# taz.de -- Pablo Charlemoine über Aktivismus: „Ich will eine andere Gesellschaft“
       
       > Pablo Charlemoine alias Mal Élevé ist durch Demos und Politaktionen
       > bekannt. Ein Gespräch über Musik und Aktivismus – und die Manouches in
       > Frankreich.
       
 (IMG) Bild: „Ich sehe mich nach wie vor als Anarchist“, sagt Pablo Charlemoine aka Mal Élevé
       
       taz: Herr Charlemoine, Sie sprechen fließend französisch? 
       
       Pablo Charlemoine: Ja. Ich bin zum Glück zweisprachig aufgewachsen, meine
       Mutter ist Deutsche, mein Vater ist Manouche – die Sinti in Frankreich
       nennen sich Manouche. Manouche spreche ich leider nicht wirklich, aber wir
       benutzen viele Manouche-Wörter. Ich kann halt das Französisch, was mein
       Vater uns beigebracht hat und das ich mit der Familie in Frankreich und in
       Spanien immer gesprochen habe.
       
       Wo und wie sind Sie groß geworden? 
       
       Wir sind um Heidelberg herum aufgewachsen und sehr oft umgezogen, weil
       Heidelberg selbst ja sehr teuer ist. Als ich ganz klein war, hatten meine
       Eltern mit einer anderen Familie eine kleine Hausgemeinschaft. Da waren wir
       immer so mindestens fünf Kids, die zusammen abhingen. Wir kamen aus sehr
       einfachen Verhältnissen, mein Vater ist auch sehr arm aufgewachsen in einer
       Art Wohnwagensiedlung. Und er hat mir und meinem Bruder beigebracht, dass
       man sich nicht schämen muss für das, was man nicht hat, sondern dass es
       viel wichtiger ist, was man für andere macht und wie man miteinander
       umgeht. Als Jugendlicher in der Schule willst du ja irgendwann immer das
       haben, was die anderen auch haben, und dann wollte ich natürlich auch so
       eine Nike-Hose. Meine Eltern hatten aber keine Kohle, um die zu kaufen, und
       mein Vater hat dann einen Stift genommen, „Nike“ auf meine Hose geschrieben
       und gesagt: So, jetzt hast du auch eine Nike-Hose! Der Unterschied ist
       einfach nur, was draufsteht, du musst es nur mit Stolz tragen!
       
       Wie haben Sie sich politisiert? 
       
       Meine Eltern sind beide politisch sehr aktiv, dadurch war ich auch schon
       früh auf verschiedenen Demos, gegen Atomkraft, gegen Krieg und
       Naziaufmärsche. Mit elf hatte ich meinen ersten Iro, und als ich dann mit
       zwölf so richtig in der Punkszene war, bin ich in das Autonome Zentrum
       Heidelberg gekommen, weil das natürlich für uns Punks die Anlaufstelle war.
       Und das hat mich sehr sozialisiert, ich sag immer: asozialisiert (lacht).
       Ich hab mich da noch mehr politisiert durch die Jugend-Antifa, durch die
       Punkszene. Da konnten wir unter uns sein, es gab geile Konzerte, wir
       konnten kickern und unsere Mucke hören. Und natürlich hatten wir eine
       Punkband! Später gab es einen musikalischen Wandel im Freundeskreis, Ska,
       Reggae und Dancehall wurden die verbindende Musik.
       
       Als Ihnen Jugendarrest drohte, sind Sie für ein halbes Jahr nach Thailand
       gegangen. Warum? 
       
       Es gab tausend Gründe. Ich hatte zu der Zeit überhaupt keinen Bock mehr auf
       Deutschland, mich hat alles angekotzt. Ich hatte damals mit 15 ein paar
       Jugendstrafen und hätte eigentlich vier Wochen Jugendarrest absitzen
       müssen. Ich hatte aber keinen Bock, mich zu stellen, und bin nach Thailand
       abgehauen, weil ich damals schon Thaiboxen gemacht habe und dann dort in
       ein Trainingscamp gegangen bin. Ich habe den Sport geliebt und habe gesagt,
       ich geh nicht freiwillig vier Wochen in den Arrest. Außerdem kann ich nicht
       mal einen Tag im geschlossenen Raum bleiben, für mich wäre Quarantäne schon
       der Albtraum!
       
       Wie ist die Band Irie Révoltés entstanden? 
       
