# taz.de -- Öffentliche Unternehmen im Norden: Zu wenig Frauen an der Spitze
       
       > Seit 2018 untersucht eine Studie den Anteil von Chefinnen in öffentlichen
       > Unternehmen. Schleswig-Holstein und Niedersachsen schneiden schlecht ab.
       
 (IMG) Bild: Ausnahmeerscheinungen: Das Hannoversche Verkehrsunternehmen Üstra hat seit März drei Chefinnen
       
       HANNOVER taz | Gerade einmal 10,6 Prozent in Schleswig-Holstein und nur
       11,8 Prozent in Niedersachsen: In öffentlichen Unternehmen sind
       Top-Managerinnen Mangelware. Noch schlechter schneidet in einer
       [1][aktuellen Studie der Zeppelin-Universität Friedrichshafen] nur
       Rheinland-Pfalz mit 10,4 Prozent ab.
       
       Sehr viel besser steht der Osten da: Mecklenburg-Vorpommern beispielsweise
       verzeichnet 25,9 Prozent an weiblich besetzten Posten. Und auch die
       Stadtstaaten Bremen (24,3 Prozent) und Hamburg (21,3 Prozent) haben einen
       höheren Frauenanteil.
       
       Eigentlich, argumentieren die Wissenschaftler:innen, müssten öffentliche
       Unternehmen doch mit gutem Beispiel vorangehen. Deshalb liefern sie seit
       2018 dieses Städteranking für einen sehr speziellen Bereich: Die
       Führungsetagen kommunaler Unternehmen.
       
       Das ist kein kleiner Sektor. 18.566 öffentliche Unternehmen existieren nach
       Angaben des Statistischen Bundesamtes in Deutschland, ein Großteil davon
       auf kommunaler Ebene. 609 Milliarden Euro Gesamterträge und 583 Milliarden
       Euro Aufwendungen verzeichneten die Statistiker:innen 2018 in diesem
       Bereich.
       
       Gemeint sind damit all die Unternehmungen, die in den letzten Jahrzehnten
       aus den öffentlichen Haushalten ausgegliedert wurden, um zentrale
       öffentliche Aufgaben zu erfüllen – von den Stadtwerken über die
       Abfallwirtschaftsbetriebe, von den Krankenhäusern über soziale
       Dienstleister bis hin zu IT-Services, Verkehrsbetrieben, Messen, Häfen und
       Flughäfen.
       
       In Sachen Gleichstellung fliegen die ein wenig unter dem Radar: [2][Die
       politische Debatte] und die gesetzlichen Regelungen konzentrieren sich
       meist auf die ganz großen Player – auf DAX-Vorstände, Verwaltungsspitzen,
       [3][politische Ämter.] Diese Lücke wollen die Forscher:innen um Ulf
       Papenfuß schließen.
       
       Wobei sie selbst sagen, dass die Rankings mit Vorsicht zu genießen sind:
       Untersucht wurden neben den Stadtstaaten und den Landeshauptstädten die
       jeweils vier größten Städte je Bundesland. Die bieten aber natürlich im
       Einzelfall sehr unterschiedliche Mengen an Top-Jobs. In kleineren Städten
       mit weniger öffentlichen Unternehmen zeigt die Quote gleich dramatische
       Ausschläge, wenn auch nur eine Frau von oder an Bord geht – anderswo macht
       das keinen großen Unterschied.
       
       Man wolle ja auch nicht „unreflektiert im Sinne von ‚besser oder
       schlechter‘ vergleichen, schreiben die Autor:innen. Sondern zur Diskussion
       anregen, warum sich Entwicklungen so unterschiedlich gestalten.
       
       Es sei ja immerhin bemerkenswert, dass es einigen Städten und Bundesländern
       gelänge, den Frauenanteil kontinuierlich zu steigern, während er anderswo
       stagniere oder sogar rückläufig sei.
       
       Vor allem im letzten Jahr – dem Pandemiejahr – hat sich wenig bewegt. Der
       Frauenanteil hat sich sogar geringfügig um 0,2 Prozentpunkte verringert.
       Bei 19,5 Prozent liegt er im Durchschnitt, wobei das Spektrum weit
       auseinander geht. Allein in Niedersachsen hat beispielsweise Hannover den
       Anteil der Top-Managerinnen auf 25 Prozent gesteigert, Osnabrück
       verzeichnet dagegen null Prozent.
       
       ## Fortschritt im Schneckentempo
       
       Betrachtet man die Gesamtentwicklung seit 2018 über alle Städte hinweg,
       sieht man wie zäh und langsam es vorangeht: 16 Frauen in Top-Jobs sind in
       diesen vier Jahren dazu gekommen. Das entspricht einer Steigerung von 1,5
       Prozentpunkten, von 18 Prozent in 2018 zu 19,5 Prozent in 2021.
       
       „Das deckt sich mit dem, was wir beobachten“, sagt Marion
       Övermöhle-Mühlbach vom Landesfrauenrat Niedersachsen ohne die aktuelle
       Studie schon genau zu kennen. Zwar schneide der öffentliche Sektor
       regelmäßig besser ab als die Privatwirtschaft, aber auch da sei noch eine
       Menge Luft nach oben.
       
       ## Vage formulierte Kodizes
       
       „Wir fordern ja eigentlich eine paritätische Besetzung, angefangen bei den
       Vorständen der Unternehmen, an denen das Land beteiligt ist“, sagt sie.
       Doch der Weg dahin sei noch viel steiniger, als sie sich das je vorgestellt
       habe. Und ihrer Wahrnehmung nach [4][produziere die Pandemie da durchaus
       eine Rolle rückwärts.]
       
       Die Autor:innen der Studie plädieren vor allem für Verpflichtungen in
       Form von „Public Corporate Governance Kodizes (PCGK)“, mit denen sich
       beispielsweise eine Mindestbeteiligung von Frauen festschreiben lasse, aber
       auch eine Verpflichtung dazu, Zielgrößen festzulegen und jährlich darüber
       zu berichten, welche Fortschritte erzielt wurden.
       
       Einige öffentliche Unternehmen haben solche Kodizes schon – sie sind aber
       häufig zu vage formuliert. Auch Övermöhle-Mühlbach vom Landesfrauenrat
       glaubt, dass es verbindliche Regelungen braucht: „Freiwilligkeit hilft
       nicht, die Zeiten von Absichtserklärungen sind vorbei.“
       
       27 Jul 2021
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.researchgate.net/publication/353451142_Frauen_in_Top-Managementorganen_offentlicher_Unternehmen_-_Ein_deutschlandweiter_Stadtevergleich_FIT-Public_Management-Studie_2021?channel=doi&linkId=60fe3ca11e95fe241a8a89ac&showFulltext=true
 (DIR) [2] /Forderungskatalog-Berliner-Erklaerung/!5777679
 (DIR) [3] /Zu-wenig-Frauen-in-den-Parlamenten/!5744965
 (DIR) [4] /Jutta-Allmendinger-ueber-Frauenpolitik/!5739224
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Nadine Conti
       
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