# taz.de -- Shoppen in der Freizeit: Ich ertrage Einkaufszentren nicht
       
       > Unsere Autorin geht nicht gerne einkaufen. Malls erinnern sie an den
       > Konsumrausch derer, die damit ihre Existenzängste verdrängen.
       
 (IMG) Bild: Konsumtempel aka Einkaufszentrum
       
       Ich hasse „shoppen“. Ich hasse den Begriff und vor allem hasse ich die
       tatsächliche Ausführung. Es ist für mich nicht mehr vorstellbar, in ein
       Shoppingzentrum zu gehen und einzukaufen. Das kalte Licht, die schlechte
       Luft, die statisch aufgeladene Kleidung und der Staub überall. [1][Die
       überwältigenden Eindrücke durch die vielen Menschen und die
       Konsumationsangebote] – allein der Gedanke daran überfordert mich. Es ist
       so schlimm, dass ich letztens nach fünf Minuten, in denen ich mir
       eigentlich nur eine Waffel holen wollte, sofort rausmusste.
       
       [2][Nein, das wird jetzt keine instagrammable Konsumkritik.]
       Shoppingzentren waren meine gesamte Kindheit und Jugend über der einzige
       Ort unserer „Freizeitgestaltung“ als Familie. Meine Eltern, meine Schwester
       und ich machten keine Ausflüge ins Grüne, wir gingen nicht auf
       Ausstellungen oder in Museen, in den Tiergarten oder in Freizeitparks –
       jeden Samstag verbrachten wir in dem einen Shoppingzentrum in unserer Nähe,
       jeder Samstag schaute gleich aus.
       
       Meine Mutter kam mittags von der Arbeit, sie trank einen bosnischen Kaffee,
       um runterzukommen, dann fuhren wir los. Wir Frauen gingen in
       Kleidungsgeschäfte, freuten uns über Schnäppchen – was mein Vater in der
       Zeit machte, weiß ich gar nicht so genau. Wir trafen ihn später zum Kaffee.
       Manchmal kaufte mein Vater etwas im Elektrofachgeschäft, immer auf
       Ratenzahlung, sogar die kleinsten Anschaffungen auf Raten. Ich dachte
       damals, das macht jeder so. Um sechs, als die Geschäfte schließen mussten,
       holten wir uns manchmal einen Döner oder was von McDonald’s – dann fuhren
       wir nach Hause.
       
       Als ich auszog, führten meine Eltern die Tradition alleine weiter. Heute
       noch ist Konsum ihre Definition von Freizeitgestaltung. Ich gehe
       mittlerweile am Wochenende in irgendwelche Hipster-Cafés, die alle gleich
       aussehen, brunchen oder gelegentlich auch raus ins Grüne wandern. Dabei
       frage ich mich oft, woher die anderen ihre geheimen Ausflugstipps haben?
       Ich muss immer zwei Stunden online recherchieren, welche Ausflüge man
       unternehmen kann. Ach so, da waren sie schon immer mit ihrer Familie – ist
       klar.
       
       Ich bin am Wochenende oft auch einfach nur zu Hause, lese, schaue [3][Squid
       Game] (wie ironisch) – alles, bloß nicht shoppen. Ich denke, meine Eltern
       haben das Gefühl, dass das der einzige vermeintliche Luxus ist, den sie
       sich als geflüchtete Menschen hier in Österreich erarbeitet haben. Es geht
       ihnen gar nicht darum, etwas zu kaufen, meist gehen sie mit leeren Händen
       nach Hause – aber sie haben das Gefühl, die Wahl zu haben.
       
       Ich kann mir in meiner Freizeit Texte über Konsumkritik durchlesen und
       Serien darüber schauen, ich verdiene mittlerweile mehr als meine beiden
       Eltern zusammen (nein, ich verdiene nicht so viel, sie bloß eher wenig),
       ich habe keine realistischen Existenzängste, die ich durch Konsum
       verdrängen muss. Das ist unglaublich ungerecht und daran erinnern mich
       Shoppingzentren jedes Mal.
       
       18 Oct 2021
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Melisa Erkurt
       
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