       In Thailand habe ich viel Bob Marley und so gehört, und als ich zurückkam,
       haben wir im Februar 2000 mit meinem nichtleiblichen Bruder, mit dem ich
       zusammen in der Hausgemeinschaft aufgewachsen bin und auch in der Punkband
       war, und noch zwei anderen Freunden zusammen die Band gegründet, Irie
       Révoltés, und dann kam mein leiblicher Bruder Carlos auch relativ schnell
       dazu. Statt in die Schule zu gehen, haben wir uns oft im Proberaum
       getroffen, und dann haben wir angefangen, Konzerte zu geben, eigentlich das
       erste Mal auf einem Geburtstag in einem Jugendzentrum. Und dann ging es
       Schlag auf Schlag. Damals, so um die 2000er, haben sich die
       Demonstrationsformen verändert.
       
       Wie denn? 
       
       Es gab Nachttanzdemos, wo schon vorher geplant war, dass die Leute von dort
       aus in irgendein Gebäude reingehen und eine Partybesetzung machen. Dadurch
       hat man viel mehr Leute für eine Sache auf die Straße gekriegt, die
       vielleicht von den klassischen Demos abgeschreckt waren. In dem Rahmen sind
       wir dann auch öfter aufgetreten, zuerst im Rhein-Neckar-Raum und später
       darüber hinaus. 2001 sind wir das erste Mal bei den
       Anti-Residenzpflicht-Tagen in Berlin aufgetreten, 2003 auf dem
       Kulturschock-Festival in Hellersdorf.
       
       Warum spielt das Recht auf Migration in den Texten eine so große Rolle? 
       
       Als ich nach Senegal getrampt bin, habe ich in Ceuta (spanische Exklave an
       der Straße von Gibraltar; Anm. d. Red.) die Leute auf der anderen Seite von
       dem riesigen Stacheldrahtzaun gesehen. Ich wusste, ich kann da jetzt
       einfach hinreisen, die Leute auf der anderen Seite können das nicht. Warum
       hab ich das Recht und andere nicht? Ich halte auch einfach nichts von
       Nationalstaaten. Für mich hat das wahrscheinlich viel damit zu tun, dass
       mein Vater Manouche ist und meine Oma auch immer gesagt hat: Wir Manouche,
       wir haben kein Land! Die ganze Welt ist unser Land. Ich habe auch durch den
       Freundeskreis mitbekommen, wie es ist, wenn du nicht die richtigen Papiere
       hast.
       
       Vor elf Jahren wurde der Irie-Révoltés-Song “Antifaschist“ ein
       Demo-Gassenhauer. Heute haben Sie mit „No Pasarán“ wieder einen
       Antifa-Song. 
       
       Seitdem ich zwölf bin, ist Antifaschismus ein Bestandteil meines Lebens.
       Ich war sehr jung, als die ganzen Pogrome in Deutschland waren, aber ich
       hab das natürlich mitbekommen, und wir sind auch mit meinen Eltern auf die
       Straße gegangen. Und seit 2014 haben wieder viele Häuser gebrannt, dann
       wurde es mit den Morden in Hanau und an Walter Lübcke noch krasser. Ich
       finde es heftig, dass sich die Neonazis immer mehr trauen und dass die AfD
       jetzt auch im Bundestag und in den Landtagen sitzt und viele Aussagen immer
       mehr als normal angesehen werden. Der Rassismus war und ist einfach ein
       Riesenproblem in unserer Gesellschaft. Diese Denkweise, Deutsch sein muss
       weiß sein, setzt sich bis heute fort. Und ich frage mich, was das für eine
       Gesellschaft ist, die bestimmte Sachen nicht sehen will oder so rückständig
       ist. Deshalb ist es für mich wichtig, auf allen möglichen Ebenen dagegen
       vorzugehen. Das heißt, auf Demos, direkte Aktionen. Aber ich habe 2003 auch
       angefangen, Schulworkshops zu Diskriminierung und Rassismus zu geben. In
       Berlin habe ich coolerweise einen Verein gefunden, [1][Cultures
       Interactive], wo ich das mit Musik kombinieren kann. Wir machen
       Rap-Workshops, bei denen es um verschiedene Formen von Diskriminierung
       geht: Homophobie, Transphobie, was auch oft ein großes Thema ist, Sexismus,
       Rassismus – so kann ich versuchen, etwas zu bewirken.
       
       Ist das nicht ein Widerspruch, wenn Sie „Antifaschist“ vor 10.000 Leuten
       spielen und alle singen mit, aber dann kommen nur 500 Menschen zur nächsten
       Antifademo? 
       
