# taz.de -- Augsburger Ehepaar repariert Spielzeug: Eine Klinik für Püppi
       
       > Seit über 20 Jahren repariert das Augsburger Ehepaar Haschler Teddybären
       > und anderes Spielzeug. Oft retten sie damit auch Erinnerungen.
       
 (IMG) Bild: Warten auf die Behandlung: eine Puppe in der „Klinik“ des Ehepaars Haschler
       
       AUGSBURG taz | „Das wird wieder“, sagt Eva-Maria Haschler, und ihre Stimme
       nimmt dabei einen beschwichtigenden Ton an. Sie steht hinter dem Tresen,
       vor einem hölzernen Regal. Dort sitzen über ein Dutzend Puppen und mehrere
       Teddys, sie haben Zettel um ihre Bäuche gebunden. Vor dem Tresen steht ein
       Mädchen, vielleicht acht Jahre alt, in Begleitung ihrer Großmutter. Ihre
       Puppe ist ein Fall für die Puppen- und Teddyklinik: Augen und Körper sind
       lädiert. Und auch die langen, blonden Haare könnten mal wieder gepflegt
       werden.
       
       Für das Ehepaar Eva-Maria und Harald Haschler ist das seit über zwanzig
       Jahren ihr tägliches Geschäft. Puppen, Teddys und andere Schmusetiere sind
       schließlich Spielzeuge, und so geht auch mal was kaputt. Die „Klinik“ in
       einer gepflegten [1][Augsburger] Altstadtstraße ist gut besucht. Kinder
       dürfen ihre Puppen in ein mehrstöckiges Krankenbett legen und zudecken.
       Wenn sie mitsamt einem Keks dort wieder abgeholt werden, sind sie
       „genesen“. Ein Service, den es heute nicht mehr allzu oft gibt, die
       Restauration hat ein Nachwuchsproblem.
       
       Entstanden ist die Idee aufgrund von Eva-Maria Haschlers
       Sammelleidenschaft. In der gemeinsamen Wohnung in einer ruhigen Gegend im
       Augsburger Stadtteil Hochzoll gibt es kaum eine Ecke ohne Puppen. Da sind
       alte – die älteste aus dem Jahr 1890 – und neue, große und kleine, bunt
       gekleidete und eher schlichte. Dazwischen steht immer wieder ein
       Auto-Modell, so hinterlässt ihr Ehemann Harald seine Spuren in der
       Maisonettewohnung.
       
       Eva-Maria Haschler ist mit dem Spielzeughandel ihrer Eltern aufgewachsen.
       „Was manche wundert: Ich hatte als Kind keine Puppe“, erzählt sie. Zum
       Anschauen seien ja genug da gewesen. Aber nicht zum Spielen. Und als ihre
       eigenen Kinder irgendwann keine Lust mehr auf Puppen und die von ihr
       genähten Klamotten hatten, begann sie, Puppen zu sammeln. Anfangs nur alte
       Modelle, auch kaputte – damals waren die schließlich noch teuer und es
       galt, sie zu erhalten.
       
       ## Der Keller, ein Ersatzlager
       
       Bereits die Mutter von Eva-Maria Haschler reparierte ab und an Puppen. „Sie
       hat das ganz furchtbar gemacht, das hat mir überhaupt nicht zugesagt“,
       erinnert sie sich. Haschler selbst ließ sich ursprünglich zur Handarbeits-
       und Hauswirtschaftslehrerin ausbilden, machte dann eine Umschulung zur
       Industriekauffrau und probierte sich im Anschluss selbst an verschiedenen
       Materialien und Reparaturen.
       
       „Es ist kein erlernter Beruf“, sagt sie. Doch mit der Zeit kam auch die
       Erfahrung. Und immer mehr Anfragen erreichten sie. Zuerst arbeiteten sie
       und ihr Mann noch im eigenen Heim in Mering bei Augsburg, ab 1999 in einem
       großen Geschäft in der Altstadt. So kamen mit der Zeit Teddys und andere
       Spielzeuge zu den Puppen dazu.
       
       Auch bei Sammler:innen sind Puppen sehr beliebt. Gerade alte Materialien
       wie der Kunststoff Zelluloid sind aber besonders empfindlich, und kleine
       Korrekturen deshalb oft nötig. In die Augsburger Puppenklinik gelangen
       Restaurationswünsche aus aller Welt – Madagaskar, Australien und die USA
       waren schon dabei. Im Monat kriegen die Haschlers zwischen 30 und 40
       Pakete, darüber hinaus noch bis zu 80 weitere Aufträge im Laden selbst. Was
       nicht mehr repariert werden kann, wird ersetzt. Ersatzteile bekommt man
       offiziell kaum noch, aber die Haschlers haben einen vollen Werkstattraum im
       Keller ihres Geschäfts.
       
