Sümer.
       Der CEO kündigte Mitte Juni an, alle Gorillas Warenlager in Deutschland
       während einer Radtour besuchen zu wollen. „Sümer hat seine Tour nie
       umgesetzt“, erklärt Zeynep Karlidağ vom GWC die Idee des Aktionstags,
       „deshalb haben wir seine Idee übernommen“.
       
       Das GWC kritisiert, dass das Gorillas Management zu wenig tue, um die
       Arbeitsbedingungen der Fahrer:innen – genannt „Rider“ – zu verbessern.
       „Das Management hat nicht einmal annähernd etwas dafür getan, die
       Forderungen der Arbeiter:innen zu erfüllen“, kritisiert Karlidağ. Bei
       einem früheren Protest Ende Juni vor der Zentrale des Unternehmens hatten
       die Streikenden dem Management eine Liste von Forderungen übergeben. Die
       Liste beinhaltet insgesamt 19 konkrete Maßnahmen, die Arbeitsbedingungen
       der Rider zu verbessern. Die Rider fordern unter anderem eine Verringerung
       der Probezeit und unbefristete Verträge, aber auch besseres Equipment wie
       Jacken und Schuhe oder konsequenteres Handeln gegen Fälle sexueller
       Belästigung und Diskriminierung.
       
       ## Nur dürftige Verbesserungen
       
       Das GWC setze für ihre [2][Forderungen einen Stichtag] am 14. Juli, den das
       Gorillas Management allerdings verstreichen ließ, ohne einen Großteil der
       Forderungen zu erfüllen. Vom Unternehmen angekündigte Maßnahmen, wie etwa
       die Einführung eines Maximalgewichts pro Lieferung, halten viele der in
       Tempelhof anwesenden Rider für Augenwischerei: „Die Lieferungen werden
       jetzt zwar in mehrere Einzeltüten verpackt, am Gesamtgewicht ändert sich
       jedoch nichts“, kritisiert ein Rider, der seinen Namen lieber nicht nennen
       will, gegenüber der taz.
       
       Bevor sich die streikende Belegschaft am Samstag auf dem Weg zum nächsten
       Lager machen kann, dauert es allerdings noch eine Weile. Zunächst muss eine
       Demo bei der Polizei angemeldet werden. Die Beamt:innen sind aber schon
       vorsorglich mit einem Großaufgebot vor Ort, zumindest im Verhältnis zu den
       rund hundert Anwesenden.
       
       Gegen 14.00 setzt sich der Fahrradkorso in Bewegung. Mit lauten Klingeln
       und Slogans wie „The riders united will never be divided“ und „[3][Apes
       together strong]“ bewegen sich die Streikenden Richtung Hermannplatz. Dort
       angekommen positioniert sich die Gruppe vor dem Warenlager in der
       Urbanstraße und fordern die Arbeiter:innen mit lauten „Join the
       Strike“-Rufen auf, sich an dem Streik zu beteiligen.
       
       Doch anstatt der Arbeiter:innen erscheint nur der Manager des
       Warenlagers in der Tür. Der Streik sei nicht rechtlich legitimiert,
       deswegen werde er den Angestellten nicht erlauben das Warenlager zu
       verlassen, erklärt der Manager in einer Diskussion mit einem Vertreter des
       GWC.
       
       ## Insgesamt drei Warenlager blockiert
       
       Die Streikenden blockieren das Warenlager noch bis zum nahenden
       Schichtwechsel, beschließen dann aber weiter zum Lager in der Muskauer
       Straße in Kreuzberg zu fahren. Im Laufe des Tages werden die Streikenden
       noch ein weiteres Warenlager in Friedrichshain blockieren. Wie das GWC auf
       Twitter mitteilte, waren in den Warehouses allerdings kaum noch
       Fahrer:innen anzutreffen: diese seien vorsorglich vom Management auf die
       umliegenden Lager verteilt worden, um zu verhindern, dass sich weitere
       Rider dem Streik anschließen und es zu größeren Störungen im Betriebsablauf
       kommt, heißt es beim GWC.
       
       Zu ersten wilden Streiks bei Gorillas, also spontane Arbeitsniederlegungen
       ohne gewerkschaftliche Organisation, [4][kam es zum ersten Mal am 9. Juni],
       nachdem ein Rider angeblich ohne Vorwarnung entlassen worden war.
       Arbeiter:innen anderer Warehouses solidarisierten sich daraufhin mit
       dem entlassenen Kollegen und blockierten mehrere Lager an den
       darauffolgenden Tagen. Seitdem kam es immer wieder zu einzelnen Streiks und
       Blockaden. So wurde während der heftigen Regenfälle vor einigen Wochen in
       mehreren Lagern die Arbeit niedergelegt, weil die bereitgestellte
       Ausrüstung aus Sicht der Arbeiter:innen unzureichend war.
       
       Die in Deutschland sehr ungewöhnliche Form des Arbeitskampfes hat in den
       Medien für ein großes Echo gesorgt. Am Dienstag wird Bundesarbeitsminister
       Hubertus Heil (SPD) auf Einladung der SPD-Bundestagsabgeordnete sich sowohl
       mit Gorillas-Arbeiter:innen als auch mit dem Management des Unternehmens
       treffen, um die Arbeitsbedingungen des Liefer-Start-Ups zu diskutieren.
       
       18 Jul 2021
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Protest-bei-Lieferdienst-Gorillas/!5775031
 (DIR) [2] /Arbeitskampf-bei-Lieferdienst-Gorillas/!5774459
 (DIR) [3] https://www.imdb.com/title/tt1318514/quotes/qt1532493
 (DIR) [4] /Arbeitskampf-bei-Lieferdienst-Gorillas/!5774459
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jonas Wahmkow
       
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