       Widerspruch ist vielleicht das falsche Wort. Ich bin mir dessen bewusst,
       dass nur ein geringer Prozentsatz der Leute, die auf unseren Konzerten
       mitsingen, auf der nächsten Demo am Start sind. Ich versuche dann eher die
       paar Leute zu sehen, die da zusätzlich kommen. Deswegen waren für mich
       immer Infostände, der Austausch mit den Leuten und das Feedback total
       wichtig. Es hat mich bestärkt weiterzumachen, wenn Leute mir erzählt haben,
       was unsere Musik für sie bedeutet und sie sogar politisiert hat. Aber
       natürlich wünsche ich mir, dass das viel mehr sind.
       
       Warum hat sich die Band getrennt? 
       
       Wir waren fast 18 Jahre lang unterwegs, und am Ende haben wir realisiert,
       dass es so nicht mehr weiter funktionieren konnte. Wir haben teilweise in
       ganz Deutschland verteilt gelebt, einige hatten parallel studiert und ihr
       Studium fertig gemacht, manche haben Kinder gekriegt und einen festen Job.
       Und so kam dann der Punkt, wo wir gesagt haben, lieber ein Ende mit einem
       Riesenknall zu machen, den wir alle noch mal richtig feiern. Es war eine
       geile Zeit, aber es wäre jetzt nicht mehr so, wenn wir weitergemacht
       hätten.
       
       Was bedeutet Aktivismus für Sie? 
       
       Ich will die Welt nicht so akzeptieren, wie sie ist. Ich sehe
       Ungerechtigkeit, ich sehe Rassismus in der Gesellschaft. Und dann liegt es
       natürlich an mir und an vielen anderen, was dagegen zu tun und zu zeigen,
       dass es anders geht. Ich sehe mich nach wie vor als Anarchist, für mich ist
       der Traum eine Welt, in der es keine Herrschaft gibt. Ich will eine andere
       Gesellschaft. Macht und Ungleichheiten gibt es zwar immer, aber ich wünsche
       mir eine Gesellschaft, in der es keine fest bestehenden strukturellen
       Machtverhältnisse gibt. Ich will nicht nur in meinem Kosmos leben, sondern
       bin sehr neugierig und suche nach alternativen Lebenskonzepten.
       
       Befürchten Sie nicht, dass Sie sich übernehmen? Selbst Sie schaffen es
       nicht immer, gut gelaunt zu sein. 
       
       Ich werde manchmal richtig wütend und traurig, wenn ich bestimmte Sachen
       höre oder ungerechte Situationen sehe, die oft mit Gewalt verbunden sind.
       Es gibt einfach so viele Brände, die zu löschen sind. Aber die Konsequenz
       darf nicht sein, zu sagen: Ich mache gar nichts, weil ich nicht weiß, wo
       ich anfangen soll. Ich versuche trotz allem, eher positiv zu sein. Das geht
       nicht immer, aber im Lauf der Zeit, in der ich jetzt politisch aktiv bin,
       bin ich immer wieder Leuten begegnet, die das alles schon sehr lange
       machen, und einige davon waren leider sehr verbittert. Das ist so schade,
       dass die selbst gar nicht mehr sehen, was sie schon alles gemacht haben.
       Und ich will aufpassen, dass mir das nie passiert. Bei allem Aktivismus und
       Kampf ist es total wichtig, auch an sich selbst zu denken und seine
       Batterie aufzuladen.
       
       Wie schaffen Sie es denn, Ihre Batterien wieder aufzuladen? 
       
       Durch Dinge, die mir Spaß machen und Kraft geben. Und das ist bei mir
       glücklicherweise die Musik, das ist eine Win-win-Situation, denn wenn ich
       zum Beispiel auf Demos singe, dann unterstütze ich damit ja auch die
       Demonstration oder eine Bewegung, und gleichzeitig gibt mir das total viel,
       weil ich es einfach liebe, Musik zu machen. Ganz ehrlich: Für mich ist ein
       Tag ohne Musik wie ein Tag ohne Atmen! Außerdem tut mir Thaiboxen total
       gut. Ich bin auch Trainer und versuche, im Sport Leute aus verschiedenen
       Lebensrealitäten zusammenzubringen. Zum Energietanken gehe ich auch
       manchmal in die Natur raus. Und natürlich sind mir liebe Menschen ganz
       wichtig.
       
       Sie sind ja ziemlich rastlos!? 
       
