# taz.de -- Serie „Maid“ auf Netflix: Wie Armut wirklich ist
       
       > Der US-Serie „Maid“ gelingt es, Elend weder zu romantisieren noch die
       > Betroffenen zu entmenschlichen. Das macht sie gerade hierzulande
       > sehenswert.
       
 (IMG) Bild: Alex mit ihrer Tochter Maddy
       
       Udo sitzt in seiner verrauchten Wohnung auf dem Sofa, trägt eine weiße
       Unterhose und ein Unterhemd, das über seinem dicken Bauch spannt. Auf dem
       Tisch vor ihm stehen leere Bier- und Wodkaflaschen. Während Dutzende
       Schüler:innen sein Wohnzimmer betreten, kackt der Hund auf dem Teppich.
       Udo kommentiert: „Ist doch egal.“
       
       Die Schulklasse ist mit ihrem Lehrer (Elyas M’Barek) bei Udo zu Besuch, um
       ein abschreckendes Beispiel eines Hartz-IV-Empfängers zu sehen. Diese Szene
       aus „Fack ju Göhte“, einem der zehn erfolgreichsten deutschen Kinofilme
       jemals, steckt voller Stereotype über arme Menschen. Und ist leider keine
       Ausnahme: Armut wird in Serien und Filmen häufig als etwas „Ekliges“
       gezeigt und als etwas, das die Menschen selbst verschuldet haben.
       
       Eine US-Serie, die es jetzt deutlich besser macht, ist „Maid“. Es ist noch
       dunkel, als die 25-jährige Alex (Margaret Qualley) das Bett verlässt, ihre
       Tochter Maddy (Rylea Nevaeh Whittet) nimmt, vorbei an dem großen Loch im
       Flur läuft, das ihr Freund erst wenige Stunden zuvor im Streit
       hineingeschlagen hat, und in ihr Auto steigt. Sie will sich und ihre
       Tochter aus einer toxischen Beziehung befreien, doch die Befreiung ist ein
       Weg voller Widerstände.
       
       Nachdem Alex’ Auto auf der Flucht zerstört wird, kommen die beiden in einem
       Frauenhaus unter, dann in einer Wohnung voller Schimmel, um schließlich
       doch wieder bei ihrem Ex-Partner zu landen. „Die meisten Frauen brauchen
       sieben Anläufe, bis sie wirklich gehen“, hatte ihr schon die Leiterin des
       Frauenhauses gesagt. Damals konnte Alex es noch nicht glauben. Doch die
       Grenzen des Sozialsystems, an die auch Alex beständig stößt, bieten eine
       Erklärung dafür, warum Frauen so häufig zu ihren gewalttätigen
       (Ex-)Partnern zurückkehren.
       
       ## Marmorböden schrubben für Niedriglohn
       
       Die Grenzen des Systems bemerkt Alex am ersten Tag nach ihrer Flucht, als
       sie obdachlos ist. Um eine Unterkunft zu bekommen, braucht sie einen Job
       und dafür braucht sie eine Kinderbetreuung für Maddie. Doch Kinderbetreuung
       gibt es nur für diejenigen, die einen Job haben. „Was für eine Scheiße ist
       das denn?“, fragt sie die Sozialarbeiterin. Die hat aber auch keine Antwort
       parat und schiebt ihr lediglich die Visitenkarte einer Putzfirma zu.
       
       Künftig schrubbt Alex also für einen Niedriglohn Marmorböden in Villen oder
       voll geschissene Toiletten in leerstehenden Häusern, die verkauft werden
       sollen. Sie ist die meiste Zeit auf sich allein gestellt, um für ein
       besseres Leben für sich und ihre Tochter zu kämpfen, nur um dann doch
       wieder ohne ausreichend Geld an der Supermarktkasse zu stehen.
       
       Es sind diese detaillierten Alltagsszenen, die die Armut und Ausbeutung von
       Alex als Putzkraft so verdeutlichen. Die Serie schafft es, ihr Elend weder
       zu romantisieren noch sie als Betroffene zu entmenschlichen. „Maid“,
       [1][das auf den Memoiren von Stephanie Land basiert,] ist das Porträt einer
       alleinerziehenden Putzkraft, aber es ist auch auch das Porträt eines
       Sozialsystems, das zwar theoretisch da ist, aber praktisch nicht
       funktioniert.
       
       3 Nov 2021
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://en.wikipedia.org/wiki/Stephanie_Land
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Carolina Schwarz
       
       ## TAGS
       
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