# taz.de -- Botschafter*innen in der Türkei: Erdoğan bläst Rauswurf ab
       
       > Der türkische Präsident will westliche Diplomat*innen doch nicht
       > ausweisen. Zuvor sind die Botschaften ihrerseits von Forderungen
       > abgerückt.
       
 (IMG) Bild: Kriegen nicht, was sie wollten: Demo für die Ausweisung der Botschafter*innen am Montag in Ankara
       
       ISTANBUL taz | War alles nur ein Sturm im Wasserglas? Am Montagabend
       erklärte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan die [1][Krise um die
       zehn westlichen Botschafter], darunter auch den deutschen Botschafter
       Jürgen Schulz, für beendet.
       
       Nachdem er zuvor noch einmal in drastischen Worten die Einmischung der zehn
       Länder kritisiert hatte, die in einer gemeinsamen Erklärung vor einer Woche
       gefordert hatten, dass der seit vier Jahren ohne Urteil inhaftierte
       Kulturmäzen Osman Kavala freigelassen werden soll, nahm Erdoğan auf eine
       neuerliche Erklärung der Botschaften von Montagnachmittag Bezug.
       
       Darin hatte zuerst die US-Botschaft, der dann alle anderen neun folgten,
       dargelegt, dass sie die Wiener Konvention, die den Austausch von
       Botschaftern regelt, weiterhin befolgen werde, inklusive den Vorschriften
       in Artikel 41. Dieser regelt, dass Botschafter sich nicht in die inneren
       Angelegenheiten ihrer Gastgeberländer einmischen dürfen.
       
       Diese verklausulierte Erklärung, der sich im Laufe des Nachmittags alle
       anderen neun Länder, darunter auch Deutschland und Frankreich anschlossen,
       wurde in den türkischen Medien sofort als Rückzieher der westlichen Mächte
       interpretiert, nachdem Erdoğan am Samstagnachmittag mit der Ausweisung
       aller zehn Botschafter gedroht hatte.
       
       Mit versteinerter Mine verkündete Erdoğan am Abend dann seinen Triumph:
       „Mit der neuen Erklärung von heute ist die Einmischung vom letzten Montag
       zurückgenommen“, sagte er vor einer Versammlung seiner Minister und hoher
       Parteileute. „Wir gehen davon aus, dass die Botschafter in Zukunft
       vorsichtiger sein werden und unsere Souveränität achten werden. Wer das
       nicht befolge, kann nicht in unserem Land bleiben“.
       
       ## Keine Rede mehr von Kavala
       
       Tatsächlich haben offenbar US-Diplomaten über das Wochenende mit ihren
       türkischen Kollegen eine Formulierung ausgearbeitet, in der von Osman
       Kavala gar keine Rede mehr ist. Stattdessen erklärten die zehn Mächte nun:
       Auf Fragen bezüglich der Erklärung vom 18. Oktober bekräftigen wir, dass
       wir Artikel 41 der Wiener Konvention über diplomatische Beziehungen
       respektieren.
       
       Wer anfangs noch hoffte, damit könnte gemeint sein, dass der Verweis auf
       das Urteil des Europäischen Menschenrechtsgerichts (EGMR), welches die
       Freilassung von Kavala schon lange fordert eben keine Einmischung in die
       inneren Angelegenheiten sei, sah sich schnell getäuscht.
       
       Die Erklärung war nicht nur ein formaler, sondern auch inhaltlicher
       Rückzieher, der Erdoğan die Möglichkeit geben sollte, seine Drohung nach
       einer Ausweisung der Botschafter der USA, Deutschlands, Frankreichs, der
       skandinavischen Länder, der Niederlande, Kanadas und Neuseelands
       zurückzunehmen – aus türkischer Sicht ein klarer Sieg über die Staaten, die
       „die türkische Justiz beleidigt haben und unsere Souveränität infrage
       stellen wollten“, wie Erdoğan am Montagabend sagte.
       
       Zurück bleiben ein inhaftierter Menschenrechtler und Kulturmäzen sowie
       dessen Unterstützer, die mehr oder weniger betreten zur Kenntnis nehmen
       mussten, dass es der Biden-Administration, die die gemeinsame Erklärung
       laut New York Times ursprünglich eingefädelt hatte, dann andere
       strategische Interessen doch wichtiger waren als die schlimme Situation von
       [2][Osman Kavala].
       
       25 Oct 2021
       
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