       Seit ich zwölf bin, renne ich fast jedes Wochenende auf irgendwelche Demos.
       Ich bin das halt gewohnt. Und ich bin natürlich auch froh, dass ich mit
       meinen Leidenschaften auch meinen Lebensunterhalt verdienen kann. Also mit
       Musik, mit Sport, mit den Workshops – das sind alles Sachen, die für mich
       sowohl Aktivismus bedeuten als auch Spaß und Freude. Und zusätzlich kann
       ich trotzdem was verdienen, was ja leider in dem System, in dem wir leben,
       noch notwendig ist. Ich bin sehr dankbar dafür, dass ich nicht zusätzlich
       acht Stunden Lohnarbeit am Tag machen muss. Ich habe einen Riesenrespekt
       vor Leuten, die das auf die Beine kriegen und die zusätzlich noch Familie,
       Kinder haben.
       
       Wie sieht denn ein normaler Tag für Sie in Berlin aus? 
       
       Heute zum Beispiel habe ich einer Bekannten geholfen und bin dann hierher
       in die Oya-Bar (eine feministische Bar in der Schokofabrik in Kreuzberg;
       Anm. d. Red.) gekommen. Gleich gehe ich auf die Black-Lives-Matter-Demo,
       dann gebe ich Training, und danach treffe ich einen Freund zum Proben. Ich
       habe keinen Alltag! Manchmal versuche ich, mir die Zeit zu nehmen, um
       musikalisch neue Sachen zu kreieren. Aber wenn ich dann mitkriege, am Tag
       vorher gab es einen krassen Vorfall, nächsten Tag schnell eine wichtige
       Demo, oder im Freundes-, Verwandten-, Bekanntenkreis ist etwas passiert, wo
       Support gebraucht wird, dann bin ich natürlich doch am Start. Das ist
       eigentlich immer so ein Jonglieren, ich kenne das auch nicht anders. Ich
       kann wie gesagt nicht nur zu Hause sitzen, nur in geschlossenen Räumen
       sein. Ich habe da auch ein bisschen Hummeln im Arsch. Ich habe das Gefühl,
       ich brauche das auch, viel unterwegs zu sein. Mal abgesehen von der
       Lockdown-Phase war ich nie länger als einen Monat am Stück in Berlin,
       obwohl ich hier lebe. So ist mein Leben die ganze Zeit. Ich habe selten den
       Moment, wo ich sage: Jetzt brauche ich mal Ruhe. Diese Momente nehme ich
       mir dann aber auch.
       
       Sie treten ja als Mal Élevé quasi auf jeder linken Demo auf, von Köpi bis
       Seebrücke. Wie passt dieses breite Spektrum zusammen? 
       
       Das sind ganz viele Themen, die für mich zusammengehören: alternative
       Lebensformen wie die Liebig34 und der Köpi-Wagenplatz. Wegen der Politik an
       den EU-Außengrenzen mit Frontex ist es für mich total wichtig, bei den
       Demos von Seebrücke oder anderen Organisationen am Start zu sein. Und
       Antirassismus oder Polizeigewalt sind natürlich auch Themen, wo ich immer
       präsent bin. Wenn irgendwelche Naziaufmärsche sind, dann bin ich in der
       Regel auch dabei und mache da Musik, um die Blockaden und Aktionen zu
       unterstützen. Und natürlich Umwelt: Ende Gelände, Hambacher Forst oder
       Fridays for Future behandeln Themen, die für mich einfach zukunftsrelevant
       sind.
       
       Und warum engagieren Sie sich für Hausprojekte? 
       
       Ich habe ja selbst auch Häuser besetzt, damals in Spanien; auch in Mannheim
       haben wir 2003 mal ein Haus besetzt. Alternative Lebensformen, Wagenplätze
       sind für mich total wichtig und etwas, was ja Berlin auch ausmacht. Das
       wird leider immer weniger, aber ich habe schon damals gedacht: Berlin ist
       die Stadt, in der ich leben will, weil es hier noch diese Lebensformen
       gibt, die ich als alternative Modelle unglaublich wichtig finde. Die haben
       Berlin schon immer zu dem gemacht, was es ist, und deswegen ist die Stadt
       für viele Leute ja auch so attraktiv. Und genau deswegen findet diese
       Scheiß-Gentrifizierung in vielen Bereichen ja überhaupt statt. Früher in
       Paris und London gab es die alternativen Viertel und dann kamen die Leute
       mit Kohle und haben das verdrängt. Und genau das sehe ich hier in Berlin
       auch.
       
