# taz.de -- Die Wahrheit: Oldenburger Bahngeschichte
       
       > Auf dem platten norddeutschen Land mit dem Zug unterwegs zu sein,
       > bedeutet ins Angesicht des nackten Chaos zu blicken.
       
 (IMG) Bild: Die Spülmaschine ist Teil der knechtischen Strukturen kapitalistischer Produktions- und Arbeitswelt
       
       Wir kamen von Langeoog, als wir schon zum zweiten Mal an diesem Wochenende
       den Bahnhof in Oldenburg nicht mit dem Zug erreichen sollten. Am Freitag
       war ein Intercity auf der Strecke vor uns liegen geblieben. Da nahmen wir
       in Delmenhorst ein Taxi, das uns für nur 90 Tacken nach Oldenburg brachte.
       
       Am Montag dann war an einem unbeschrankten Bahnübergang zwischen Esens und
       Wittmund ein Zug mit einem Kfz kollidiert. Wegen dieses Unfalls auf der
       eingleisigen Strecke fiel nun automatisch auch unser Zug aus: „Halt in
       Esens entfällt“, meldete die Bahn-App, wusste jedoch nichts von einem
       Ersatz. Zum Glück fand sich ein freundlicher Herr, der von Bensersiel aus
       in Richtung Sauerland fuhr und uns im Auto bis Oldenburg mitnahm, sodass
       wir den Bahnhof dort zum zweiten Mal nur über die Autobahn statt auf dem
       Schienenweg erreichten.
       
       Damit aber nicht genug der Oldenburger Unvorhersehbarkeiten: Die für 14 Uhr
       6 auf Gleis 4 angekündigte Nordwestbahn nach Bremen wollte partout nicht
       um 14 Uhr 6 auf Gleis 4 eintreffen. Nachdem auch zehn Minuten nach 14 Uhr 6
       weder eine Verspätungsdurchsage noch -anzeige erfolgt war, war es ein
       beleibter Reisender, der plötzlich mit seinem Riesenrollkoffer den
       Bahnsteig entlanggeschoben kam und dabei immerzu laut ausrief: „Der Zug um
       14 Uhr 6 nach Bremen fährt heute abweichend auf Gleis 8. Der Zug um 14 Uhr
       6 nach Bremen fährt heute …“
       
       Rund 70 Menschen, die auf Gleis 4 warteten, rannten los – zwei
       Schaffnerinnen der Nordwestbahn inklusive. Auf Gleis 8 stand tatsächlich
       ein abfahrbereiter Zug. Es wurde aber auch dort nichts angezeigt. Am
       Bahnsteig nicht, und auch in dem Zug blieben die Digitalanzeigen schwarz,
       sodass jeder Mensch, der zustieg, uns erst einmal fragte: „Ist das hier der
       Zug nach Bremen?“ Woher sollten wir das wissen?
       
       Wir kamen hinter dem Dienstabteil zu sitzen, in das sich die beiden
       Schaffnerinnen verzogen, konnten so ihr Telefonat mit der Zentrale
       belauschen: Wie peinlich das sei, dass sie nichts von einer Verspätung oder
       gar Gleisverlegung gewusst hätten und erst von jenem dicken Passagier alles
       erfahren mussten. Woher der das eigentlich wusste, blieb allerdings
       ungeklärt.
       
       Endlich erfolgte über Lautsprecher eine launige Durchsage und
       Entschuldigung für die mittlerweile rund 30-minütige Verspätung. Es würde
       nun aber bald losgehen. Man müsse bloß noch warten, dass eine Klappbrücke
       vor uns wieder runtergeklappt sei, weil dort noch schnell ein Schiff
       passieren müsse. Dauere lediglich acht, neun Minuten. Unser Anschlusszug in
       Bremen war so natürlich nicht mehr zu kriegen. So weit diese kleine
       Oldenburger Bahnhofsgeschichte.
       
       Dass, als ich endlich in Hamburg angekommen war und ein S-Bahn-Ticket lösen
       wollte, die App sich gerade in Wartung befand und kein Fahrkartenautomat
       meine EC-Karte akzeptierte, erzähl ich dann ein andermal.
       
       28 Sep 2021
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Fritz Tietz
       
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