       Die Werkstatt ist das Reich von Harald Haschler. Die deckenhohen Regale
       sind voller bunter Plastikkisten und Kartons mit verschiedenen
       Beschriftungen: „Baby Arme flach 22 23“, „Kugelarme 31“, „45 Beine links“,
       „Plastik-Püppchen und Teile klein“. Es ist kein Zentimeter mehr frei. So
       mancher Hersteller wendet sich mittlerweile an die Puppenklinik, um
       Ersatzteile zu erhalten.
       
       Und davon gibt es hier reichlich – auch Ware aus dem vergangenen
       Jahrhundert, welche das Ehepaar auf [2][Flohmärkten] oder bei
       Geschäftsauflösungen von anderen Puppenkliniken zusammengekauft hat, aus
       Zelluloid, Porzellan, Vinyl oder Pappmaché. Auch Teddys „zum Ausschlachten“
       gibt es, so formuliert es Harald Haschler. Eine Klinik will schließlich
       vorbereitet sein.
       
       Der gelernte Kfz-Meister hat Erfahrungen mit der Reparatur von
       Unfallfahrzeugen. Heute spachtelt, schleift und bemalt er hier unten
       Puppen, die etwas kleinere Unfälle wie einen Sturz hinter sich haben. Die
       Farben rührt er in kleinen Filmdöschen an. Eva-Maria Haschler schmeißt vor
       allem das Ladengeschäft, macht Näharbeiten an Teddys und anderen
       Plüschsachen, oder sie fertigt Kleidung für die Puppen an. Mit der Zeit
       haben die beiden ihre Stärken ausgebaut.
       
       Im Laden muss Eva-Maria Haschler oft bei ihren Kund:innen mitspielen, wie
       auch bei der kleinen Kundin, der sie nun sagt: „Deine Puppe muss sich jetzt
       ausruhen“, bevor sie sie in das Klinikbett legt. Und es sind nicht nur
       Kinder, denen dieses Spiel gefällt. Da ist auch die alte Dame, die über
       Jahre täglich mit ihrer Puppe im Rollator in den Laden kam und sie dort
       ankleidete. Oder das Brautpaar, das ein Hochzeitskleid mit Schleppe und
       einen Smoking für ihre Teddys nähen ließ.
       
       Die Puppen- und Teddyklinik ist für die Haschlers mehr als nur Broterwerb,
       sie hätten schon längst in Rente gehen können. Trotz drei weiteren
       Mitarbeitenden gibt es auch heute noch Tage, an denen sie um 10 den Laden
       aufsperren und erst gegen 22 Uhr wieder nach Hause kommen.
       
       Anfragen gebe es genug. Eltern, die ihren Kindern die eigenen Puppen
       schenken möchten oder Enkel, die einen Teddy des Großvaters für seine Zeit
       im Altenheim restaurieren lassen wollen. An den Spielzeugen hängen
       Erinnerungen, die erhalten bleiben sollen.
       
       Die Reparatur ist aufwendig und kostet schnell mal einen niedrigen
       dreistelligen Betrag. Vier bis fünf Stunden braucht eine Puppe im
       Durchschnitt, Näharbeiten können noch länger dauern. Damit das Geschäft
       sich rentiert, verkaufen die Haschlers in ihrem Laden auch Neuware.
       
       Während die Puppe der kleinen Kundin sich in ihrem Krankenbett auf die
       Operation vorbereiten darf, flitzt sie mit einem
       Golden-Retriever-Plüschhund, der fast so groß ist wie sie, ums Eck. „Ich
       mag den haben“, sagt sie. Und liest vor, dass auf dem Preisschild eine 6
       und eine 9 steht. Ihre Großmutter willigt ein.
       
       Auch das ist ein Grund, warum Eva-Maria Haschler und ihr Mann an dem
       Geschäft festhalten. Denn Kinder sollen sich ihr Spielzeug selbst aussuchen
       dürfen und nicht einfach einen Karton aus dem Internet vorgesetzt bekommen.
       Die Kleinen hätten ganz andere Maßstäbe als Eltern oder Großeltern, sie
       fänden selten das Gleiche schön.
       
       Puppen und Plüsch gibt es auch heute noch woanders, doch die
       restaurierenden Betriebe wie der der Haschlers sterben aus. Dabei sei es
       doch so: Wenn der Lieblingsteddy kaputt ist, dann hilft selten ein neuer.
       
       11 Sep 2021
       
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