       Die Mieten steigen, linke Kneipen und Hausprojekte werden geräumt, die
       Clubs sind dicht. Wie lebenswert ist Berlin jetzt noch? 
       
       Also tatsächlich überhaupt nicht mehr wie früher. Ich habe ganz viele Leute
       im Freundeskreis, die konkret von Mieterhöhungen betroffen sind. Und ich
       finde doppelt und vierfach dreist, wie viel im Lockdown und in der ganzen
       Pandemiezeit geräumt wurde: Syndikat, [2][Liebig34], Meuterei und jetzt
       eventuell der [3][Köpiplatz] – dreister geht es eigentlich gar nicht. Das
       zeigt einfach den Kurs hier, und für mich ist Berlin definitiv nicht mehr
       das, was es mal war. Aber ich habe trotzdem Hoffnung, ich denke,
       glücklicherweise findet die Subkultur immer ihren Weg. Auch wenn es
       wahrscheinlich eine Weile dauern wird, werden hoffentlich neue Sachen
       entstehen. Daran glaube ich.
       
       Was planen Sie im Moment an Musik und Aktionen? 
       
       Ich bin jetzt bei vielen Roma-Demos am Start, weil es mir wichtig ist, auch
       als [4][Manouche] dort präsent zu sein. In Deutschland gibt es ja ein
       bestimmtes Bild und viele Vorurteile gegen Sinti und Roma. Hier werde ich
       nie als Manouche gelesen, daher hatte ich deswegen nie Nachteile und habe
       das auch nie so thematisiert. Aber eigentlich ist es total wichtig, zu
       zeigen: Wir sind so divers, wie jede Gesellschaft auch divers ist. Uns gibt
       es in allen Bereichen, wir machen alles Mögliche, wir sehen alle
       unterschiedlich aus. Deswegen bin ich froh, dass ich jetzt hier auch mehr
       mit der Roma-Community vernetzt bin. Es ist mir ein großes Anliegen, gegen
       die Diskriminierung von Sinti und Roma und den Gadjé-Rassismus zu kämpfen.
       Ansonsten mache ich gerade neue Songs für ein potenzielles neues Album von
       mir, und im August gebe ich ein paar Open-Air-Konzerte. Ich mache weitere
       Songs mit Niko aus Venezuela und habe schon länger ein Musikprojekt mit dem
       Kollektiv „Soundz of the South“ aus Kapstadt in Südafrika. Ich habe auch
       ein Projekt mit dem Rapper Crushow aus Skid Row, einem Stadtteil mitten in
       Downtown L.A., in dem 5.000 oder 6.000 Leute in Zelten auf der Straße
       leben, direkt neben dem Financial District – das ist für mich eigentlich
       das Sinnbild des Kapitalismus.
       
       Was verbinden Sie noch mit Heidelberg, von wo Sie herkommen? 
       
       Meine Eltern leben noch in der Nähe und die Leute von früher, die auch nach
       wie vor aktiv sind. Ich bin froh, dass noch so kleine Oasen geblieben sind.
       Heidelberg ist für mich das Warnzeichen dafür, wie es nicht laufen soll.
       Ich war ja auch einer von denen, die weggegangen sind, das ist ja immer das
       Problem, wenn die Leute alle abhauen. Früher war Heidelberg tatsächlich für
       die Größe eine sehr subkulturelle linke Stadt. In den 90er Jahren gab es
       das Autonome Zentrum, es war sehr divers und subkulturell. Aber das
       Autonome Zentrum gibt es leider nicht mehr, es wurde im Frühjahr 2000 von
       der Stadt geräumt. Und damit haben sie es tatsächlich geschafft, Heidelberg
       zur sauberen, idyllischen Touristenstadt zu machen, die sie immer haben
       wollten. Und 1998 war Heidelberg, glaube ich, mit eine der ersten Städte,
       die dieses Law-and-Order-Konzept aus New York übernommen haben, mit neuen
       Polizeigesetzen, mit Stadtverweisen und Versammlungsbeschränkungen. Wir
       hatten fast täglich Innenstadtverbot als Punks, unbegründet. Damit hat es
       angefangen. Und leider haben sie es damit geschafft, dass viele von uns
       weggezogen sind, weil Heidelberg einfach nicht mehr lebenswert war. Und so
       soll Berlin nicht enden.
       
       1 Aug 2021
       
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