# taz.de -- Haiti nach Präsidentenmord: Polizei verdächtigt 28 Profis
       
       > Die Lage in Haiti bleibt höchst angespannt. Laut Polizei wurde der
       > Anschlag von professionellen „Söldnern“ aus Kolumbien und den USA verübt.
       
 (IMG) Bild: Den Medien präsentiert: Verdächtige am Donnerstag auf Polizeistation in Port-au-Prince
       
       PORT-AU-PRINCE afp | Nach der [1][Ermordung des haitianischen Präsidenten
       Jovenel Moïse] droht der von Instabilität und Armut geprägte Karibikstaat
       noch tiefer ins Chaos abzurutschen. Der designierte Regierungschef Ariel
       Henry stellte am Donnerstag die Legitimität von Interims-Ministerpräsident
       Claude Joseph in Frage, der wenige Stunden nach Moïses Tod den
       Ausnahmezustand ausgerufen hatte. Nach Polizeiangaben wurde der Anschlag
       von hochprofessionellen „Söldnern“ aus Kolumbien und den USA verübt.
       
       „Es war ein Kommando von 28 Angreifern, darunter 26 Kolumbianer, die die
       Operation zur Ermordung des Präsidenten durchführten“, sagte der Chef der
       Nationalpolizei, Léon Charles. 15 der kolumbianischen Staatsbürger sowie
       zwei US-Bürger mit haitianischen Wurzeln wurden demnach festgenommen, drei
       Kolumbianer getötet. Acht Angreifer befänden sich noch auf der Flucht. Die
       Polizei hatte am Mittwoch zunächst von vier erschossenen „Söldnern“
       gesprochen.
       
       Aus Bogotá hieß es, dass offenbar mindestens sechs der kolumbianischen
       Beteiligten „ehemalige Mitglieder der nationalen Streitkräfte“ seien. Er
       habe Polizei und Armee angewiesen, mit den haitianischen Behörden
       zusammenzuarbeiten, sagte Kolumbiens Verteidigungsminister Diego Molano.
       
       Moïse war in der Nacht zum Mittwoch in seinem Haus in Port-au-Prince
       erschossen worden. Seine Frau Martine, die bei dem Attentat verletzt wurde,
       wurde zur Behandlung nach Miami ausgeflogen. Sie sei außer Lebensgefahr,
       sagte Regierungschef Joseph am Mittwochabend im Fernsehen.
       
       Josephs Kabinett rief nach dem Attentat im ganzen Land den Ausnahmezustand
       aus. Die Regierung bekommt damit für zwei Wochen zusätzliche Befugnisse.
       Nun droht das Land mit seinen elf Millionen Einwohnern [2][weiter in
       politisches Chaos abzugleiten], denn die Ablösung des Regierungschefs war
       bereits geplant.
       
       Eine der letzten Amtshandlungen des getöteten Präsidenten war die Ernennung
       von Ariel Henry zum neuen Ministerpräsidenten. Er sollte ursprünglich in
       den nächsten Tagen Joseph ablösen. „Gibt es mehrere nominierte
       Ministerpräsidenten im Land?“, fragte Henry. Auch die Opposition warf
       Joseph vor, die Macht an sich gerissen zu haben.
       
       Der Menschenrechtsaktivist Gédeon Jean bezeichnete Josephs Eile bei der
       Ausrufung des Ausnahmezustands als „verdächtig“. Er vermute dahinter einen
       Putschversuch, sagte er.
       
       ## Parlament nicht handlungsfähig
       
       De facto haben weder Joseph noch Henry die volle Legitimität. Für den Fall,
       dass der Präsident ausfällt, sieht die haitianische Verfassung vor, dass
       der Machtübergang unter der Kontrolle des Parlaments erfolgt. Dieses ist
       jedoch seit über einem Jahr nicht mehr handlungsfähig, da die
       Parlamentswahl unter anderem wegen Protesten gegen Moïse im Streit um das
       Ende seiner Amtszeit mehrfach verschoben worden war. Der 53-Jährige hatte
       das Land deshalb zuletzt per Dekret regiert.
       
       Die Behörden untersuchen nun, ob Moïses Personenschützer eventuell
       involviert sind. Tatsächlich scheinen die Angreifer bei der Tat auf wenig
       Widerstand gestoßen zu sein. „Ich habe (der Polizei) die Befugnis gegeben,
       alle Sicherheitsbeamten zu befragen“, sagte der Regierungskommissar von
       Port-au-Prince, Bed-Ford Claude.
       
       Joseph hatte kurz nach der Ermordung des Präsidenten gesagt, bei den
       Angreifern handele es sich um Englisch und Spanisch sprechende „Ausländer“.
       Haitis Botschafter in den USA, Bocchit Edmond, sprach von „professionellen“
       Söldnern, die sich als Mitarbeiter der US-Drogenvollzugsbehörde ausgegeben
       hätten.
       
       Ein Sprecher des US-Außenministeriums bestätigte, dass Haiti Unterstützung
       bei den Ermittlungen erfragt habe. „Die USA werden drauf eingehen“, sagte
       er.
       
       International löste der Anschlag auf Moïse Entsetzen aus. Das Auswärtige
       Amt in Berlin äußerte sich „bestürzt“. US-Präsident Joe Biden sprach von
       einem „verabscheuungswürdigen Akt“. Der UN-Sicherheitsrat rief zu Ruhe und
       Zurückhaltung auf.
       
       9 Jul 2021
       
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